Orbán setzt seine Friedensmission trotz Protest aus Brüssel fort

Auf dem Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft im britischen Blenheim Palace forderte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán die Staats- und Regierungschefs erneut auf, sich für Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine einzusetzen.

(Screenshot aus «Die Welt» vom 9.7.24)

Auf X schrieb Orbán: „Wir werden keinen Frieden auf dem Schlachtfeld finden, sondern nur am Verhandlungstisch. Mein Ziel ist es, die europäischen Staats- und Regierungschefs davon zu überzeugen, einen Kurswechsel zu einer Friedenspolitik zu vollziehen.“ Pünktlich zu dem Treffen veröffentlichte Orbáns Büro sein Schreiben vom 12.7. an den Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, in dem er über seine Besuche in Kiew, Moskau, Peking und Washington berichtete.

Michel hatte auf den Brief scharf reagiert und geschrieben, Ungarn spiele „keine Rolle bei der Vertretung der Europäischen Union“. Selbst ein einfaches Gespräch mit Wladimir Putin ist für Brüssel tabu. Orbán hat übrigens nie behauptet, in seiner Eigenschaft als turnusmäßiger Ratspräsident zu handeln, sondern als Präsident einer souveränen Nation.

Am Vortag hatte die Europäische Kommission ihre Kommissare angewiesen, alle Ministertreffen zu boykottieren, die Ungarn während seiner sechsmonatigen Ratspräsidentschaft (seit 1.7.) in Budapest veranstaltet. Verschiedene EU-Regierungen wollen nicht an Treffen in Ungarn teilnehmen.
Am 22.7. verurteilte auch Josep Borrell Orbáns Initiative scharf und kündigte an, das für Ende August geplante Außenministertreffen von Budapest nach Brüssel zu verlegen. Ungarns Außenminister Peter Szijjarto nannte diese Rache der EU „völlig kindisch“.

Ist Orbáns Mission wirklich so radikal? Um sich ein Urteil zu bilden, sollte man seinen Brief an Michel lesen. Er fordert darin „die Aufrechterhaltung der derzeitigen hochrangigen politischen Kontakte mit der Ukraine“, aber auch „die Wiedereröffnung direkter diplomatischer Verbindungen mit Rußland und die Wiederherstellung solcher direkten Kontakte in unserer politischen Kommunikation“. Die Ukraine-Politik der EU habe zu einer „globalen Isolierung der transatlantischen Gemeinschaft“ und einem Verlust an Ansehen und Glaubwürdigkeit im Globalen Süden geführt.

Orbán schlägt vor, daß die EU hochrangige politische Gespräche mit China über die Veranstaltung einer Friedenskonferenz führt. (Übrigens hat Außenminister Wang bestätigt, daß China bereit ist, bei den Bemühungen um eine politische Lösung der Krise mit Ungarn zusammenzuarbeiten.) Zu seinem Besuch bei Donald Trump stellt Orbán fest, im Falle seiner Wahl im November wäre Trump „sofort bereit, als Friedensvermittler aufzutreten“, und habe „dafür fundierte Pläne“.

Erste Risse in der Anti-Orbán-Front der deutschen Medien

Die EU-Institutionen haben die Friedensmission des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, die ihn nach Kiew, Moskau, Peking, dann nach Washington zum NATO-Gipfel und anschließend zu einem Kurzbesuch bei Donald Trump führte, wiederholt scharf kritisiert. Brüssel boykottiert Ungarns sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft und möchte sie sogar annullieren.

Einige wenige Mainstream-Medien in Europa tanzen jedoch aus der Reihe und unterstützen vorsichtig Orbans Initiative. Ein Fall ist die einflußreiche deutsche liberal-konservative Tageszeitung Die Welt, ihr Brüsseler Korrespondent Christoph Schiltz veröffentlichte einen Kommentar mit dem Titel „Viktor Orbán hat eine Chance verdient“.

Orbán habe den russischen Einmarsch in der Ukraine zwar nicht klar verurteilt, schreibt Schiltz, und man könne seine diplomatischen Bemühungen „verurteilen als nicht mit Brüssel abgesprochen oder als Ego-Trip eines Gernegroß. Aber so falsch ist Orbáns Solonummer nicht. Der Ungar hat eine Chance verdient. Orbán ist neben dem türkischen Präsidenten Erdogan der einzige Europäer und Regierungschef in der NATO, der gute Kontakte zu China und Rußland besitzt.“

Schiltz fährt dann mit dem verdrehten Argument fort, daß diejenigen, die Orbán kritisieren, selbst nicht genug täten, damit die Ukraine Rußland militärisch besiegen könne. Trotz seiner pro-ukrainischen Linie hat das berüchtigte Kiewer Zentrum für Desinformationsbekämpfung auch Schiltz 2022 auf seine Liste der Personen gesetzt, die „das russische Narrativ fördern“.

Deutschlands auflagenstärkste Boulevardzeitung Bild führte am 8.7. ein langes Videointerview mit Orbán. Der stellvertretende Bild-Chefredakteur Paul Ronzheimer stellte die üblichen Anti-Putin-Fragen, allerdings ohne die übliche Hysterie. Vor allem aber ließ er Orbán ausreden. Dessen Hauptargument lautete, wenn die USA, die EU und China sich einig seien, daß es Frieden geben soll, dann werde dieser auch kommen. Er warf Brüssel vor, zum Nachteil Europas nur die Position der USA zu übernehmen.


Der Text stammt mit Zustimmung des Verlags aus dem (kostenpflichtigen) Newsletter des Schiller-Instituts.