«Sorge dafür, dass weltweit die heiligen Feuer wieder brennen.»
Matthias Walter hatte vor Jahren bei einem indianischen Sonnentanz die Vision, weltweit Friedensbäume zu pflanzen. Daraus entstanden die Friedensbaumstiftung und weit über hundert grosse Baumpflanz-Rituale. In seiner neuen Heimat Nicaragua hatte er eine neue Vision: das Festival der heiligen Feuer. Es findet vom 11.-22. November auch als Online-Event statt.
Im Jahre 2005 lud sein schamanisch-indianischer Lehrer Larson Medicine Horse vom Stamm der Crow Matthias zu einem heiligen Sonnentanz-Ritual in die USA ein. Ohne viel darüber zu wissen, sagte er zu – und verpflichtete sich, vier Sonnentänze in seinem Leben zu tanzen, was ihm zwischen 2005 und 2011 gelang – jeweils vier Tage lang ohne zu essen und zu trinken. Beim letzten Sonnentanz hatten Matthias und seine Frau Isabella Walter dieselbe Vision: Sie wollten weltweit Friedensbäume pflanzen. «Wir hatten gefragt, was wir tun können, um Mutter Erde bei der Heilung zu unterstützen. Die Friedensbaummission war die Antwort.» Das war vor zehn Jahren. Inzwischen hat die von den Walters gegründete Stiftung 138 Friedensbäume in vielen Ländern gepflanzt.
Die Autorin selbst hat vor einem Jahr eine Friedensbaumpflanzung miterlebt – es ist ein grosses Fest mit Gebeten, Gesängen, Ausgelassenheit und Andacht. Matthias Walter: «In diesem Ritual verbinden sich die geistigen Gesetzmässigkeiten – wie innen so aussen, wie oben so unten. Wir ehren die sieben Richtungen: die vier Himmelsrichtungen, oben und unten – der Grosse Geist und das Herz von Mutter Erde, sowie die Richtung aus unserem eigenen Inneren heraus. Diese Richtungen einzuhalten, schafft einen heiligen Raum, der mit allem verbunden ist.»
«Ein so gepflanzter Baum wird in das Herz jedes Einzeln von euch gepflanzt mit der wahren Absicht, inneren Frieden zu pflanzen.»
Bei einer Friedensbaumpflanzung in den USA 2015 waren vier Mamos – Medizinmänner vom Stamm Aruaca aus Nordkolumbien anwesend. Einer dieser «Hüter der heiligen Erde», der Mamo Seyaringuma erklärte in dem Kurzfilm «Die Mamos und die Bäume des Friedens»: «Alles Leben steht miteinander in Verbindung. So wie ihr die Friedensbäume pflanzt,haben wir über Jahrtausende Bäume gepflanzt. Die Weissen sprechen sonst über Bäume und Tiere, aber aus ihren klimatisierten Büros heraus. Sie leisten keinen spirituellen Tribut an Mutter Erde. Erst wenn man vom Reden in die Tat übergeht, entfaltet sich die Spiritualität. Ein Baum lebt. Die Pflanzen haben eine Seele. Die Berge, die Sonne, die Luft, die Sterne haben einen Geist. Wenn wir uns dessen bewusst werden, kann der grosse Wandel eintreten, den die Menschheit braucht. Die Bereitschaft, einen Baum auf diese Weise zu pflanzen, bedeutet, Leben zu pflanzen. Das Leben vom kleinsten Bakterium bis zum grössten Lebewesen wird den Segen dieses Baumes erhalten. Ein so gepflanzter Baum wird in das Herz jedes Einzeln von euch gepflanzt mit der wahren Absicht, inneren Frieden zu pflanzen.»
Etwas europäischer könnte man sagen: Bäume gehören zum Wichtigsten, was die Erde braucht. Durch diese Art der Pflanzung schafft man eine tiefe Verbindung zum Baum und zueinander. Nach eigenen Angaben unterstützen viele Indigene, darunter 4300 indigene Grossmütter und zahlreiche Häuptlingen und Medizinfrauen und –männer die Friedensbaumaktion. Einige von ihnen kommen in Matthias Walters neuem Vorhaben zu Wort: Das Festival der «Sacred Infinite Fires» ist ein weltweites spirituelles Ritual, um die heiligen Feuer zu ehren. Gleichzeitig ist es ein Onlinekongress, wo Wissensträger vieler indigener Richtungen teilweise erstmals vor einer internationalen Öffentlichkeit zu Wort kommen.
Wie kam es dazu? «Meine Frau und ich waren eingeladen zu einem Festival in Guatemala, das durch ein heiliges Maya-Feuer initiiert wurde. Es war eine berührende Zeremonie, und auf einmal hörte ich das Feuer zu mir sprechen: ´Sorge dafür, dass auf der ganzen Erde die heiligen Feuer wieder brennen.` Ich wollte das zuerst nicht an mich ranlassen, denn mit den Friedensbäumen habe ich schon genug zu tun.» Matthias Walter bat um ein Zeichen. Drei Tage später sassen er und seine Frau nachts an einem See. «Wir genossen die Stimmung – und plötzlich bricht vor unseren Augen der Fuego-Vulkan aus. Fuego heisst Feuer. Für die Mayas ist das nichts Spektakuläres, für mich aber schon. Lava strömte den Berg hinunter. Und plötzlich war es, als wenn der Vulkan mir sagt: ´Wenn ihr Erdenhüter nicht mehr die Feuerenergie bereitstellt, die Mutter Erde gerade für ihre Neugeburt braucht, dann müssen wir Vulkane das tun.´ Ich erkannte, wie wichtig die Aufgabe ist, die heiligen Feuer zu hüten. Denn sie tragen dazu bei, dass der Wandel auf der Erde nicht so extrem verläuft, mit Vulkanausbrüchen, Tsunamis und Überschwemmungen, sondern in einer gewissen Balance. Nicht jede Geburt muss schmerzhaft sein. Das Festival der heiligen Feuer ist ein grosses Fest mit der Intention, uns zu reinigen und alles zu transformieren und zu verbrennen, was nicht mehr zur neuen Erde gehört. Damit wir als Menschheit all das loslassen können, was wir im Transformationsprozess nicht mehr haben möchten.»
Wir sind als Menschheit wie eine verpuppte Raupe. Viele ahnen schon, da könnte ein Schmetterling rauskommen. Aber wir müssen erst durch diesen Geburtskanal.
Als Neugeburt – als Moment, wo Mutter Erde jede Hilfe und alle heiligen Feuer brauchen kann – so bezeichnen viele Indigene die derzeitige Multikrise. Matthias Walter dazu: «Wir spüren die ernste Situation ja alle am eigenen Leib. Viele haben ihre existenzielle Grundlage verloren. Trennungen und Spaltungen gingen bis in die Familien hinein. Es wird Zeit, wieder zusammenzukommen, aber nicht einfach nur so, sondern mit einer Intention. Das heilige Feuer hilft uns, unser Herzensfeuer wieder zu entzünden, das jetzt gebraucht wird in der Welt. Die Erde braucht diese Leuchttürme, die andern Orientierung geben können. Wir sind als Menschheit wie eine verpuppte Raupe. Viele ahnen schon, da könnte ein Schmetterling rauskommen. Aber wir müssen erst durch diesen Geburtskanal.»
Bei der Geburt seiner beiden Söhne hat Matthias Walter es ähnlich erlebt. «Ich habe beim ersten Kind die ganze Zeit über Wasser gekocht. Hitze und Feuerenergie halfen bei der Geburt. Im Festival gibt es mehrere Berichte, dass ein Feuer den Menschen einst alles genommen hatte – aber dass sie letztlich erkannten, dass sich dadurch auch ganz neue Möglichkeiten zeigen. Sie waren jetzt frei, dem Weg ihres Herzens zu folgen. Und genau das braucht die Erde: Menschen, die sich für ihren Herzensweg entscheiden.»
Für den Onlinekongress hat Matthias Walter die Hüter verschiedener Traditionen interviewt: z.B. das Agnihotra-Feuer, eine grosse vedische Feuertradition. Menschen vom Fuego Sagrado, einem Stamm aus dem brasilianischen Regenwald, die wissen, wie man mit Feuer heilt. Hüterinnen der Flammen von Cirali in der heutigen Türkei, wo einst das olympische Feuer genommen wurde. Auch westliche Vertreter wie Sabine Lichtenfels, die Mitgründerin von Tamera, die mit Indigenen weltweit kooperiert und seit 20 Jahren jeden Montagmorgen ein Gebetsfeuer entzündet. Mathias Walter will uns mit dem Onlinekongress mit indigenen Perspektiven vertraut machen.
«Ein Medizinmann erzählte mir eine sehr berührende Geschichte: Wenn jemand bei ihnen im Stamm krank ist, dann kommt der ganze Stamm zusammen. Und bevor sie das heilige Feuer für die Person entzünden, richtet sich jeder aus dem Stamm mit seiner Intention darauf aus, dass dieser Stammesbruder oder -schwester wieder gesund wird. Erst dann wird das Feuer angezündet. Das ist das Ubuntu-Prinzip. Wenn es einem schlecht geht, kümmern sich alle darum, dass es ihm wieder besser geht. Da darf es auch menschheitlich wieder hingehen, denke ich: dass wir als Stamm der hoffentlich bald wieder vereinten Menschheitsfamilie zusammenkommen.»
Es ist wahrscheinlich das erste Mal, dass sich so viele Feuertraditionen miteinander verbinden und ihre heiligen Feuer an ihren Orten brennen lassen. Matthias Walter: «Heilige Feuer haben eine transformatorische Kraft, die Kraft der Wandlung. Jetzt können wir erfahren, was sich entfaltet, wenn so viele heilige Feuer mit dieser Haltung und dieser Intention gezündet werden. Ein heiliges Feuer verstärkt alles, was du in dir trägst. Und deswegen ist es gut, wenn das Herz einigermassen frei ist, wenn man ein Feuer hütet.»
Wie sieht das praktisch aus, wie kann man mitmachen? «Jeder kann sich in das Feld einklinken, das Grundticket ist kostenlos – wobei wir natürlich froh über jedes bezahlte Festival-Ticket sind, um die Kosten zu decken. Du kannst zu Hause eine Kerze anzünden als kleinste Form des Feuers oder mit anderen zusammenkommen und ein grosses Feuer entfachen. Das Festival ist einerseits online, soll aber auch ausserhalb des Computers Menschen zusammenbringen. Hier in Nicaragua entzünden wir in den Tagen vom 11. bis 18. November zweimal täglich ein Feuer. Die letzten Tage, vom 18. bis 22. November, geht es darum, diese frei gewordene Energie und Kraft zu integrieren und aufzunehmen.»
Wie sehen die indigenen Weisheitsträger und Erdhüter die Vision? Matthias Walter: «Die Erdenhüter suchen händeringend nach Menschen, die ein reines Herz haben, denen sie ihr Wissen weitergeben können, ohne dass es missbraucht wird. Bisher kamen die Weissen und haben ihnen alles Wertvolle weggenommen und was anderes daraus gemacht. Jetzt hängt die Zukunft der Menschheit davon ab, dass ihr Wissen von uns aufgenommen wird. Alle Medizinleute sind dankbar, dass ich das organisiere. Sie selbst könnten es nicht, haben meist auch keine Computer. Ich habe zwei Monate voller Respekt und Einsatz daran gearbeitet, dass der Feuerhüter der Aruaca sich von seinem heiligen Berg herunterbewegt und zu Leuten geht, die einen Computer haben.»
Ich glaube, die heiligen Feuer unterstützen uns darin, diesen Platz `freizukaufen´ - damit hier kein Hotelkomplex hinkommt, sondern ein Heilungsplatz für Mutter Erde.
Matthias Walter und seine Familie wollen in Nicaragua bleiben. «Wir haben einen wundervollen Platz entdeckt, einen Stammzellenplatz für Mutter Energie, wo tiefer Frieden spürbar ist. Wir wollen hier ein Friedensbaumzentrum aufbauen oder auch Heilungsbiotop nach dem Vorbild von Tamera. Ich glaube, die heiligen Feuer unterstützen uns darin, diesen Platz `freizukaufen´ - damit hier kein Hotelkomplex hinkommt, sondern ein Heilungsplatz für Mutter Erde – das ist das wichtigste, was derzeit gebraucht wird.»
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Christa Leila Dregger
Christa Dregger-Barthels (auch unter dem Namen Leila Dregger bekannt). Redaktionsmitglied des Zeitpunkt, Buchautorin, Journalistin und Aktivistin. Sie lebte fast 40 Jahren in Gemeinschaften, davon 18 Jahre in Tamera/Portugal - inzwischen wieder in Deutschland. Ihre Themengebiete sind Frieden, Gemeinschaft, Mann/Frau, Geist, Ökologie.
Weitere Projekte:
Terra Nova Plattform: www.terra-nova.earth
Terra Nova Begegnungsraum: www.terranova-begegnungsraum.de
Gerne empfehle ich Ihnen meine Podcast-Reihe TERRA NOVA:
terra-nova-podcast-1.podigee.io.
Darin bin ich im Gespräch mit Denkern, Philosophinnen, kreativen Geistern, Kulturschaffenden. Meine wichtigsten Fragen sind: Sind Menschheit und Erde noch heilbar? Welche Gedanken und Erfahrungen helfen dabei?
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