Task Force: Warum sagt Berset die Unwahrheit?

Versucht er, die heikle Frage um die Rechenschaftspflicht unter den Teppich zu kehren?

Bundesrat Alain Berset bei seinem Votum vom 24. Februar zur Task Force. (Screenshot)

«Wir verfügen nicht über die Kompetenz, zu sagen, wie die Task Force arbeiten muss.» Dies antwortete Bundesrat Berset auf die Frage nach der Rechenschaftspflicht der «Swiss National Covid-19 Science Task Force» anlässlich der Medienkonferenz des Bundesrat vom 24. Februar.

Dies ist natürlich eine Unwahrheit, vielleicht sogar gelogen. Denn die Task Force, ein informeller Zusammenschluss von rund 70 Professorinnen und Professoren arbeitet nach einem Mandat. Dieses Mandat – vom Bundesamt für Gesundheit BAG übernommen – haben die vier Gründerprofessoren zwar selber geschrieben. Aber darin heisst es klipp und klar:
«Die Leitung der SN-STF [Task Force] informiert in einer mit dem Auftraggeber vereinbarten Kadenz und Form den Auftraggeber (BAG) über den Stand der Arbeiten.»

Berset weiter:
«Es ist keine Organisation des Bundes. … Es ist wirklich die Vereinigung von unabhängigen Forscherinnen und Forschern, Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler aus Schweizer Universitäten, die zusammenarbeiten und die einfach, wenn wir Fragen haben oder wenn sie etwas sehen, es einfach melden. … Ich glaube, das ist für uns auch kein grosses Problem.»

Für Berset ist es offenbar auch kein Problem, wenn die Task Force ihr Mandat verletzt, z.B. wo es heisst: «Die Expertengruppen des Beratungsgremiums kommunizieren nicht selbständig nach aussen. … Falls Empfehlungen für Massnahmen der SN-STF einen Einfluss auf anstehende Entscheide des BAG, des EDI oder des Bundesrates haben können, werden diese Empfehlungen der SN-STF erst nach den entsprechenden Beschlüssen der Auftraggeber publiziert.»

Aber genau das geschieht praktisch andauernd, wie die beiden Journalistinnen Catherine Riva und Serena Tinari in einer detaillierten Recherche über die Task Force festhalten:
«Meistens geht es darum, ein bedrohliches Bild der Situation zu zeichnen, die von den Behörden verordneten Massnahmen zu kritisieren und eine Verschärfung zu fordern. Und selbst wenn der Bundesrat zunächst beschliesst, ihren Empfehlungen nicht zu folgen, bekommt die Task Force am Ende fast immer, was sie empfiehlt: zum Beispiel die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln oder die Schliessung von Restaurants, Bars und Nachtclubs.»

Es ist dies die erste Stellungnahme von Alain Berset zur Task Force seit Veröffentlichung der Aufsehen erregenden Recherche vom vergangenen Freitag. Wie ist sie zu verstehen?

Berset hat offenbar «kein grosses Problem» damit, dass die Task Force keine Protokolle über ihre Entscheidungen führt und deshalb auch keine Dokumente von und über die Verursacher der grössten volkswirtschaftlichen Schäden seit Jahrzehnten vorliegen. Wie will man dem Schaden jemals auf den Grund gehen? Es macht ihm scheinbar auch nichts aus, dass die Task Force gegen ihr Mandat verstösst.

Könnte es sein, dass dieses nicht so grosse Problem sogar ein Vorteil für ihn ist? Tatsächlich erhöhten die Task Force und ihre Mitglieder mit ihrer ständigen Medienpräsenz den Druck auf den Bundesrat nach schärferen Massnahmen und sorgten für eine knappe Mehrheit für Bersets Kurs. Task Force Präsident Ackermann kann sogar verkünden: «Der Bundesrat hört jetzt auf die Taskforce». Es ist offenbar klar, wer hier das Sagen hat.

Berset, durchaus ein schlauer Stratege, liess sich zum eigenen Vorteil kritisieren, damit die von ihm durchgesetzten Massnahmen als goldener Mittelweg erschienen. Natürlich darf man als Magistrat nicht als Taschenspieler erscheinen, deshalb stellt er die Task Force als unkontrollierbare Gruppe von unabhängigen Wissenschaftlern dar, die man fragen kann, wenn etwas unklar ist oder die sich «einfach melden», wenn sie etwas sehen. Natürlich melden sie sich, sie haben ja seine Handynummer.

Jetzt zeigt sich, dass die nach aussen lockere, nach innen enge Zusammenarbeit doch nicht ganz unproblematisch ist. Was Catherine Riva und Serena Tinari ausgegraben haben, wiegt schwer. Es ist unmöglich, dass Berset von den Verstössen der Task Force gegen ihr Mandat nichts gewusst haben kann. Er hat ja von ihnen profitiert.

Die Frage ist: Was tut er jetzt? Die Sache als Bagatelle unter den Teppich kehren – unabhängige Wissenschaftler, die sich einfach mal melden? Oder setzt er sich bereits ab – «wir verfügen über keine Kompetenz», der Task Force «zu sagen, wie sie arbeiten muss» Auf beiden Wegen müsste Berset eigentlich ins Stolpern kommen.

Aber er könnte in der rechtschaffenen Schweiz mit der stabilsten Regierung der Erde auch durchkommen. Immerhin heisst es in Art. 5 der Bundesverfassung: «Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.» Daran glauben wir immer noch. Vielleicht ist es an der Zeit, sich dagegen impfen zu lassen.

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Christoph Pfluger

Submitted by admin on Do, 07/13/2017 - 08:33

Christoph Pfluger ist seit 1992 der Herausgeber des Zeitpunkt. "Als Herausgeber einer Zeitschrift, deren Abobeitrag von den Leserinnen und Lesern frei bestimmt wird, erfahre ich täglich die Kraft der Selbstbestimmung. Und als Journalist, der visionären Projekten und mutigen Menschen nachspürt weiss ich: Es gibt viel mehr positive Kräfte im Land als uns die Massenmedien glauben lassen".

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