Starke Gipfelkontraste

Die G7 bricht unter der Last des alten Paradigmas zusammen während die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit nicht nur Harmonie zeigt, sondern auch lebt

Shanghai und Charlevoix sind nur ein Viertel des Erdumfangs voneinander entfernt, dennoch scheinen heute mehr denn je Welten dazwischen zu liegen. Während die Teilnehmer des Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO, SOZ) sich auf eine Perspektive der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil einigten, endete das G7-Treffen in Quebec mit dem größten Fiasko in der Geschichte der Gruppe.

Gleich als erstes erwischte Präsident Trump die anderen auf dem falschen Fuß, als er vorschlug, die G7 durch die Wiederaufnahme Rußlands als unverzichtbarem Verhandlungspartner wieder zur G8 zu machen. Der neue italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte unterstützte dies umgehend, aber die anderen Staatsführer (und das gesamte transatlantische Establishment) waren empört.

Zudem weigerte Trump sich, ein persönlichesTreffen mit Premierministerin Theresa May zu vereinbaren, woraufhin die Briten «das Ende der Sonderbeziehung» beklagten, und zu einem vereinbarten Treffen mit dem französischen Präsidenten Macron kam er so spät, daß es ausfiel. Aber mit Conte traf er sich.

Trump nahm auch demonstrativ nicht an der Sitzung über den Klimawandel teil und reiste schon vor dem offiziellen Ende des Gipfels nach Singapur zu seinem geplanten Treffen mit Nordkoreas Staatschef KIM ab, damit signalisierend, daß ihm dieses viel wichtiger ist.

Und nachdem sich dann die Teilnehmer vor Trumps Abreise mit Mühe und Not auf eine Abschlußerklärung geeinigt hatten, schrieb er plötzlich vom Flugzeug aus auf Twitter, daß die US-Vertreter diese Erklärung nicht unterschreiben werden, nachdem Kanadas Premierminister Justin Trudeau sich am Ende des Gipfels vor der Presse sehr USA-kritisch geäußert hatte. Trump verwehrte sich dagegen, daß Trudeau die neuen US- Zölle «beleidigend» nannte und sich brüstete, Kanada ließe sich «nicht herumschubsen». Trudeau sei «unaufrichtig», schrieb Trump, so verlange Kanada 270% Einfuhrzoll auf US-Milchprodukte.

Aber jenseits der ganzen Theatralik ist der Zusammenbruch des G7-Treffens nur ein Beweis mehr dafür, daß diese Institution sinnlos geworden ist. Die Mitglieder sind schon lange nicht mehr die sieben größten Volkswirtschaften der Welt wie vor 40 Jahren. Und Trump hat völlig recht, wenn er die Wiedereinbindung Rußlands fordert. («Ich denke, es wäre ein Gewinn, wenn Rußland wieder dabei wäre», sagte er - gut für die Welt, gut für Rußland, gut für Amerika.) Präsident Putin antwortete aus dem chinesischen Qingdao: «Wir sind nicht aus eigener Entscheidung gegangen, sondern an einem gewissen Punkt weigerten sich unsere Kollegen aus den bekannten Gründen, nach Rußland zu kommen. Bitte, wir würden uns freuen, alle bei uns in Moskau zu sehen.» Er erinnerte auch daran, daß die kombinierte Kaufkraft Rußlands und der von China angeführten SOZ größer als die der G7 ist.

Die Mehrheit der europäischen Regierungen und der Trump-feindlichen «Elite» in den USA will diese neue Realität offenbar nicht wahrhaben. Jetzt spinnen sie illusorische Pläne für eine unipolare Welt, in der China und Rußland isoliert und von feindlichen Mächten eingekreist sind. Aber das wird nicht geschehen.


Xi Jinping: «Geist des Konfuzius» soll SCO-Gipfel leiten


Der jährliche Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO, SOZ) vom 9.-10.6. in Qingdao in der chinesischen Provinz Shangdong hat dagegen ein neues Kapitel in der Geschichte des regionalen Blocks eröffnet, wie dessen Generalsekretär Raschid Alimow sagte. Letztes Jahr wurden Indien und Pakistan als Vollmitglieder aufgenommen, neben China, Kasachstan, Kirgistan, Rußland, Tadschikistan und Usbekistan; Afghanistan, Weißrußland, der Iran und die Mongolei haben Beobachterstatus.

Besonders auffallend war, daß Indiens Premierminister Modi und Pakistans Präsident Hussaini an einem Tisch saßen. Wie Präsident Putin sagte, ist die SCO das beste Forum, um über die Konflikte, die immer noch beide Länder voneinander trennen, zu diskutieren und sie zu lösen. Am Rande des Gipfels hatte Xi bilaterale Treffen mit Modi sowie mit Hussaini. Auch der iranische Präsident Ruhani war anwesend, sein Land möchte möglichst bald Vollmitglied werden.

Schon jetzt repräsentiert die Organisation, die sich vor allem Sicherheits- und Wirtschaftsfragen widmet, fast 40 Prozent der Weltbevölkerung und etwa 20 Prozent der Weltwirtschaft, mit steigender Tendenz. Xi kündigte an, daß China für Investitionen in die Entwicklung der Mitgliedstaaten einen neuen Fonds über 4,8 Mrd.$ einrichten wird.

In seiner Rede zum Staatsbankett am 9.6. bezog sich Xi auf Konfuzius, dessen tiefgreifende Konzepte notwendig seien, um der nächsten Stufe der Arbeit der SCO die richtige Orientierung zu geben. Shangdong «ist die Heimatprovinz des Konfuzius und die Geburtsstätte des Konfuzianismus. Als integraler Bestandteil der chinesischen Zivilisation ist der Konfuzianismus überzeugt, daß ,eine gerechte Sache für das Allgemeinwohl verfolgt werden sollte’, und er tritt ein für Harmonie, Einheit und eine Gemeinschaft aller Nationen.
Indem er Einheit und Harmonie betont, hat er vieles mit dem Geist von Shanghai gemeinsam, nämlich gegenseitiges Vertrauen, gegenseitigen Nutzen, Gleichheit, Konsultation, Respektieren unterschiedlicher Kulturen und Streben nach gemeinsamer Entwicklung. Seine Konzentration auf die Suche nach Gemeinsamkeiten, wobei man Differenzen beiseite läßt und gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit anstrebt, hat international breite Zustimmung und Unterstützung gewonnen

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Caroline Hartmann redigiert den wöchentlichen Newsletter des Schiller-Instituts e.V., aus dem dieser Text entnommen ist. Das Schiller-Institut mit Sitz in Laatzen bei Hannover wurde 1984 gegründet und wendet sich «gegen die trotzigen Anmassungen der Fürstengewalt» (Schiller).

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