... das geht mir zu leicht in Richtung Nordkorea.
Erinnern Sie sich an George Orwells 1984? Der allsehende Blick des „Big Brother“ galt lange als dystopische Fantasie – mit WiFi-Sensing wird sie Realität. Diese scheinbar harmlose Innovation, die mit einem handelsüblichen WLAN-Router Bewegungen durch Wände erfassen kann, ist ein perfektes Überwachungsinstrument. Kein Kameraauge, kein Mikrofon – nur digitale Funkwellen, die Personen in der Wohnung jederzeit orten, analysieren und durchleuchten können. Willkommen in der drahtlosen Überwachungsgesellschaft. In autoritären Regimen könnte das flächendeckend zum Einsatz kommen — unbemerkt und ohne großen technischen Aufwand.
In der Kommentarspalte der Telekom-Werbung wird gefragt: «Wer garantiert die verantwortungsvolle Nutzung von WiFi-Sensing, und dass es nicht missbraucht wird? Denn Gesundheitsdaten und Standort sind das teuerste Gut des Menschen... das geht mir zu leicht in Richtung Nordkorea.»
Was ist WiFi-Sensing – und warum ist es so beunruhigend?
WiFi-Sensing nutzt Störungen im WLAN-Signal, um Bewegungen im Raum zu erkennen. Selbst kleinste Veränderungen – wie das Atmen einer Person – können von intelligenten Algorithmen erfasst werden. Alles, was dafür nötig ist, ist der WLAN-Router. Kein zusätzlicher Sensor, keine Kamera. Die Überwachung erfolgt unsichtbar – und damit besonders gefährlich.
Homeoffice-in Zukunft überwacht?!
Stellen Sie sich vor: Arbeitgeber überwachen heimlich, ob Sie im Homeoffice wirklich arbeiten. Vermieter kontrollieren Besucherzahlen. Geheimdienste analysieren Bewegungsprofile – ohne Kamera, ohne Zutritt zur Wohnung. WiFi-Sensing ermöglicht genau das. Und da es auf bestehenden Infrastrukturen basiert, ist es schwer zu entdecken, schwer zu beweisen.
Stille Kontrolle im Smart Home
Telekom wirbt mit Sicherheit, Komfort und Gesundheit: Sturzerkennung bei Senioren, automatische Lichtsteuerung, kontaktlose Atemüberwachung. Doch diese Anwendungen haben einen Preis: völlige Transparenz des Verhaltens – ohne dass die Überwachten es merken. Die Grenze zum digitalen Eindringen ist längst überschritten.
Intimste Daten werden erfasst
WiFi-Sensing kann tatsächlich Gesundheitsdaten erfassen. Die Technologie kann über Störungen im Funksignal körperliche Aktivitäten, Vitalfunktionen und sogar Atem- oder Herzfrequenz erkennen, ohne dass die Person Sensoren tragen muss:
Atmung und Atemfrequenz: WiFi-Signale sind empfindlich genug, um die winzigen Bewegungen des Brustkorbs beim Atmen zu registrieren. Forscher haben gezeigt, dass damit z. B. Atemmuster erkannt werden können – etwa zur Diagnose von Schlafapnoe oder zur Überwachung bei Covid-Patienten.
Herzschlag-Messung: Feinere Signalanalysen können sogar den Herzschlag feststellen – durch Erkennung der winzigen rhythmischen Bewegungen, die das Herz im Brustkorb auslöst. Zwar nicht so genau wie ein EKG, aber als kontinuierliche Überwachung durchaus brauchbar.
Schlaf- und Verhaltensanalyse: WiFi-Sensing kann erkennen, ob jemand schläft, wach ist, sich unruhig bewegt oder ruhig liegt. Das wird z. B. in der Pflege oder bei Smart-Home-Schlaftracking beworben – bedeutet aber auch, dass detaillierte Rückschlüsse auf Tagesabläufe und Gewohnheiten möglich sind.
Sturzerkennung und Gangmuster: Die Technologie kann Gangverhalten analysieren, Gleichgewichtsstörungen erkennen oder Stürze in Echtzeit melden – medizinisch nützlich, aber potenziell auch geeignet zur Erkennung von Krankheiten wie Parkinson oder Demenz, wenn systematisch ausgewertet. An der Spracherkennung wird geforscht.
Rechtliche Grauzone, ethisch am Abgrund
Der Gesetzgeber ist bisher noch blind gegenüber dieser Entwicklung. Es gibt kaum Regelungen, die WiFi-Sensing explizit betreffen. Datenschutz? Ein dehnbarer Begriff, wenn die Technik keine Daten aufnimmt, sondern nur „Funkwellen interpretiert“. Doch gerade diese Lücke macht sie so perfide: Totalüberwachung ohne sichtbare Spuren.
Fazit: Unsichtbare Kontrolle braucht sichtbaren Widerstand
WiFi-Sensing klingt wie ein smarter Fortschritt – doch es droht zum Werkzeug eines digitalen Autoritarismus zu werden. Höchste Zeit, dieser Entwicklung klare Grenzen zu setzen. Denn Big Brother braucht heute keine Kamera mehr – ein Router reicht ihm völlig. Diagnose:funk wird sich an die Bundesnetzagentur und Abgeordnete des Deutschen Bundestages mit der Forderung wenden, dass diese Technologie auf ihre Vereinbarkeit mit dem Datenschutz überprüft wird.
Ein Eingreifen ist möglich: Im Jahr 2017 hat die Bundesnetzagentur die Puppe “My Friend Cayla” von Genesis Toys in Deutschland verboten. Diese Puppe sprach mit dem Kind und übertrug den Dialog. Die Bundesnetzagentur stufte die Puppe aufgrund unbemerkter Audioübertragung als verdecktes Abhörgerät ein. Bürger wurden aufgefordert, die Puppen zu zerstören.