Klopfgeist
Ich hielt es nicht für möglich, aber ich habe einen Klopfgeist! Die Samstags-Kolumne.
Immer irgendwann zwischen 6 und 23 Uhr klopft der Depp wie blöde, und zwar metallisch. Ich bin weder esoterisch noch sonst irgendwie komisch. Aber den höre ich! Und es ist seltsam: Wenn meine Freundin da ist, verstummt er sofort. Sie ist Spanierin, aber sonst okay. Vielleicht hasst er ja ihr ewiges Olé.
Mich treibt das manchmal auch ein bisschen weg. Aber ich bin trotzdem froh, wenn sie da ist, denn dann hört der Klopfgeist auf. Doch sie kann ja auch nicht immer da sein, weil sie auch noch besseres zu tun hat. Aber kaum ist sie weg, beginnt der Typ wieder mit dem obernervigen Klopfen! Mittlerweile konnte ich sein Territorium ziemlich genau eingrenzen.
Er lebt in der Wand links vom Fernseher entlang der Wasserleitung. Vielleicht glauben Sie, ich sei verrückt, aber er reagiert auf das Fernsehprogramm! Bei Autorennen klopft er nämlich nie. Ich habe beobachtet, dass er meistens klopft, wenn es ihm langweilig ist oder wenn er Hunger hat. Wir haben uns mittlerweile Namen gegeben. Ich nenne ihn den Bekloppten und er nennt mich den Beklopften.
Auf «Arte» habe ich eine Doku gesehen über griechisch-orthodoxe Bräuche. Sie haben gezeigt, wie Frauen mit Weihrauch Gebäcke gesegnet und diese vor die Haustüre gelegt haben, um böse Geister abzuwehren. Da dachte ich mir: Das probiere ich jetzt auch! Ich buk ihm einen Zopf und segnete ihn mit Weihrauch. Dann klebte ich ihn an seine Wand. Doch es hatte die gegenteilige Wirkung: Er begann zu klopfen wie blöde!
Mit der Zeit bemerkte ich, dass ihn Hefegebäcke aufpeppen. Ich habe schon lange den Verdacht, dass er ADHS hat. Dann klebte ich ihm ein gesegnetes Fladenbrot ohne jegliche Hefe hin und für über eine Stunde hatte ich Ruhe. Ich habe auch damit begonnen, die Wände entlang der Wasserrohre aufzuspitzen. Zum Glück gehört das Haus mir, darum darf ich das. Ich habe das Haus von meiner Grossmutter geerbt, nachdem sie mit dem Föhn in der Badewanne für immer eingeschlafen ist. Auch sie hatte von diesem Klopfgeist erzählt. Sie kann froh sein, konnte sie gehen, jetzt muss sie wenigstens den nicht mehr ertragen.
Trotz allem Aufspitzen fand ich ihn nicht. Er hat scheinbar eine Strategie entwickelt, um sich dem Zugriff zu entziehen. Es ist ein bisschen wie in der Unschärferelation der Quantenphysik, wo sich Elementarteilchen scheinbar mutwillig einer genaueren Beobachtung entziehen. Ich will mich mal von einem Physiker beraten lassen. Aber ich verspreche Ihnen eines: Ich werde dieses Bürschchen erwischen, dann wird es zuerst richtig laut und dann für immer ruhig!
von:
Über
Anton Brüschweiler
Anton Brüschweiler ist Musiker, Veranstalter von Anlässen mit Geheimtipp-Potenzial in der Chäsi Gysenstein und Autor des Buches «Das AntWort – die Wahrheit des Absurden», eine Sammlung von lebensrettenden Weisheiten in einer verrückten Welt.
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