Das ganze vergangene Wochenende war ich in meiner Gemeinschaft sehr intensiv mit «Gemeinschaftsbildung» beschäftigt. Am Samstagnachmittag und Sonntag haben wir viele Stunden mit den Kommunikationsempfehlungen von Dr. M. Scott Peck gearbeitet. Sehr gut getan hat dabei die Unterstützung einer sehr einfühlsamen Begleiterin, die uns unserem Gemeinschaftsgefühl sehr viel näher bringen konnte.
Gemeinschaftsgefühl ist,
«mit den Augen eines anderen zu sehen,
mit den Ohren eines anderen zu hören,
mit dem Herzen eines anderen zu fühlen.»
Alfred Adler, 1870 - 1937
Nach Scott Peck ist eine Gemeinschaft «eine Gruppe von zwei oder mehr Menschen, die ungeachtet ihrer unterschiedlichen Herkunft in der Lage sind, ihre Unterschiede zu akzeptieren und zu überwinden, so dass sie offen und effektiv kommunizieren können und dabei ein Gefühl von ungewöhnlicher Sicherheit und ausserordentlichem Respekt füreinander haben.»
Wir, 20 Menschen, wohnen jetzt seit eineinhalb Jahren zusammen und haben ausser unserem regelmässigen Plenum jedes Vierteljahr ein ganzes Wochenende Gemeinschaftsbildung. Trotzdem haben wir immer noch das Gefühl, mit dem Zusammen-LEBEN sind wir noch am Anfang. – Nach allem, was wir von anderen Gemeinschaften hören, ist das aber ganz «normal». Für das Werden einer echten Gemeinschaft braucht es eben ZEIT!
Scott Peck betont, dass sich die Entwicklung einer Gemeinschaft, und zwar meint er alle Arten von Gemeinschaften und sogar Familien, in vier Phasen vollzieht:
1. Pseudo-Gemeinschaft: Kennenlernen, freundlich und höflicher Umgang, oberflächliche Gespräche, das Vermeiden von Meinungsverschiedenheiten und schwierigen Themen, Ignorieren von Unterschieden, «Friede, Freude, Eierkuchen!»
Fokus der Gruppe: «Wir haben alle dasselbe Ziel, wir sind alle gleich und haben uns lieb.»
2. Chaos-Phase: Die Unterschiede kommen ans Licht, kein wirkliches Zuhören sondern gegenseitiges Unterbrechen, das Bedürfnis und der Versuch sich gegenseitig zu belehren, zu korrigieren, zu kontrollieren oder auch zu heilen, unrealistische Erwartungen, Urteile und Konflikte etc.
Fokus der Gruppe: «ICH weiss, wie es geht!»
3. Leere: Loslassen auf allen Ebenen, insbes. Erwartungen und Blockaden, völlige Unvoreingenommenheit sich selbst und anderen gegenüber, sich wirklich authentisch und ehrlich mitteilen, sich verletzlich zeigen, Risiken eingehen, Hindernisse (Vorurteile, Ideologien, Angst u.a.) überwinden.
Fokus der Gruppe: die Vorstellung loslassen, immer eine Antwort zu haben; zulassen, nicht zu wissen, wie es geht.
4. Gemeinschaft: Mit mir selbst in Frieden sein, Verbundenheit mit den Anderen, Raum für Unterschiede, Konflikte gemeinschaftlich überwinden, ungewöhnliche Sicherheit und ausserordentlicher Respekt, Raum u. Tempo sind ausgeglichen u. harmonisch, Verspieltheit, Schmerz u. Freude, dynamische Führung, spürbarer Sinn für den Geist der Gemeinschaft.
Fokus der Gruppe: Präsenz und Verbindung, Zuhören, Raum für Einzigartigkeit!
Wichtig dabei ist zu wissen, dass diese Phasen nicht nur einmal durchlaufen werden. Sondern sie werden immer wieder auftreten, auch in unterschiedlicher Reihenfolge und Länge. Genau das haben wir an diesem Wochenende innerhalb von zwei Tagen wieder erfahren und durchgestanden: von einem Pseudo- zu echtem Gemeinschaftsgefühl, das sich mit gemeinsamem Essen und ein bisschen feiern gut ausleben liess. Und was uns allen klar wurde und was wir alle wahrhaftig teilen, ist der Wunsch zusammen zu wachsen und eine echte Lebensgemeinschaft zu werden — darum bleiben wir dran!
Auch hier ist wieder ein gutes Beispiel dafür zu sehen, dass wir mit unseren Gedanken unsere Welt, in diesem Fall unsere Gemeinschaft kreieren: Zuerst ist der Wunsch, der Gedanke, der in die Tat umgesetzt wird! Und der Anfang dafür ist immer wieder, den Frieden in dir selbst zu finden, um daraus die Kraft zu schöpfen, in die Tat zu gehen.
Ein guter Weg, den Frieden in dir selbst zu finden, ist, so oft wie möglich in die Natur zu gehen, tief die frische Luft einzuatmen, die Sonnenstrahlen einzufangen, die Gedanken zur Ruhe kommen und den Alltag hinter dir zu lassen. Auch die Montagabend-Meditation ist eine gute Gelegenheit: Nimm Dir heute Abend um 21 Uhr wieder die Zeit für ein paar tiefe Atemzüge, die dich zur Ruhe und zu dir selbst kommen lassen. Lass den Frieden in dir wachsen und in das Energiefeld der Liebe und des Friedens strömen.
Eva-Maria Gent
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