So bin ich!
Die Innenwahrnehmung der eigenen Person ist eine ganz praktische Angelegenheit. Da ist weder ein Geheimnis noch etwas Mystisches verborgen. Und doch tun sich viele Menschen schwer damit.
Zur Wahrnehmung braucht es wache Sinne. Am leichtesten fällt es, wenn man eine konkrete Erfahrung machen kann. Zum Beispiel einen praktischen Versuch zum Tastsinn.
Der Tastversuch bietet die Möglichkeit, im Alltag zu mehr Wachheit und Kontaktfähigkeit zu gelangen. Sie brauchen dazu einen kleinen Korb mit zehn kleinen Dingen, die Sie mit einer Hand gut umgreifen können – ich selbst benutze eine Sammlung von unterschiedlichsten Bällen – und einen kleinen Schal zum Verbinden der Augen. Der Zeitaufwand hält sich in Grenzen: 20 Minuten ungestörte Ruhe. Mit Vorher-nachher-Vergleich, damit Sie bewusst ihren veränderten Zustand wahrnehmen können.
Setzen Sie sich auf einen Stuhl und verbinden sich die Augen. Falls Sie geschlossene Augen als unangenehm empfinden, können Sie jederzeit die Augenbinde wegnehmen und einfach die Augen schliessen. Versuchen Sie aber wahrzunehmen, was die Augenbinde in Bezug auf die Innenwahrnehmung für eine Wirkung hat. Vor Ihnen steht der Korb mit den Sachen drin.
Legen Sie die Hände auf die Oberschenkel und fragen Sie sich, wie sich ihre Hände vorfinden und lasse Sie sich Zeit, bis die Empfindungen bewusst werden.
Nun beginnen Sie den Versuch mit einer Hand; die andere Hand bleibt untätig und wird zur Vergleichshand am Ende des Versuchs. Es ist wesentlich, dass Sie sich viel, viel Zeit geben. Langsamer als Zeitlupe bewegen und immer wieder auch ruhig und still werden. Die Informationsaufnahme durch Sehen, Hören und Tasten erfolgt mit 109 bits/s, während das Bewusstsein die Informationen mit 101–102 bits/s verarbeitet: Wir empfinden unmittelbar, während Bewusstwerdung Zeit braucht. Tastend lassen Sie das erste Objekt auf die Hand wirken, Oberfläche, Konsistenz, Schwere, legen es nach etwa einer Minute neben den Korb und nehmen dann das nächste Ding in dieselbe Hand.
Das ist zu Beginn mit den geschlossenen Augen etwas gewöhnungsbedürftig, gelingt aber im Verlauf des Versuchs immer besser. Versuchen Sie, mit der Schwerkraft, die auf die Bälle wirkt, in Kontakt zu kommen. Mit der Zeit verfeinert sich die Wahrnehmung. Welche Auswirkung hat das unterschiedliche Gewicht? Was bewirkt die Schwere? Wie verändert sich Ihr Spannungszustand? Wo ist die erhöhte Spannung beim Anheben eines schweren Objekts spürbar (Hand, Arm, Schulter, rechte Seite)? Kann die Veränderung der Spannung als Zustandsveränderung im Ganzen empfunden werden? Ist das Abklingen der Spannung, wenn ich etwas Leichteres in der Hand wiege, auch spürbar? Entstehen Bilder im Kopf? Welche? Tauchen Erinnerungen auf? Welche? Tauchen Farben auf? Welche?
Zum Abschluss, wenn der Korb leer ist, vergleichen Sie die beiden Hände. Wie fühlt sich nun die Hand an, die sich tastend verhalten hat im Unterschied zur anderen Hand, die nichts tat? Wie wird die veränderte Kontakt- und Reagierfähigkeit in meiner aktiven Hand deutlich im Vergleich zur anderen Hand, die bewusst nicht gebraucht wurde? Ist es auch sichtbar?
Wichtig: Es gibt kein Richtig oder Falsch. Die eigene Erfahrung ist, wie sie ist. Haben Sie nun etwas mehr darüber erfahren, was ein tastenderes Verhalten von Ihnen an Verwandlung im Zustand der Körpermasse erfordert? Wird die veränderte Qualität dieses Zustandes wahrnehmbar?
Wie wäre es, wenn Sie sich im Alltag bewusst tastender verhalten würden, und zwar nicht nur mit den Händen, sondern mit Ihrer ganzen Hautoberfläche? Sie könnten sich dadurch möglicherweise lebendiger fühlen und wacher werden für das, was Sie umgibt. Versuchen Sie es, und schreiben Sie ihre Erfahrungen in ein kleines Heft. Mit der Zeit ergibt sich ein interessantes Tast-Tagebuch.
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