Vishnu-Inkarnation Rama kommt nicht vor Gericht

Indischer Anwalt scheitert mit Frauendiskriminierungsklage

Ein Gericht im nordindischen Bundesstaat Bihar hat eine Klage des Anwalts Chandan Kumar Singh abgewiesen, weil diese seiner Ansicht nach keine praktische Relevanz hat. Dass der Fall in Indien trotzdem mehr Schlagzeilen macht als die meisten anderen Justizangelegenheiten, liegt daran, dass der Anwalt eine Hindu-Gottheit wegen Frauendiskriminierung vor Gericht bringen wollte.


Chandan Kumar Singh berief sich auf das 1‘800 bis 2‘400 Jahre alte Ramayana-Epos. Darin fordert die siebte Vishnu-Inkarnation, Prinz Rama die Landwirtschaftsgöttin Sita auf, zu beweisen, dass sie noch rein ist, nachdem er sie aus den Klauen des Dämonenkönigs Ravana befreit hat.
Das zeugt Singhs Ansicht nach nicht nur von Misstrauen, sondern auch von einem mangelnden Respekt Ramas gegenüber Frauen. Man könne, so der Anwalt, nicht über Respekt gegenüber Frauen im modernen Indien reden, wenn eine der am meisten verehrten Gottheiten seine eigene Ehefrau ganz anders behandle. Das müssten sich die Inder eingestehen und deshalb sei seine Klage keinen Scherz und keine Publicity-Aktion, sondern eine wichtige Angelegenheit.


Hätte das Gericht die Klage angenommen, dann hätte es seiner Meinung nach eine Botschaft aussenden können. Stattdessen muss Chandan Kumar Singh sich nun mit einer Klage wegen übler Nachrede und religiöser Beleidigung auseinandersetzen, die sein Anwaltskollege Ranjan Kumar Singh gegen ihn angestrengt hat. Ausserdem fordert Ranjan Kumar Singh, dass die Anwaltskammer Chandan Kumar Singh die Zulassung entzieht, weil ihm «eine Lektion erteilt» werden müsse. Dieser Meinung seien auch viele andere indische Juristen, deren religiöse Gefühle verletzt wurden. Außerdem, so Ranjan Kumar Singh, verehrten Hindus Rama und Sita als Paar, weshalb sich die Frage einer unangemessenen Behandlung gar nicht stelle.
Chandan Kumar Singh gab sich von der Reaktion Ranjan Kumar Singhs überrascht und meinte zur BBC, er sei praktizierender Hindu, verehre selbst Rama und habe nicht vorgehabt, religiöse Gefühle zu verletzen. Sollte er das mit der Klage unabsichtlich getan haben, entschuldige er sich dafür - aber die Tatsache, dass Rama Sita nicht den angemessenen Respekt entgegenbrachte, könne man nicht einfach ignorieren.