Niemand hat immer recht

Der Dalai Lama hat sich impfen lassen. Das löste bei mir grosse Überraschung und viele Gedanken aus. Was soll ich vom Dalai Lama jetzt denken?

© pixabay

Die Meldung, die ich gelesen habe, irritiert mich noch immer: Der Dalai Lama, das geistige Oberhaupt des tibetischen Volkes, liess sich gegen den Virus impfen. In der nordindischen Stadt Dharamsala, wo sich die tibetische Exilregierung befindet, hat der 85-Jährige den Ärmel seines Gewandes hochgekrempelt und die Spritze bekommen. Er liess sich während der Prozedur filmen und kommentierte danach: «Mehr Menschen sollten den Mut haben, sich für die Injektion zu entscheiden.» Das sei sehr wichtig, und deshalb wolle er das auch öffentlich machen. «Um ernsthafte Probleme zu verhindern», sprach der Dalai Lama, «ist diese Injektion sehr, sehr hilfreich und sehr gut.»

Dreimal hat er das «sehr» betont.

Ich bin sicher, auch viele andere Menschen, die diese Meldung gelesen haben, reagierten wie ich: mit Betroffenheit. Ich bin erschrocken, dass ausgerechnet der Dalai Lama, von dem ich so viel halte, diesen Eingriff mit sich machen liess.

Für all jene Menschen, die der Impfung positiv gegenüberstehen, sich vielleicht selbst schon impfen liessen und gleichzeitig den Dalai Lama sehr schätzen, für solche Menschen ist sein Entschluss zweifellos eine gute Nachricht. Sie sehen sich durch die lebende Legende des Dalai Lama bestätigt in ihrem eigenen Handeln. Doch für ebenso viele Menschen, die der Impfung kritisch, sogar ablehnend gegenüberstehen – nicht, weil sie generell gegen das Impfen wären, aber weil sie der Meinung sind, dass man sich gegen ein Virus nicht impfen lassen, sondern versuchen sollte, gesund zu leben –, für all diese Menschen ist es eine traurige Nachricht.

Was soll ich vom Dalai Lama jetzt denken? Zunächst überlegte ich mir, ob er am Ende recht hat, wenn er sagt, die Impfung sei ein sinnvolles Mittel, um diesen Virus zu bekämpfen. Offenbar ist er der Meinung, dass der Virus eine sehr gefährliche Sache ist. Und offenbar glaubt er den Versicherungen der Pharmakonzerne, dass mit der Impfung das Problem gelöst werden könne. Offenbar hält er es nicht für fragwürdig, eine solche Impfung zu propagieren, die noch gar nicht richtig erprobt worden ist, die innert kürzester Zeit aus dem Boden der Schulmedizin gestampft wurde. Offenbar vertraut er der staatstreuen Wissenschaft in einem Masse, wie ich es nicht für möglich gehalten habe.

Das sind die Gedanken, die ich mir gemacht habe. Weil ich doch so viel von ihm halte, versuchte ich, ihn zu verstehen. Seine Weisheiten, seine Ausstrahlung, seine Persönlichkeit – er hat mich immer beeindruckt. Weil er über den Religionen steht, obwohl er ein Religionsführer ist. Weil er ein spiritueller Mensch ist, ein versöhnlicher Mensch, der niemanden von seiner Liebe ausschliesst und sich auch nie radikal gegen China äusserte, obwohl China seine tibetische Heimat erobert und im Grunde zerstört hatte. Trotzdem blieb er immer besonnen in seinen Äusserungen zu China.

Er war für so viele von uns, und auch für mich, ein Vorbild. So wie er sollte man über die Welt und über das Leben denken, seine Einstellung sollte man haben. Und jetzt kommt dieser Dalai Lama und hat sich allen Ernstes impfen lassen.

Doch ziemlich bald war mir klar: Selbst wenn der liebe Gott höchstpersönlich eine andere Haltung hätte, wäre ich nicht bereit, meine Meinung zum Thema Corona und Impfung aufzugeben. Und gerade nach dieser Meldung ist mir bewusst geworden, dass es eigentlich niemanden gibt, der immer recht hat. Auch nicht der Dalai Lama.

Vielleicht hat er ja recht. Ich kann nicht beurteilen, was richtig und falsch ist. Ich kann nur sagen, was ich selber als richtig oder als falsch empfinde, und so muss ich seinen Standpunkt nicht einfach blind übernehmen, obwohl ich doch immer alles so wahr und so weise fand, was er sagte.

Ich bleibe bei meiner Haltung: dass niemand immer recht hat. Und dass es deshalb nichts anderes gibt für jeden von uns, als auf unser eigenes Herz, auf unsere innere Stimme zu hören – und danach zu handeln.

Trotzdem werde ich weiterhin Sätze des grossen Tibeters zitieren und mir über sie Gedanken machen. Einer dieser Sätze lautet: «Wir leben nicht, um zu glauben, sondern um zu lernen.» Dieser Satz passt zur Meldung, der Dalai Lama habe sich impfen lassen. Ich muss nicht an den Dalai Lama glauben. Ich muss versuchen zu lernen, wie ich selber die Welt sehe.

 

Über

Nicolas Lindt

Submitted by admin on Di, 11/17/2020 - 00:36

 

Nicolas Lindt (*1954) war Musikjournalist, Tagesschau-Reporter und Gerichtskolumnist, bevor er in seinen Büchern wahre Geschichten zu erzählen begann. In seinem zweiten Beruf gestaltet er freie Trauungen, Taufen und Abdankungen. Der Autor lebt mit seiner Familie in Wald und in Segnas.

Bücher von Nicolas Lindt

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Kommentare

Erkenntnis aus dem Bericht über den Dalai

von juerg.wyss
Mir ist wieder ein sehr geschicktes Wortverdrehungsspiel aufgefallen. Nicolas schreibt, die Seren wurden von der Schulmedizin aus dem Boden gestampft. 1. Das ist gar nicht möglich, es gibt noch keine Schulmedizin die sich mit genverändernden Substanzen befassen darf. Das kann nur die Forschung. 2. glaubt Nicolas an die Wissenschaft für Heilung. Für Heilung ist aber die Medizin zuständig, die Wissenschaft ist nur dazu da Wissen zu schaffen, wie der Name es sagt. Also Schule, um Neues zu begreifen. Durch geschickte Verdrehungen hat die Wirtschaft die Wissenschaft ersetzt, die Pharmaproduzenten haben sich die Medizin unter den Nagel gerissen. Es wird also nicht mehr geforscht, es wird entwickelt. Probleme werden mit Worten oder Verordnungen verlagert. wie z.b. Deutschland impft nur noch über 60 jährige mit astracenika, warum wohl? Es ist einfacher, als man denkt. Die Nebenwirkungen werden so kalkuliert, dass die Diagnose Tod durch Hirnvenenthrombose auf das Alter zurückgeführt werden kann und die todbringende Impfung nicht schuld ist an der Thrombose. So kann nur mit Worten eine Pandemie am Leben gehalten werden, mit Worten werden Nebenwirkungen beseitigt. Mit Worten ist unsere Freiheit weg. Aber es sind nicht Worte, es sind Lügen.

auch der Dalai Lama kann nicht immer Recht haben.

von Carlos
Scheinbar gibt der Dalai Lama ein schlechtes Beispiel für Jene, die auf die Natur vertrauen  -  und ich denke, die tibetische Medizin hat da eine Gegenmeinung ins Netz gestellt: zum Beispiel, dass mit tibetischer Medizin die Vakzine vorbeugend unschädlich gemacht, oder danach wieder ausgeleitet werden können.   Es könnte auch sein, dass es ein Fake war, er habe sich impfen lassen? Er hat ja eine Aufgabe in der Welt und dafür muss er reisen. Naja mögliche Erklärungen gibt es viele.   Jedenfalls, wer Widerstand gegen die Welt hat, wird dies auch privat an sich erfahren.     Sei gesegnet, sagt der Dalai Lama.

Zur Impfung des Dalai Lama

von Remy Holenstein
Ich bin nicht verwundert über dieses Erstaunen von Nicolas Lindt. Es hat bei mir vor etwa zwanzig Jahren eingesetzt, als der Dalai Lama öffentlich erklärte, warum er Semi-Vegetarier ist. Es erklärte, dass ihm sein Arzt geraten habe, alle paar Tage Fleisch zu essen, was er seitdem auch mache. Ich habe mir damals die Frage gestellt, warum braucht der Dalai Lama einen Arzt, der ihn auf allen Reisen begleitet ? Und warum ist ihm der Ratschlag des Arztes wichtiger als sein eigenes Empfinden, welches ihm den Fleischverzicht nahelegt ? Ich zog damals den gleichen Schluss, wie heute Nicolas Lindt. Solche Leute sind hervorragende Lehrer und Vorbilder – aber Unfehlbare gibt es nicht.

Niemand hat immer recht

von Sonja G.
Als ich hörte, dass sich ein spiritueller Lehrer impfen lässt, war ich zuerst auch schockiert. Nur: Inzwischen bin ich allen Meldungen gegenüber skeptisch. Ich sehe die Meldung auch als Werbung für die Impfung! Alle, die den Dalai Lama bewundern werden sich leichter impfen lassen. Nur: Stimmt es denn auch, dass sich der Dalai Lama impfen liess? Ich kann es jedenfalls nicht nachprüfen.

Kommerntar von Jürg.Wyss

von gabriela-maria
Ich zittiere hier aus einem Buch, dass ich auf's Innigste allen Menschen ans Herz legen möchte: Leider zeigt uns diese Impfaktion, wie sehr wir Menschen uns von uns selbst, unsere Schöpfung und dem Göttlichen entfernt haben. Noch nie haben wir als Menschheit eine solch weitreichende kollektive Entfremdung vollzogen. Nun stehen wir als Menschheit wirklich in der Gefahr uns selbst zu zerstören. Aus dem Buch:  Menschsein im Jetzt    von Ana Pogacnik

Naja…

von haralfi
Ich beobachte hier ein sehr menschliches Verhalten. Eine anerkannte Autorität macht etwas, was mit dem eigenen Weltbild nicht konform geht. Und das Entsetzen ist groß.  Es gibt in der spirituellen den auch hier sichtbaren Trend, das Leute definieren, wie ein Erleuchteter zu sein und zu denken hat. Denn es ist „Mainstream“ innerhalb der Szene, gegen DEN Mainstream zu sein. Wer „dazugehört“ glaubt natürlich, dass die Wissenschaft „staatstreu“ sei (in allen Ländern der Welt all die Hundertausenden Bis Millionen Ärzte und Forscher? Really?) und dass Impfungen Gift sind. Man erwartet - wie auch der Autor hier - dass die großen MeisterInnen natürlich ebenso denken. Denn wer „erwacht“ oder „erleuchtet“ ist muss doch alle das Böse in der Welt sehen und die Verschwörungen usw. Wer sind wir, als Nichtwissenschaftler und Nichterleuchtete zu beurteilen, was ein echter Wissenschaftler oder Erleuchteter ist? Wieso ist der Dalai Lama nur dann verehrenswert, solange er die Meinung vertritt, die man selbst auch vertritt? Aus demselben Denkmuster heraus sind ja auch Bhakdi, Wofarg und Co für viele Spirituelle „gute Wissenschaftler“, weil die das sagen, was die Leute sowieso denken, nicht weil sie gute Arbeit nach wissenschaftl hrn Qualitätsregeln abliefern würden. Anstelle des Autors würde ich über diese Punkte nochmal nachdenken. Aber es ist ja leichter, andere als „nicht Recht habend“ abzustempeln anstatt sich mit dem eigenen Glaubenssystemen auseinanderzusetzen. Man braucht schließlich viel Mut - grad als in der Öffentlichkeit stehend wie der Autor dieses Artikels - und erst sich und dann anderen ei einzugestehen, dass man ggf falsch gelegen hat. Das kann ja aber nicht sein, man gehört ja schließlich zu den „Guten“, den „Erwachten“ also müssen alledie nicht so denken ja die Schlafschafe, staatstreu usw sein. Oder eben: auch der Dalai Lama liegt mal falsch. Natürlich genau bei dem Thema, bei dem ich eine ganz andere Meinung habe. Was ein „Zufall“.

Verwundert über Verwunderung

von ashuk
Mich verwundert immer wieder Verwunderung über Vielfalt. Sogenannt spirituelle Menschen meinen, dass etwas so oder so sein müsste, sonst wäre das eben nicht spirituell. Das Gegenteil ist der Fall. Ohne Vielfalt keine Integrität. Im Fall der von Entscheidungen „ja“ oder „nein“ wie hier bei der Impfung, ist das Ergebnis so oder so. Der Weg zur Entscheidung ist jedoch vielfältig. Viele Spirituelle schwelgen in einer Art spiritueller Romantik. Sie essen kein Fleisch, sie rauchen nicht, sie lassen sich nicht impfen. Und dann meinen sie, die Sache wäre getan. Sie seien jetzt erwacht. Weit weg davon. Voll von spirituellen Konzepten. Das Abstreifen von Konzepten ist die Knochenarbeit, welche nur wenige angehen. Sich voll und ganz ins Unbegreifliche integrieren erfordert dies. Das Unbegreifliche, das Bedingungslose. Ja, bedingungslos! Es stellt keine Bedingungen wie vegetarisch, rauch- und impffrei. Das hat der Dalai Lama logischerweise schon längst begriffen. Es geht nicht um, so oder so. Es geht um Freiheit, das zu machen, was man für richtig hält. Übrigens sind viele spirituelle Lehrer geimpft, und viele sind es nicht. Und beides ist richtig so!