Woanders ist alles … anders

Was richtig ist oder falsch, hängt nicht zuletzt von der Geographie ab. Was man an einem Ort tun muss, ist am andern zu unterlassen.

Wenn man bei einer indischen Familie eingeladen ist, wird der gemütliche Teil (auf dem Sofa sitzen, plaudern und trinken) bereits vor dem Abendessen erledigt, während man sich danach recht zügig verabschiedet. Wer das nicht weiss, ist schon mit Knabbereien voll und leicht angetrunken, bevor die Schlemmerei beginnt. Trotz «Bitte nicht stören»-Schild an der Hoteltür betritt ein Page das Zimmer immer synchron zum Anklopfen. (Also schloss ich ab – woraufhin der sich sicher dachte, dass alle Westler paranoid sind.) In Australien werden Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, am Montag nachgeholt. Ein Wechsel der beruflichen Laufbahn mittendrin ist in Neuseeland keine Ausnahme, sondern gern akzeptierte Regel. Hier erwartet man auf die Frage nach dem Wohlbefinden auch tatsächlich eine ausführliche Antwort. Die herzensguten Kiwi, die Autofahren wie die Henker, verursachen unwillentlich viel Blechschäden, weil sie, wenn sie einem Leihauto dicht auffahren, damit vermitteln wollen: Lass mich überholen. Während der gehetzte Tourist meint, dies bedeute, er solle ordentlich Gas geben.

In Polen ist es weder Übergriff noch Liebesbezeugung, wenn ein Mann einer Frau die Hand küsst. Dagegen stellt es den Gipfel an Unhöflichkeit dar, wenn ein Gast pünktlich zum Abendessen auftaucht und damit die Gastgeber völlig kalt erwischt. In der Ukraine wird ein Gast, auch wenn sein Bauch vor Hunger knurrt, die Aufforderung zum Essen ablehnen und behaupten, er sei pumperlsatt. Erst nach zwei Dutzend Nötigungen ist es akzeptabel, zuzugreifen. Deshalb hat eine ukrainische Freundin einmal ein Wochenende lang in Berlin gehungert, weil ihre Gastgeber die Nachfrage «Bist du sicher, dass du nichts  essen möchtest?» nur zwei- oder dreimal wiederholt haben. Wer seinem Gast in Lateinamerika den Wein mit der linken Hand einschenkt, beleidigt ihn.

In den USA unterhält man sich immer freundlich mit dem Service-Personal. Wer diesen Smalltalk herablassend als oberflächlich verurteilt, was wir Europäer gerne tun, vergisst dabei, dass man mit der grantigen Verkäuferin daheim auch nicht unbedingt über Nietzsche diskutiert. Einmal hatte ich keine Lust, in Arizona die Fragen eines distanzlosen Neugierigen zu beantworten. Er vermutete daraufhin, dass ich Französin sei. Das hat mir gefallen, und ich habe es nicht korrigiert. (Ich arbeite gern am schlechten Ruf von Menschen, die Frösche essen. (-;)

Wer diese Erfahrungen auf Reisen macht, wundert sich auch nicht über eine Gesetzgebung, die woanders anders ist. In Helena im US-Staat Montana darf eine Frau nur dann in einer Bar auf dem Tisch tanzen, wenn sie mindestens 3 Pfund 3 Unzen (ca. 1400 gr.) Bekleidung auf dem Leib trägt. In Alaska ist es verboten, einen lebenden Elch aus einem Flugzeug zu stossen oder ihn betrunken machen. In Kanada darf man ein Flugzeug während des Fluges nicht verlassen, egal, ob Mensch oder Elch. In New York müssen Selbstmörder, die vom Dach eines Gebäudes springen, mit der Todesstrafe rechnen. In Massachusetts ist bei einem Duell eine Wasserpistole als Waffe der Wahl untersagt, und in Uruguay ist ein Duell nur dann erlaubt, wenn beide Duellanten Blutspender sind. In Frankreich ist es verboten, ein Schwein «Napoleon» zu nennen. Im Jahr 2000 wurde übrigens in der Gemeinde Le Lavandou das Sterben verboten, weil der Friedhof überfüllt war. In Oklahoma regelt das Gesetz, dass man nicht vom Hamburger eines Fremden abbeisst, in Connecticut muss eine Gewürzgurke hüpfen können, damit sie als Gewürzgurke anerkannt wird, und in Kalifornien ist es illegal, auf dem Friedhof Gemüse anzubauen. In Grossbritannien ist es verboten, betrunken zu reiten, ganz gleich, ob auf Pferden oder Kühen. In Australien ist Sex mit einem Känguru nur dann erlaubt, wenn man betrunken ist. Kinder dürfen dort übrigens Zigaretten rauchen, aber nicht kaufen. In Israel ist es illegal für einen Mann mit dem Namen Cohen, eine geschiedene Frau zu heiraten. In Estland ist es verboten, Schach zu spielen, während man Sex hat. In Ungarn ist es verboten, das Licht währenddessen anzulassen, und in Brasilien gibt es per Verordnung sogar ein «Recht auf sexuelle Erfüllung». In England dürfen Mitglieder des Parlaments dasselbe nicht in einer Rüstung betreten. In der Schweiz ist es illegal, eine Autotür zuzuknallen. In Deutschland darf man nackt im Auto fahren, aber nicht aus dem Auto aussteigen.  Und das Allerbeste: In Italien ist es verboten, öffentlich zu fluchen.
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Dr. Roman Leuthner, Alexandra Leuthner: Die blödesten Gesetze der Welt, Bassermann Verlag 2017

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Martina Pahr

Submitted by admin on So, 02/12/2017 - 12:56
Martina Pahr

Martina Pahr ist Magister der Literaturwissenschaft, verausgabte Fernsehredakteurin, ehemalige Reiseleiterin und leidenschaftliche Schrebergärtnerin. Nebenher veranstaltet sie diverse Lesebühnen in München (wo sich kaum jemand etwas unter diesem Begriff vorstellen kann - im Grunde «Poetry Slam» ohne Wettbewerb.) Im Sommer schreibt sie gern in Schottland, im Winter in Asien und zwischendrin im Garten - wo sie sich überlegt, warum sie nichts Anständiges gelernt hat. 

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