Eine Utopie neu erfinden
Mein schönstes Geschenk seit Jahren gibt sich aussen wie innen als graues Huscheli: «Arkadien». Selbst Alexander Jaquemets Fotografien sind fast ausschliesslich schwarz-weiss.
Doch hinter der raffiniert schlichten Gestaltung verbirgt sich ein Schatz an Texten und Ideen, wie sich «Landschaften poetisch gestalten» liessen. So lautet der Untertitel des durchaus politischen Bandes. Herausgegeben haben ihn Hochparterre-Chefredaktor Köbi Gantenbein und Raimund Rodewald von der Stiftung Landschaftsschutz.
Ich habe Arkadia auf dem Peloponnes mit dem Töff er-fahren, ich kenne Rilkes oder Gerhard Meiers Arkadien. Aber wie sehr staunte ich bei der Lektüre. Das Buch erzählt das reale und fiktive Arkadien neu, diese Metapher für die Kraft sinnlicher und poetischer Orte. Es fordert uns auf, Vorgärten, Ferienidyllen, eine scheinbar intakte Natur in unserer hochfunktionalen Landschaft neu zu denken. Rodewalds Einleitung ist ein präziser Essay, der einen weiten – und penibel genauen – Bogen schlägt vom Erfinder der Utopie, dem Neapolitaner Jacopo Sannazaro, Anfang des 16. Jahrhunderts, über die Domestizierung Arkadiens und seinem Untergang bis zur heutigen, von Schuldgefühlen gesteuerten Suche nach arkadischer Idylle.
«Arkadien» ist ein Plädoyer für die Poesie des Raumes. Der Band überrascht mit zehn Essays von und zehn Interviews mit Persönlichkeiten, die ihr eigenes Arkadien vorstellen. Landschaften lassen sich mannigfach wahrnehmen, lassen sich hören und sehen, riechen, schmecken und erfühlen. Landschaften werden gebraucht und genutzt; der zweite Teil widmet sich Politik und Planung, dem Tourismus und der Bau- und Landwirtschaft. Das Buch richtet sich beileibe nicht nur an Fachleute. Es endet mit einem eindringlichen Plädoyer der Herausgeber, einem Plädoyer für die Poesie des Raumes. Ein Juwel!
Köbi Gantenbein:/Raimund Rodewald: Arkadien. Edition Hochparterre 2016, CHF 46.–
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