Das Leben ist uns geschenkt. Wir haben es nicht verdient, nicht erworben, nicht gekauft, nicht erarbeitet: es ist geschenkt. Es sagt uns: «Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.» (1)

«Aufrecht und aufrichtig, wahrhaft und wirklich da sein.» Foto: Josh Willink

Mit grosser Freude bin ich dankbar für jedes Lebewesen, das es auf unserer Erde gibt. «Herzlich willkommen, kostbares Wesen,» lese ich von Olivier Keller bei «proGenia». Gerne bin ich mit dabei, um:

  • dem Wunder des Lebens zu begegnen.
  • das Wunder des Lebens zu erkennen.
  • das Wunder des Lebens zu erfahren.
  • das Wunder des Lebens zu würdigen.
  • das Wunder des Lebens zu feiern.

Ob Stein oder Pflanze, Mensch oder Tier: Jedes Lebewesen hat seine äussere und seine innere Welt. Sowie sein äusseres und sein inneres Leben. Zum inneren menschlichen Leben gehören Gedanken und Gefühle wie: Angst, Ärger, Freude, Hass, Hoffnungslosigkeit, Macht, Mut, Ohnmacht, Rache, Scham, Trauer, Unmut, Verbitterung, Verzweiflung, Wehmut, Wut oder Zorn.

«Schlimmer als das, was uns widerfahren ist, ist seine Unterdrückung. Immer wieder gilt: hinschauen, hineinfühlen, zulassen, integrieren. Dann wird es gut.» Das hat mir die Autor-Kollegin Kerstin Chavent zum Umgang mit Erfahrungen und mit den damit verbundenen, auch sogenannt schlechten Gefühlen mitgeteilt.

Lebensweisheit ist keine Frage des Alters. Kinder können von Natur aus weise sein. Für ältere Menschen, die nicht weise werden wollen, kann es vielleicht mit dem Sterben schwierig und trostlos werden.

Sobald wir alle unsere Arbeiten auf dieser Erde erledigt haben,
ist es uns erlaubt, unseren Leib abzuwerfen,
welcher unsere Seele, wie ein Kokon den Schmetterling, gefangen hält.
Elisabeth Kübler-Ross

Nicht um ihrer selbst willen geliebte Kinder können krank werden. Ihre angeborene Weisheit wird verschüttet. Wenn eine Gesellschaft nicht mehr reflektiert, was sie tut, und wenn deshalb beispielsweise Kinder zum Objekt von Willkür und Zwang gemacht werden, kann das der Ausdruck einer Zuvielisation sein, die wenn auch unterbewusst keine Zukunft mehr will. Denn Zukunft heisst, sich an einer Vision für ein Leben in Freiheit und in Frieden für alle zu orientieren.

Traumatisierte Menschen geben in der Regel ihr Trauma weiter: extrem und unkontrolliert wirksam vor allem dann, wenn sie sich dessen nicht bewusst sind. Viele traumatisierte Menschen erlangen – oft sogar dazu beispielsweise demokratisch legitimiert – eine Machtposition, wo sie ihr Trauma anderen aufzwingen können. Ein Teufelskreis, der zu Kriegen führen kann. Kriege, die zu einer Welt gehören, die von traumatisiert und traumatisierenden Kranken sowie von deren Herrschsucht und Zerstörungswut geprägt ist. Möge uns alternativ und kokreativ eine Welt gelingen, wo ich, du und wir alle von Herzen aus Liebe mit Freude und in Frieden leben.

Mein Autor-Kollege Tom-Oliver Regenauer bringt mich mit seinen Texten (4) oft an den Rand einer Verzweiflung. Erstens weil seine differenziert faktenbasierten Analysen auch aus meiner Sicht der Realität entsprechen. Und zweitens weil eine grosse Mehrheit nichts davon wissen zu wollen scheint, und es nicht anders haben oder tun will. Auf eine entsprechende Mitteilung von mir, hat mir Tom geantwortet:

Lieber Ueli,
Ja, es gleicht einer Paralyse der Wohlstandsverwahrlosung. Die «Masse» wird wohl erst «aufwachen», wenn es die Regale im Supermarkt leer bleiben oder das eigene Kind an die Front geschickt wird. Damit musste man aber glaube ich in allen Zeiten leben. Es hat ja Gründe, dass die vorangegangenen Imperien implodierten. Und das waren nicht unbedingt die militärischen. Wir werden sehen:) – Ich verstehe gut, dass diese Themen Energie rauben und hoffe, Du findest Abstand dazu und kannst Dich auf die schönen Seiten des Lebens konzentrieren. Denn das Leben IST schön. Vor allem, wenn man nicht die ganze Zeit Nachrichten schaut. – Ich und viele andere werden die Stellung halten - wir haben einen langen Atem!
Liebe Grüsse und bis bald, Tom

In letzter Zeit hat sich ein neuer Blick auf das Konzept von Sünde entwickelt. Es begann mit der Erkenntnis, dass wir Menschen die Möglichkeit haben, in einem Zustand der inneren Anbindung zu sein oder nicht. Diese innere Anbindung immer wieder herzustellen war die ursprüngliche Funktion von Religion, buchstäblich eine Rückverbindung. Wenn wir in einem solchen Zustand sind, erleben wir uns im Einklang mit den Bewegungen des Grossen Ganzen. Wir erleben ein stilles Wissen, was in jedem Moment zu tun ist. Und wir sind mit den Geschehnissen in einem Dialog, der immer wieder durch Erfahrungen von Synchronizität erfahrbar wird. (Die sieben Todsünden, Versuch einer Neuorientierung, Vivian Dittmar, 2024).

Weisheit kann folgende Aspekte betreffen:

  • den Blick auf die Welt: verbunden mit einer Distanzierungsfähigkeit auch in belastenden Situationen.
  • den Blick auf die eigene Person: verbunden mit der Akzeptanz, dass vor allem das eigene Denken und Verhalten das Wohlbefinden beeinflusst.
  • den Blick auf das eigene Erleben: verbunden mit der Kompetenz, Erfahrungen auf andere und neue Ereignisse übertragen zu können.
  • den Blick auf andere Menschen: verbunden mit dem sich Befassen mit dem Wohlbefinden von anderen.
  • den Blick auf die Zeit: verbunden mit wenig Verharren in der Erinnerung an unangenehme Erfahrungen und schwierige Situationen.
  • den Blick auf unlösbare Probleme: verbunden mir der Fähigkeit, nichts destotrotz kreativ Einfluss nehmen zu können auf die Lebenszufriedenheit.

Friedrich Nietzsche hat 1878 in «Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister.» in der Sentenz Nr. 348 gemeint: «Woran die Weisheit zu messen ist: Der Zuwachs an Weisheit lässt sich genau nach der Abnahme der Galle bemessen!»

Weisheit ist lernbar. Sieben Fragen, um in einer schwierigen Situation ganz und heil zu bleiben, oder es wieder zu werden:

1. Wie betroffen macht Dich das vorliegende Lebensereignis? Beschreibe, welche Gefühle und Gedanken Du wahrnimmst, und wie es auf Dich wirkt? (Emotionswahrnehmung und -akzeptanz).

2. Versetze Dich in die Person des Verursachers Deiner Schwierigkeiten und eventuell dritter Beteiligter: Wie würdest Du Dich an seiner/ihrer Stelle fühlen, was würdest Du denken, was tun? (Rollentausch, Empathie, Aktivierung von Problemlöseverhalten, Förderung der Wahrnehmung des Kontextes und von bestehenden Werten).

3. Welche Verhaltensweisen erachtest Du für Dich für schädlich und wenig hilfreich? Welche «Lösungen» könnten dazu führen, dass alles noch schlimmer wird? (Umorientierung und Perspektivfindung).

4. Welche Verhaltensweisen erachtest Du zur Verarbeitung des Problems kurzfristig und welche langfristig für sinnvoll und angemessen? (mit ambivalenten Kompromissen leben können).

5. Welche positiven Seiten und Konsequenzen könnte das Ereignis haben? (Nachhaltigkeitsförderung – Chance für Neuanfang, langfristige Verbesserung der Lebenssituation, «inneres moralisches Wachstum»).

6. Überlege, wie Menschen an solch eine Situation herangehen würden, von denen angenommen werden kann, dass sie sich besonders gut mit der Bewältigung kritischer Lebensereignisse auskennen. Was könnten die für solche Personen typischen Herangehensweisen bei diesem Problem sein? Was würden solche Personen Dir empfehlen? (Prototypen, entlastende Perspektive finden).

7. Wohin könnte Dich Dein Leben möglicherweise fünf Jahre später entwickelt haben? Stelle Dir vor, Du schreibst im hohen Alter mit viel Distanz Deine eigene Biographie mit allen Wechselfällen Deines bewegten Lebens. Wie würdest Du die aktuelle schwierige Lebensphase beschreiben: und dies unter anderem auch mit Gleichmut und Humor? (innerliche räumliche und zeitliche Distanz, «Zeit heilt alle Wunden», Nachhaltigkeitsperspektive).

... und immer wieder erde, mitte und lichte ich mich wie folgt:

Mit und in den Füssen den Boden spüren.
Die Kraft der Erde durch den Körper strömen lassen.
Sich im und mit dem Rückgrat aufrichten.
Aufrecht und aufrichtig, wahrhaft und wirklich da sein.
Der Welt, so wie sie ist, gewachsen sein und ihr Stand halten.
Gefühle wahrnehmen, sie zulassen, sich in sie einfühlen:
Und sie kreativ in das Leben integrieren.
Abstand halten oder nehmen zu allem, was nicht gut tut.
Was krank machen kann, aus dem Kopf rauslassen.
Ihn für das Licht des Himmels frei halten ... und:
Weise werden.

Quellen:

(1) Die Lehre von der Ehrfurcht vor dem Leben, Albert Schweitzer (1875-1965)

Der Text wurde geschrieben für DAS BLATT - Zeitung des Büros für Neue Politik: Ausgabe 41 / Juni 2024, zum Thema «Leben»