Wie sich der Westen in der Ukraine verkalkuliert hat und warum es keinen Waffenstillstand geben wird

Dem Westen zu erlauben, weiterhin zu glauben, dass er gewinnen kann, ist die ultimative Form, einen überlegenen Gegner zu zermalmen, schreibt Tom Luongo

Wie der englische Stratege John Mackinder die Welt aufgeteilt hat: Das Schlüsselgebiet ist Eurasien, und wer Osteuropa beherrscht, kontrolliert Eurasien und damit die Welt.

(auszugsweise)

Wir alle, die so genannten geopolitischen Analysten, stehen in der Schuld von Halford John Mackinder. Sein 1904 veröffentlichtes Werk «The Geographical Pivot of History» ist die Grundlage für fast alle strategischen Überlegungen in den heutigen politischen Gremien, Think Tanks und Militärakademien des Westens.

Wir alle kennen die ersten drei Regeln von Mackinder:

  • Wer Osteuropa beherrscht, beherrscht das Kernland
  • Wer das Kernland beherrscht, beherrscht die Weltinsel
  • Wer die Weltinsel beherrscht, beherrscht die Welt

Deshalb darf es für den Westen keine Niederlage in der Ukraine geben. Für die Mackinderisten an der Spitze der Machtstrukturen in London, Washington D.C. und Brüssel bedeutet der Verlust der Ukraine den Verlust der gesamten Welt, denn sie haben diese sehr veraltete Sicht der Weltgeographie. …

In diesem einzigartigen Bestreben, das Kernland zu gewinnen, hat sich der Westen selbst in den Ruin getrieben – wirtschaftlich, moralisch und vor allem spirituell. Dies hat zu einer politischen Krise geführt, die an der Mitte der westlichen Gesellschaft nagt. … Die Kosten-Nutzen-Analyse der Fortsetzung des Ukraine-Projekts hat den Kipppunkt erreicht. …

Wenn man weiß, dass der Gegner alles, was er hat, in einen Konflikt wirft, dann ist die Strategie einfach: Man muss alles zerstören, was er in den Konflikt wirft, bis ihm das Geld, die Männer und das Material ausgehen, das er in den Konflikt werfen kann. Und genau das hat Russland getan. ...

Das Projekt Ukraine-Krieg begann 2014/2015. Er [der Westen] hat Viktor Janukowitsch aus der Macht geworfen und Russland hat ihm die Krim weggenommen. Seine «shock and awe»-Antwort bestand dann darin, den Ölpreis von 125 Dollar auf 25 Dollar pro Barrel abstürzen zu lassen.

Dies war die erste Aktion der «Rubel-zu-Trümmer-Kampagne» (Ruble to Rubble). Sie hat damals nicht funktioniert. Vielmehr hat sie Russland und die Welt auf den Weg gebracht, auf dem sie sich heute befinden. Es gibt eine direkte Verbindungslinie von 2014 bis heute, nicht nur vor geographisch, sondern auch auf den Finanzmärkten und in der Politik des übrigen Osteuropa – dem Kernland. ...

Aber unabhängig davon wird es im Kernland keinen Waffenstillstand geben. Russland wird nicht klein beigeben. China wird es bis zum Ende unterstützen, ebenso wie die OPEC+ und der Rest von Zentralasien. Aber sie werden nicht einen Zentimeter weiter eskalieren, als sie müssen. Dem Westen zu erlauben, weiterhin zu glauben, dass er gewinnen kann, ist die ultimative Form, einen überlegenen Gegner zu zermalmen.

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Quelle:
Tom Luongo: No Truce With the Heartland. 23.5.2023