Ralph Bosshard, Oberstlt i Gst a D und ehemaliger Chief Planning Officer für die Ukraine in der OSZE analysiert in einem ausführlichen Text die gegenwärtige geopolitische Lage rund um den Ukrainekrieg als ein komplexes Kräftespiel ohne absehbares Ende.
Weder Moskau noch Kiew zeigen ernsthafte Anzeichen, den Krieg bald zu beenden: Die Ukraine hofft weiter auf neue westliche „Wunderwaffen“, während der Kreml angesichts westlicher Instabilitäten Zeit für sich arbeiten lässt.
Auch in Washington sind kurzfristig keine klaren Impulse zu erwarten: Die Trump-Administration bereitet sich auf die Midterm-Wahlen 2026 vor, wobei innenpolitische Themen dominieren und außenpolitische Erfolge vor allem Trumps Image dienen sollen.
Europa wirkt in dieser Gemengelage politisch und militärisch geschwächt. In Deutschland drohen Rezession und Sozialabbau den inneren Zusammenhalt zu belasten, Frankreich steckt nach einem erzwungenen Regierungsrücktritt in einer Dauerkrise und Großbritannien erlebt nach dem Machtwechsel zu Labour anhaltende Unsicherheit.
Diese Instabilität eröffnet Putin die Möglichkeit, bis mindestens Mitte kommenden Jahres die Entwicklung in USA und EU abzuwarten, während seine Armee nach dem Prinzip der „tausend Nadelstiche“ weiter Druck auf die Ukraine ausübt.
Osteuropäische Staaten zeigen sich zudem zurückhaltend: Polen, Rumänien, Tschechien und andere Länder sind gespalten oder nationalistisch geprägt und nur begrenzt bereit, aktiv gegen Russland vorzugehen.
Die E3 – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – finden deshalb kaum verlässliche Partner und verfügen selbst weder über ausreichende militärische Mittel noch über den politischen Rückhalt, um Russland zum Einlenken zu zwingen.
Bosshard schlussfolgert, dass Europa global an Bedeutung verliert und bestenfalls noch als „Zünglein an der Waage“ zwischen den Großmächten USA, China und Indien agieren kann. Russland hingegen kann den Krieg weiter nach eigenen Bedingungen führen und sieht wenig Grund, sich auf westliche Verhandlungen einzulassen.
Für die Ukraine bleibt ein Waffenstillstand ohne echte Sicherheitsgarantien ein riskanter Zwischenweg, der langfristig neue Konflikte und einen „kalten Krieg“ im Osten des Landes zementieren könnte.