Ungarn befragt als erstes Land der EU seine Bürger zu den Sanktionen gegen Russland

Ungarn setzt seine Tradition fort, seine Bürger zu kritischen politischen Themen zu befragen. Nach der Migration und den Pandemie-Massnahmen will es jetzt die Haltung der Bevölkerung zu den Sanktionen ergründen.

Der ungarische Premierminister Viktor Orban (Foto: wikimedia)

Die Sanktionen haben sich nach allgemeiner Wahrnehmung als Fehlschlag erwiesen. Anstatt Russland zu schwächen, erhöhen die Sanktionen seine Einnahmen, während die Energiepreise im Westen eine Höhe erreichen, welche die Zukunft der Industrie und den sozialen Frieden akut in Frage stellen.

In mehreren Ländern ist es bereits zu heftigen Strassenprotesten gekommen, darunter auch in Ungarns Nachbarland Tschechien, wo die Regierung russische Propaganda für die Demonstrationen verantwortlich machte.

Wie Ministerpräsident deer ungarische Ministerpräsident Orbán kürzlich in einem Radiointerview sagte, hat bisher kein Land in Europa seine Bürger nach ihrer Meinung zu den EU-Sanktionen gegen Russland befragt. «Ungarn ist in dieser Hinsicht führend, weil wir die ungarische Bevölkerung regelmäßig zu den schwierigsten europäischen Themen konsultieren und sie sogar in die Entscheidungen einbeziehen», sagte er und erinnerte an frühere nationale Konsultationen, etwa zur Migration und zu Covid-19.

Die Regierung wird der Bevölkerung die folgenden sieben Fragen stellen:

1. sind Sie mit den Brüsseler Ölsanktionen einverstanden?
2. Sind Sie mit den Sanktionen gegen Erdgaslieferungen einverstanden?
3. Sind Sie mit den Rohstoffsanktionen einverstanden?
4. Sind Sie mit den Sanktionen für Kernbrennstoffe einverstanden?
5. Sind Sie damit einverstanden, dass die Paks-Investitionen von den Sanktionen erfasst werden sollten? [Paks ist das einzige Atomkraftwerk Ungarns. Seine vier Reaktorblöcke sollen zur Zeit mit russischer Technologie um zwei weitere ergänzt werden.]
6. Sind Sie mit Sanktionen einverstanden, die eine Einschränkung des Tourismus zur Folge haben?
7. Sind Sie mit den Sanktionen einverstanden, die zu steigenden Lebensmittelpreisen führen?"

Die Befragung führt zu einigen politisch unkorrekten Schlussfolgerungen:

  • Erstens ist der vergleichsweise russlandfreundlichste Staat der EU auch der demokratischste.
  • Zweitens legt seine Führung bei der Formulierung ihrer Politik gegenüber den antirussischen Sanktionen der EU großen Wert auf das Feedback ihrer Bürger.
  • Drittens: Wenn eine Mehrheit der Bevölkerung die Sanktionen aus Brüssel ablehnt, wäre es undemokratisch, wenn die EU Ungarn dafür bestrafen würde, dass es sich weigert, den Forderungen nachzukommen.
  • Viertens könnte das Beispiel Budapests andere EU-Staaten zu ähnlichen Konsultationen anregen.

Das ungarische Vorgehen steht in scharfem Kontrast zur Haltung der deutschen Aussenministerin Annalena Baerbock, die vor anderthalb Monaten erklärt hat, die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland auch gegen den Willen der eigenen Wähler fortzusetzen.
Die NZZ bezeichnet die ungarische Volksbefragung als Erpressung der EU und spricht von «Suggestivfragen». Viktor Orban sei das «trojanische Pferd des Kremls».

Gemäss einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Magazins «Stern» lehnten Mitte September 55 Prozent der Bundesbürger Mehrbelastungen aufgrund der Sanktionen ab, 41 Prozent waren dafür. Mitte August waren es noch 47 Prozent, während 46 Prozent den Mehrbelastungen zustimmten.


Quellen:
About Hungary: Here are the questions from Hungary’s next consultation on Brussels’ failed sanctions, 14.10.22
OneWorld: Hungary’s National Consultation On The EU’s Sanctions Is The Purest Form Of Western Democracy, 15.10.22

18. Oktober 2022
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