Zwischen Krieg, Frieden und politischer Verantwortung

Ein Offener Brief an Frau Dr. Strack-Zimmermann – anlässlich der Europawahl 2024

Marie-Agnes Strack-Zimmermann
33 Buchstaben Anrede: Frau Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Foto: Wikipedia

Die Europawahl 2024, die zwischen dem 6. und dem 9. Juni stattfindet, ist die zehnte Direktwahl zum Europäischen Parlament. Gewählt werden in den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union 720 Abgeordnete und damit 15 mehr als 2019, Deutschland hat 96 Sitze im Europäischen Parlament.

In den neun Wahlen zuvor stand die Europawahl gefühlt nur an untergeordneter Stelle für die europäische Bevölkerung. 2019 wurde die Teilnehmerzahl mit «über 50%» (50,7) bejubelt. Sie war damit erstmals seit 1979 gestiegen. (Quelle: Europäisches Parlament)

In diesem Jahr erhält die Europawahl viel mehr mediale Beachtung, denn es steht viel auf dem Spiel.

«Krieg oder Frieden» ist ein Thema, das europäische Bürger umtreibt. «Weiter so» ein anderes, denn die Bevölkerungen der europäischen Staaten tragen immer schwerer an den Folgen europäischer Entscheidungen, was zu einer spürbaren Politisierung führt. Zudem birgt es die Möglichkeit, dass sich im Wahlverhalten das beliebte «Weiter so» nicht durchsetzt.

Die Mittel zur Stimmengewinnung sind in diesem Jahr härter und lauter geworden. Unabhängig von der Berichterstattung rufen z.B. in Deutschland mehr als 30 Konzerne ihre Mitarbeiter dazu auf, «das Richtige» zu wählen, und in Belgien, Österreich und Deutschland wurde das Wahlalter herabgesetzt auf 16 – in der Hoffnung, dass dadurch mehr als 3 Millionen Menschen nicht «das Falsche» wählen.

Einige Politiker werden entsprechend ihrer medialen Omnipräsenz als besonders laut empfunden. Für mich allerhöchste Zeit für einen Offenen Brief an die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die es jetzt ins Europäische Parlament zieht:

 

Sehr geehrte Frau Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann,
Wenn die Menge der Buchstaben allein für Ihre Anrede schon 33 Buchstaben erfordert, könnte das ein Indikator für Wichtigkeit sein. Gut, Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat noch einen Buchstaben mehr, aber sonst reicht Ihnen in dieser Hinsicht kaum jemand das Wasser. Und wichtig sind Sie, das steht ausser Zweifel: Die Presse liebt Sie, die Talkshow-Moderatoren verehren Sie, Ihr Wort hat Gewicht in Zeiten wie diesen.
Das beunruhigt mich und deshalb schreibe ich Sie heute an.

Momentan beschäftige ich mich sehr mit der Europawahl, die 2024, in Zeiten noch immer tobender Kriege und einer sich verschärfenden Klimakrise ja einen besonderen Stellenwert hat. Bisher waren Europawahlen für mich relativ einfach – ich habe die Partei, und damit ihre Spitzenkandidaten, gewählt, die mir politisch am nächsten war.

So haben es wohl viele europäische Wahlberechtigte bisher gesehen, aber:
Das ist in diesem Jahr recht schwierig, denn für den Politlaien, der nur alle 4-5 Jahre mal zur Wahlurne gebeten wird, um an der Demokratie seines Landes oder seines Kontinents teilzuhaben, erschliessen sich immer weniger Facetten der einzelnen Parteien – zu einigen Fragen sind sich parteiübergreifend fast alle einig.

Nehmen wir den Krieg in der Ukraine. Hier sollte es, wie auch in allen anderen Kriegen, um «Krieg und Frieden» gehen, eine elementare Frage, die in diesem Jahr auch in anderen europäischen Staaten von der Wählerschaft ganz anders beantwortet wird als von ihren Volksvertretern. Aber öffentlich geht es um «Sieg oder Niederlage» und damit verbunden um eine wahnwitzige Verlängerung einer kriegerischen Auseinandersetzung mit immer lauteren Stimmen, die immer mehr und immer schwerere Waffen fordern – da sind Sie die Expertin!

Deswegen muss ich Sie leider nicht fragen, ob Sie meine Interessen im Europaparlament vertreten werden – das mediale Getöse um Sie hat mir diese Frage bereits beantwortet. Und deswegen können Sie mir auch nicht behilflich sein bei der wichtigsten Entscheidung in diesem Jahr: Wen wähle ich?

Meine Vorstellungen sind in erster Linie Frieden – der nur durch diplomatische Verhandlungen erreicht werden kann. Ich fürchte, da renne ich bei Ihnen keine offenen Türen ein. Aber eines muss ich sagen: Es ist sehr geschickt von Ihnen, sich für das Europaparlament aufstellen zu lassen. Allein schon deshalb, weil Ihnen als FDP-Politikerin Ihre Bühne erhalten bleibt. Da wäre ich mir nicht so sicher, dass das ab 2025 auch im Deutschen Bundestag noch so wäre, dort hätten Sie allenfalls ein Besuchs- ohne Mitspracherecht.

Sollten Sie bis zur Europawahl Ihre Einstellung zu «Krieg und Frieden» noch modifizieren, geben Sie mir bitte Bescheid, dann lasse ich die FDP wieder mit in meine Entscheidungsfindung einfliessen.

Mit freundlichen Grüssen
Ute Stürmer


Beachten Sie vom Zeitpunkt auch:

 

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