Richtig loslassen beim Toilettengang
Als Kinder lernen wir aufs Töpfchen zu gehen. Als Erwachsene machen es die meisten immer noch falsch. Ein paar Worte zum stillen Örtchen.
«Manchmal wenn ich auf dem Klo sitze, muss ich weinen, weil es so schön ist», erzählte mir eine Bekannte beim Essen. Ein ungewöhnliches Statement: Normalerweise reden Leute nicht offen über ihren Stuhlgang. Schon gar nicht bei Tisch. Und ob jeder die Darmentleerung als beglückend empfindet, ist auch zu bezweifeln.
Im gesamten Darm leben etwa gleichviel Bakterien, wie wir Zellen im Körper haben – rund 100 Billionen.
Wer isst, der scheisst. Oder von mir aus: er kotet. Tatsache ist, unten muss raus, was oben reinging und nicht verwertet wurde. Und durch den Darm geht eine ganze Menge: 30 Tonnen Nahrung und 50 000 Liter Flüssigkeit verarbeitet das Organ im Laufe eines 75-jährigen Lebens. Auch wenn wir beim Gang zur Toilette gerne die Tür hinter uns schliessen, alleine sind wir dabei nicht: Jedes Gramm Kot enthält mehr Bakterien als es Menschen auf der Erde gibt. Und im gesamten Darm leben etwa gleichviel Bakterien, wie wir Zellen im Körper haben – rund 100 Billionen. Platz genug haben sie: Mit bis zu acht Metern Länge und zahllosen winzigen Falten lässt sich unser Darm zu einer Fläche von 500 Quadratmetern ausbreiten! Zum Vergleich: Die Hautoberfläche beträgt im Schnitt nicht einmal zwei Quadratmeter.
Die braune Farbe des Stuhls kommt vom abgebauten Hämoglobin, dem Farbstoff der roten Blutkörperchen, welches so mitausgeschieden wird. Weiter besteht unser Kot aus Darmbakterien, unverdauten Pflanzenfasern, Körperzellen, Sekreten – und zu 75 Prozent aus Wasser! An der Farbe des Stuhls lässt sich auch unser Gesundheitszustand ablesen: Grünlicher Kot kann ein Hinweis sein auf Salmonellenvergiftung, gelber auf Glutenallergie. Roter Kot deutet auf Blutungen im Darm oder Hämorrhoiden am Ausgang hin; je dunkler das Rot, desto weiter oben im Trakt liegt die Ursache. Zu Überprüfen vor dem Arztbesuch bleibt, ob wir am Vortag Rote Beete gegessen haben. Denn gewisse Lebensmittel können bis jenseits der Speiseröhre färben.
Wer sich nicht nur für Farbe, sondern auch Form seiner Hinterlassenschaft interessiert, der kann die Bristol-Stuhlformen-Skala zu Rate ziehen. Die Skala teilt den Stuhl in sieben Typen ein, von «harten, festen Kügelchen» bis zu «flüssig, ohne feste Bestandteile».
Gesund sind Typ 3 und 4: Wurstartig mit glatter oder mit rissiger Oberfläche. Der Blick zurück in die Schüssel vor dem Spülen lohnt sich.
Wobei gerade die Kultur des Spülens problematisch ist. Bis zu zehn Liter sauberes Wasser rauschen pro Spülung die Kanalisation runter und lassen unsere Fäzes und Urin verschwinden. Diese Mischung wieder zu Trinkwasser aufzubereiten ist kosten- und energieaufwändig und die in den Fäkalien enthaltenen Nährstoffe gehen verloren. Wenn wir unser Geschäft verrichten, wäre Kreislaufwirtschaft angesagt: Nachhaltiges Loslassen findet in sogenannten Kompost- oder Trockentoiletten statt, die mittels einer speziell unterteilten Schüssel den Urin vom Kot trennen. Statt Wasser bedeckt eine Handvoll Sägespäne das gemachte Häufchen und neutralisiert den Geruch. Über Fermentation und Kompostierung entsteht aus dem festen Rest Humus. Ein separates Verfahren macht aus dem Urin Dünger.
Doch zurück zum eigentlichen Prozess, zum Kacken. Viele scheitern bei der richtigen Sitzposition. Mit rechtwinkligen Beinen auf dem Klo zu thronen ist für die Darmentleerung denkbar ungünstig. Viel besser ist eine Position mit einem 35-Grad-Winkel der Beine zum Oberkörper, auch genannt: Die Hocke. Die Evolution hat uns mit einem nützlichen kleinen Muskel ausgestattet, der im Stehen und normalen Sitzen unseren Darm wie ein Lasso umfasst, und mit dem so entstehenden Knick die Schliessmuskeln unterstützt, den Inhalt drinzuhalten. Gehen wir in die Hocke (wie das zwei Drittel der Menschheit weltweit beim Stuhlgang übrigens immer noch tun), entspannt sich dieser Muskel, der Darm kommt in eine gerade Form und entleert sich ohne mühevolles Pressen. Bevor Sie sich jetzt zu Hause ihre Sitztoilette abreissen (oder auf der Klobrille herumturnen müssen), sei hier ein Trick verraten: Stellen Sie beim Stuhlgang ihre Füsse auf einen kleinen Hocker und beugen sie den Oberkörper leicht nach vorne. Laut Studien dauert der Prozess in dieser Position im Schnitt 50 Sekunden, braucht weniger Klopapier und die Teilnehmenden berichten von dem befriedigten Gefühl einer «vollkommenen Entleerung». Das klingt nach richtig gutem Loslassen.
Ich hoffe, dieser Artikel unterstützt Sie dabei, genussvoll loszulassen. Schliesslich verbringen wir rund drei Jahre unseres Lebens auf dem Klo. Grund genug, es auch mal zum Tischgespräch zu machen.
PS: Falls bei Ihnen die Zeitpunkt-Magazine neben dem Klo liegen: Lesen beim Stuhlgang schadet nicht. Sofern es Sie entspannt.
Buchempfehlung: Giulia Enders: Darm mit Charme – Alles über ein unterschätztes Organ. Ullstein Verlag, 2017 (9. Auflage). CHF 26.90.
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