«Vorsätzliche Körperverletzung» durch Smartphones und «Tabletwahn» muss ein Ende haben!

Die französische Regierung will Smartphones bis 12 und Social Media bis 17 Jahren verbieten.

«Kinder werden auf diesem Markt zur Ware». Foto: Pexels Kampus

Kinder sollen ihr erstes Smartphone nicht vor dem Teenager-Alter bekommen, so eine Studie für die französische Regierung. Soziale Netzwerke sollten sogar erst ab 18 Jahren zugänglich sein. Ein europäisches Land nach dem anderen beendet die Schädigung der Kinder durch die Frühdigitalisierung. Deutschland will sie dagegen forcieren. 

Die französische Regierung hat die Studie «Enfant et écrans» (Kinder und Bildschirme) in Auftrag gegeben. Sie sollte die Frage beantworten, ab wann Kinder ein eigenes Smartphone benutzen dürfen. Die Studie wurde von Wissenschaftlern und Experten unter der Leitung der Neurologin Servane Mouton und Amine Benyamina, Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Suchtkrankheiten am Paul-Brousse-Krankenhaus durchgeführt. 100 Experten wurde angehört.

Die Ergebnisse: Die Autoren der Untersuchung plädieren dafür, Kinder bis zu einem Alter von 12 Jahren gänzlich ohne IPhone und Co. zu erziehen. Die Nutzung von Social Media sollte sogar erst ab 18 Jahren gestattet sein. Aus wissenschaftlicher Sicht sollten Kinder unter drei Jahren demnach gar nicht mit Bildschirmen in Berührung kommen – auch nicht mit dem Fernseher. Zudem sollte kein Kind unter elf Jahren ein Telefon besitzen. Im Alter zwischen elf und 13 Jahren empfehlen die Experten ein Handy ohne Internetzugang. Grundsätzlich fordern sie, ein Mindestalter für Smartphones mit Internetanschluss auf 13 Jahre festzulegen. 

Verbot digitaler Medien für Kindergärten

Auch für Erziehungseinrichtungen schlagen die Studienautoren vor: Für Kinder bis zu sechs Jahren sollten Bildschirme aller Art nur «stark eingeschränkt» und sehr selten für Bildungsinhalte genutzt werden und nur, wenn sie in Begleitung eines Erwachsenen sind. In Kindergärten sollten Bildschirme vollständig verboten werden. Tablets oder andere digitale Geräte sollten in Grundschulen nicht genutzt werden – mit Ausnahme von Kindern mit Behinderung:

«Vor dem Alter von sechs Jahren braucht kein Kind einen Bildschirm, um sich zu entwickeln», erklärt die Neurobiologin Servan Mouton. «In der Tat können Bildschirme die Entwicklung in diesem Alter behindern».

    Im Summary des Gutachtens heisst es:

    «Es besteht ein klarer wissenschaftlicher Konsens über die schädlichen Auswirkungen von Bildschirmen in mehreren Bereichen.»

      Angeführt werden psychosomatische Auswirkungen wie Depressionen, Angstzustände, Bildschirmsucht, Bindungsstörungen (Technoference), Auswirkungen auf den Schlaf, Bewegungsmangel, Fettleibigkeit und die damit verbundenen chronischen Krankheiten, Sehprobleme (Entwicklung von Kurzsichtigkeit), also die ganze Palette an negativen Folgen, die auch Manfred Spitzer in seiner Übersichtsarbeit aufführt. 

      Ausdrücklich wird auch auf potentielle Risiken durch die Exposition durch elektromagnetische Felder hingewiesen, wo es noch ungeklärte Fragen gebe. Daraus werden 29 Empfehlungen entwickelt, u.a. die Verbote, aber auch pädagogische Massnahmen zu einer Erziehung zur Medienmündigkeit, die dem Ampelkonzept von Prof. Paula Bleckmannentsprechen. 

      Im Stern-Interview sagt der Autor des Gutachtens Amine Benyamina:

      «Die Technik ist und bleibt ein fantastisches Werkzeug, aber sie muss in den Diensten der Menschen stehen und darf diese nicht auf die Bedienung eines Produkts reduzieren.» Bildschirme hätten negative Auswirkungen auf Kinder «in Bezug auf ihr Sehvermögen, ihren Stoffwechsel, ihre Intelligenz, Konzentration und kognitiven Prozesse». 

        Die Abhängigkeit von Bildschirmen sei nicht auf das Produkt selbst, sondern auf den Inhalt zurückzuführen: «Algorithmen, die das Belohnungssystem immer wieder aktivieren und stimulieren und so aufgebaut sind, dass man das Interesse an den Inhalten nicht verliert, haben eine Art süchtig machende Dynamik». Deshalb müsse die gesamte Gesellschaft wachsam bleiben. 

        Schutz vor dem Einfluss der Tech-Giganten 

        Der Stern schreibt: «Ein wichtiger Grund für die Einschätzung sei, dass Kinder vor der profitorientierten Strategie der Tech-Konzerne geschützt werden müssten. Kinder würden auf diesem Markt zur «Ware», so die Autoren. Die Konzerne zielten darauf ab, «die Aufmerksamkeit der Kinder zu fesseln und alle Formen der kognitiven Verzerrung zu nutzen, um sie vor ihren Bildschirmen einzusperren, sie zu kontrollieren, sie wieder zu beschäftigen und sie zu monetarisieren», heisst es in der Studie. «Wir wollen, dass [die Industrie] weiss, dass wir gesehen haben, was sie tun, und wir werden sie nicht damit durchkommen lassen».

        Deutschland: Absturz immer tiefer ins Digi-Tal

        In Frankreich wird nun das konsequent verwirklicht, was in Deutschland 40 Experten in ihrem Appell forderten, ebenso wie die Leitlinien zum Bildschirmmediengebrauch. Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages jedoch beschloss auf der 35. Sitzung am 24. April 2024  (Videoaufzeichnung der Sitzung), der «Umgang mit digitalen Angeboten sollte früh erlernt werden» und spricht sich für eine Frühdigitalisierung aus mit dem Scheinargument, schon in der KiTa könnten und müssten Kinder einen reflektierten, kritischen Umgang lernen. Warum dies ein Türöffner- und Legitimationsargument für den Tablet-Absatz der IT-Konzerne ist, hat Peter Hensinger in seinem Artikel zur Leitlinie Bildschirmmediennachgewiesen.

        Während die europäischen Nachbarn Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark die Frühdigitalisierung rückgängig machen (siehe dazu unsere Dokumentation zu den Folgen der digitalen Bildung), betätigen sich die deutschen Ampel-Parteien als Türöffner für die Tech-Konzerne. Deren Lobbyismus ist ein Krebsgeschwür in der Politik. Den Einfluss der Tech-Konzerne in Berlin hat diagnose:funk in einem Brennpunkt detailliert analysiert (s.u.).

        Auch die Lehrerverbände sind aufgefordert, sich endlich zu dieser Entwicklung, dem französischen Gutachten und dem Gutachten des Karolinska-Institutes zu äussern und nicht weiter kritiklos auf der Digitalisierungswelle zu surfen.

        Der französische Präsident Macron dazu: «Die richtige Nutzung von Bildschirmen für unsere Kinder zu Hause und im Unterricht festlegen: Das ist das Ziel des Berichts, der mir von der Expertenkommission über die Auswirkungen der Exposition von Jugendlichen gegenüber Bildschirmen, die ich ins Leben gerufen habe, vorgelegt wurde. Ich habe der Regierung einen Monat Zeit gegeben, um ihre Empfehlungen zu prüfen und sie in Massnahmen umzusetzen. Vielen Dank an alle Experten, die zu dieser dichten, reichhaltigen und relevanten Arbeit beigetragen haben.»


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