Trinker-Typen und neue Therapieansätze

„Sag mir, was du trinkst, und ich sage dir, wie du tickst.“ – Nach Meinung des Pädagogen und Autors Andreas Winter geht es beim Trinken nur selten um die Wirkung des Alkohols an sich, sondern vor allem um das, was der Konsument damit verbindet. Mit jedem alkoholischen Getränk sei ein bestimmter Verhaltenstypus verbunden, der viel mehr ausdrücken will, als lediglich einen betäubenden Rauschzustand herbeizuführen. Sei es die Sehnsucht nach Erfolg und Status, wie sie sich im Konsum von Sekt, Champagner oder hochwertigen Spirituosen zeigt; sei es die Verbrüderung unter Gleichgesinnten an der Biertheke oder einfach die „harte“ Tour bei Schnapstrinkern und Flatrate-Säufern. Aber auch das vermeintlich schwache Geschlecht verfügt über eingespielte und rollengerechte Trinkrituale: Süß und spritzig sollte es sein, um der Härte des Alltags den Spaß am Leben abzuringen – denn „wer Sorgen hat, hat auch Likör“ heißt es schon bei Wilhelm Busch.

Der fünfte Band der Psychocoach-Reihe will nun aber keineswegs eine neue Typologie des Trinkers heraufbeschwören oder der neuerdings so modisch gewordenen Verteufelung der kleinen Fluchten das Wort reden. Andreas Winter packt vielmehr auf fundierte und humorvolle Weise ein heißes Eisen an. Denn obwohl der Alkoholmissbrauch inzwischen zur Volksseuche geworden zu sein scheint, die Konsumenten immer jünger und das Trinkverhalten immer exzessiver wird, stellt der Autor gängige Suchtdefinitionen und Therapieformen offen in Frage. Die so amüsant anmutende Unterscheidung von Vorlieben hat nämlich einen ernsthaften und viel versprechenden Hintergrund: Erst wenn ich weiß, warum ich was und in welcher Situation zu mir nehme, erhalte ich den Schlüssel dafür, eventuellen Missbrauch und Kontrollverlust zu vermeiden. Das bloße Aufhören mag vielleicht die Leber, aber noch lange nicht das Leben retten. Oder wie Winter in Analogie zur Computertechnologie vorschlägt: Erst muss das Virus von der Festplatte gelöscht werden, dann kann man neue Programme installieren, d. h. erst müssen die Hintergründe des Alkoholmissbrauchs aufgedeckt werden, um das Verhalten zu verändern. Erlernen könne das übrigens jeder medizinische Laie, wenn die notwendigen Erkenntnisse des Coachings verstanden und akzeptiert sind.

Daraus ergibt sich für Ärzte eine hohe therapeutische Erfolgschance. Wer als Arzt, Psychiater oder Psychotherapeut einem Alkoholiker wirklich helfen möchte, sollte ihm zunächst klarmachen, dass er in der Kindheit auf die falschen Ratgeber gehört und sich von seinem eigentlich Weg hat abbringen lassen. Aufgabe sei es nun, diesen Weg – frei von allen Überkompensationen – wiederzufinden und ein selbst bestimmtes Leben zu führen – mit oder besser ohne Alkohol.
 
Andreas Winter: Der Geist aus der Flasche. Alkohol - Genuss statt Muss! mit Starthilfe-CD. Mankau Verlag, 1. Aufl. November 2008
14,95 € (D) / 15,40 € (A), 14,5 x 15,5 cm, 114 S.
ISBN 978-3-938396-17-9
31. Oktober 2008
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