Vom Flaggschiff zum Beiboot

Die Freunde der Verfassung (FdV) haben ein stolzes Erbe zu verteidigen. Interne Konflikte haben sie jedoch geschwächt. Und bei verfassungsrelevanten Themen spielen sie heute eine untergeordnete Rolle.

Logo der Verfassungsfreunde

Die Freunde der Verfassung (FdV): Schon ihr Name war Programm. Die roten Fahnen mit den Friedenstauben aus kleinen weissen Schweizer Kreuzen hoch über den Köpfen der Coronademostranten standen während zwei Jahren für Freiheit und Bürgerrechte. Die Verfassungsfreunde waren der Leuchtturm der Massnahmenkritiker. Und hatten eine unheimliche Mobilisierungskraft.

Dank zahlreicher Regionalgruppen und begeisterter Bürger kamen 2021 innert kürzester Zeit die Referenden gegen das Covid-Gesetz und das Terrorismusgesetz zustande.

Beide Referenden wurden zwar vom Volk abgelehnt. Die Bürgerrechtsbewegung konnte aber einen Achtungserfolg nahe 40 Prozent Zustimmung für sich verbuchen. Am 18. Juni 2023 wird über das 3. Referendum gegen das Covid-Gesetz abgestimmt. Das Covid-Gesetz erlaubt dem Bundesrat, jederzeit eine ausserordentliche Lage auszurufen und damit Notrecht anzuwenden.

Die FdV, gegründet im Juli 2020, zählten innert kürzester Zeit 26'000 Mitglieder. Millionen von Sponsorengeldern fluteten ihre Kassen.

Heute sind die Freunde der Verfassung (FdV) zusammengeschmolzen. Statt über 8.6 (oder gar 10 Millionen Franken, siehe weiter unten) wie noch 2021, verfügten sie ein Jahr später über Einnahmen von 840'000 Franken. Die Beiträge der Mitglieder halbierten sich in derselben Zeit. Auch die Gönnerbeiträge verringerten sich eklatant: von 7.3 Millionen auf 170'000 Franken. Und das Budget 2023 stellt keine Besserung in Aussicht. Das ist den Unterlagen zur Mitgliederversammlung (MV) zu entnehmen. Sie wird am Samstag, 6. Mai, in Cham stattfinden.

Gewiss. Die Zeiten sind nicht die besten für Bürgerrechtsverteidiger. Die Fake-Pandemie wurde ausgesetzt. Momentan sind weder die Bewegungs- und Wirtschaftsfreiheit noch das Recht auf körperliche Unversehrtheit akut bedroht.

Doch das erklärt nicht alles. Fakt ist: Die FdV wurden von internen Konflikten innerlich ausgehöhlt. Und: Im letzten Jahr, da sie weitgehend von Vorstandsskandalen verschont waren, konnten sie keine neuen Themen besetzen (siehe weiter unten).

An der MV soll der heute dreiköpfige Vorstand um weitere Mitglieder ergänzt werden. Gut möglich, dass der dreiköpfige Vorstand zu klein war, um die ehrgeizigen Ziele, die er sich an der letztjährigen MV gesetzt hatte, zu realisieren: «WHO-Aktivitäten, Künstliche Intelligenz (KI), Digitalisierung zum Zwecke der Überwachung, alles Themen, die unsere Grundrechte empfindlich tangieren», so hatte es sich die FdV-Leitung auf die Fahnen geschrieben.

Doch die Realität im Vereinsjahr 2022-23 sieht anders aus: Den Hegemonieansprüchen der WHO treten nicht federführend die FdV entgegen, sondern die Jugendorganisation Mass-Voll mit der Souveränitätsinitiative.

Um die Digitalisierung kümmert sich indirekt die Bargeldinitiave der Freiheitlichen Bewegung Schweiz (FBS). Mit der verfassungsmässigen Garantie von Bargeld will sie verhindern, dass das durch die Zentralbanken emittierte Digitalgeld die Finanzen der Bürger kontrollier- und manipulierbar macht.

Verpassen die FdV damit nicht wichtige Themen? Vorstandsmitglied Roland Bühlmann antwortet: «Leider gibt es viele Themen, die eine Beobachtung wert sind. Für welche wir uns einsetzen wollen, erfahren Sie an der MV.»

Untätig sind die FdV indes nicht. Auch wenn sie sehr im Hintergrund agieren. So sind sie damit beschäftigt, Unterschriften zu beglaubigen, zum Beispiel für das dritte Covidgesetz-Referendum.

«Eine Riesenarbeit. Wir arbeiten, andere zeigen ihre Köpfe», drückt sich Vorstandsmitglied Mark Steiner aus. Mit anderen Worten: Statt ihre Führungsrolle einzunehmen, leisten die FdV Hilfsdienste. Das einstige Flaggschiff der Bürgerrechtsbewegung ist zum Beiboot geworden

Doch nicht nur die vordergründig unaufgeregten Zeiten machen den FdV zu schaffen. Viele der früheren Zugpferde des einstigen Leuchtturms der Bürgerrechtsbewegung haben den Verein in Unfrieden verlassen.

Ein umstrittenes Thema waren und sind die Finanzen. Strittig war die Verbuchung von 10 Millionen Franken, von denen nur 8.6 Millonen regulär in der Jahresrechnung auftauchten. Der Rest soll direkt in die Werbeagenturen geflossen sein, die gegen die Referenden kämpften und die teilweise eng mit einzelnen Vorstandsmitgliedern verknüpft waren. Wegen dieser vermutlichen Fehlbuchungen drohten Mitglieder mit Strafanzeigen gegen einzelne Vorstandsmitglieder.

Es blieb allerdings bei der Androhung. Auch, weil die Mitglieder dem Vorstand an der letzten MV die Decharge erteilt hatten. Alec Gagneux, einstiges Vorstandsmitglied, hatte noch im letzten Jahr vehement Transparenz gefordert. Heute ist Gagneux abgeklärt: «Es menschelt überall.»

Urs Ryser, Finanzfachmann und bei vielen Bürgerrechtsbewegungen aktiv, sagt heute: «Die Finanzen der FdV sind heikel. Man müsste nochmals bei der Buchhaltung vorbei gehen.» Aber so wenig wie Gagneux mag Ryser «diese Box noch einmal öffnen».

Auch Markus Häni, ebenfalls Ex-Vorstandsmitglied, setzte sich im Anschluss an die letztjährige MV für Transparenz und Korrektheit ein. Er hatte, damals noch Vereinsmitglied, fristgerecht Rekurs gegen das Protokoll eingereicht. Unter anderem ging es um die Rede des ehemaligen Vorstandsmitglieds Marion Russek.

Sie habe, so Häni, nicht nur die Redezeit massiv überschritten. Sie konnte unwidersprochen Schuldzuweisungen an ehemalige Vorstandsmitglieder deponieren und so einen Stimmungsumschwung bei den Mitgliedern bewirken. Wer weiss, vielleicht hätte die MV den Finanzbericht des Vorstands nicht gutgeheissen? Und es wäre doch zu den angedrohten Strafanzeigen gekommen?

Wie eine heisse Kartoffel wurde Hänis Rekurs zwischen den Vorständen hin und her geschoben. Einmal sollte der Vorstand, dann wieder die Mitgliederversammlung für dessen Behandlung zuständig sein. Zudem wurden die Filmaufnahmen der MV, die die von Häni geforderte Klarheit hätten bringen können, gelöscht. Vollends verwirrlich fand Häni, dass der FdV vor einigen Tagen mit dem Angebot auf ihn zukam, seinen Rekurs zu behandeln. Nur, um kurze Zeit später doch wieder davon abzusehen.

Auf diese Vorgänge vom «Zeitpunkt» angesprochen, langte Roland Bühlmann in die Trickkiste: Häni sei nicht mehr Mitglied und könne deshalb keine Anträge mehr stellen.

Trotz allem: Um der Verfassung willen kann man sich nur wünschen, dass das einstige Flaggschiff der Bürgerrechtsbewegung wieder Fahrt aufnimmt.