Die Fischgrippe zum Beispiel

Angesichts der Panik um die Schweinegrippe, die vor elf Jahren die Welt ergriff, erfand unser Redaktionsmitglied Geni Hackmann die Fischgrippe. Erstaunlich, was er damals schrieb.

(Illustration: © ron&joe)

Im Blog von Wesley Jackson, Assistent am Institut für Marine Biology der Universität Adelaide, erschien vor kurzem ein interessanter Hinweis: Vereinzelte Exemplare des Thunfischs erkrankten an einem Virus, der zwei Jahre zuvor in einer lokalen Fischfarm des Marktführers United Fish mit Sitz in den USA entdeckt und wissenschaftlich beschrieben worden war.

Die damals im ‹Journal of Marine Epidemiology› publizierte Arbeit blieb weitgehend unbeachtet; die betroffene Fischpopulation wurde entsorgt, die Versicherung zahlte, der Fall war erledigt. Und der CEO von United Fish war froh, dass der Vorfall in keinem Börsennewsletter erwähnt wurde.

Diesmal lag der Fall anders: Thunfische wandern weit, werden auf der ganzen Welt verzehrt und die nicht verwerteten Überreste werden von den Fabrikschiffen über Bord geworfen oder in Fischfarmen zur Fütterung verwendet.

Eine pandemische Verbreitung der Fischgrippe drohte, ein gefundenes Fressen für die Medien, die sich auf die neue Krankheit stürzten. Sie publizierten Weltkarten mit den Wanderungsrouten der Thunfische (rote Pfeile für infizierte Schwärme, blaue für solche ohne Ansteckung), Fachleute errechneten die Wanderungsgeschwindigkeit und bezifferten regionale Ansteckungsrisiken (10,2 für Tasmanien, 3,6 für die Seychellen), die Tourismusfachleute machten in TV-Interviews besorgte Gesichter.

Baden in der Badewanne birgt kein Ansteckungsrisiko.

Derweil verbreitete die WHO Communiqués: Nein, das Virus sei für den Menschen ungefährlich, eine Mutation aber nicht auszuschliessen, die Pandemie-Stufe würde vorsichtshalber erhöht und Baden in der Badewanne sei kein Risiko.

Gerade, als sich der Hype auf das aktuelle Niveau der Vogelgrippenangst zurückgebildet hatte, wurde glücklicherweise der erste Patient mit Verdacht auf Fischgrippe ins Spital von Colombo eingeliefert. Der Siebzehnjährige Shrabizaran Juwalabrasa war ein geübter Taucher.

Die Ärzte vermuteten, das Virus könnte durch die Ohren in den Körper eingedrungen sein. In die Talkshows von Hammerfest bis Patagonien wurden fortan immer auch Tauchlehrer eingeladen und der Preis für Badehosen-Optionen sank auf den tiefsten Stand seit 1922, als die Freikörper-Kultur durch Europa rollte. Als das für die Analyse zuständige Labor in London vermeldete, die in Juwalabrasa gefundenen Viren hätten eine untypische Gensequenz, stand die Welt bereits unter dem Fischgrippe-Schock und hörte nicht mehr zu.

Eine solche Pandemie, das ist wohl klar, ist immer auch ein grossartiges Geschäft. Das Int. Board of Fisheries (IBF) lancierte das Label ‹fish-grip-friendly› und beschränkte den Thunfischfang auf zertifizierte Flotten. Die Konzerne waren glücklich, die kleinen Fischer gingen ein, die von den Grossen längst gewünschte Bereinigung erfolgte fast automatisch.

Das ganz grosse Geschäft aber wurde mit Impfstoffen und Medikamenten gemacht. Die Präparate der beiden Konzerne «Antiquartis» (Tamiflop!) und «Rache» waren offenbar in der Lage, die Infektion durch das Virus, dessen Mutation zu einer für den Menschen gefährlichen Variante immer noch nicht eindeutig feststand, in einem frühen Stadium zu unterbinden. Staaten mit Meeranstoss bestellten Dosen für ihre gesamte Bevölkerung, Binnenstaaten etwas weniger. Die Pandemie begann zu rentieren.

Impfkritische Ärzte in Handschellen, Hunderttausende mit bunt bemaltem Mundschutz vor dem Brandenburger Tor…

Als ein australischer Wissenschaftsjournalist in seinem Blog von einer alten Golffreundschaft zwischen dem CEO von Antiquartis, dem Direktor des Institute for Marine Biology und dem Chef-Epidemiologen des amerikanischen Centers for Desease Control berichtete, ging diese Nachricht in der Pandemie-Panik unter. Aus Deutschland, das als erstes Land zu Zwangsimpfungen schritt, kamen bessere Bilder in die Redaktionen: Tumulte in Spitälern, impfkritische Ärzte in Handschellen, Hunderttausende mit bunt bemaltem Mundschutz vor dem Brandenburger Tor…

Die Fischgrippe hätte ich gerne als globales Medienprojekt mit befreundeten alternativen Medien als Real-Scherz lanciert. Zu aufwändig.
Stattdessen widme ich diese unfertige Geschichte den zwei Millionen Kindern, die jährlich an Durchfall sterben und denen man mit einem Serum helfen könnte, das 132mal weniger kostet als eine Packung Tamiflu. Und ich widme sie den Bewohnern von La Gloria in Mexiko, wo der amerikanische Schweinekonzern «Smithfields Foods» eine gigantische Schweinezucht betreibt und von wo das H1N1-Virus, eine Laborkonstruktion, auf den Menschen übergriff.

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Der Text erschien erstmals in Zeitpunkt 102 im Juli 2009. Die Ausgabe ist vergriffen.

Kommentare

Fingerabdrücke mit Mundgeruch

von Lenzburger
Im Zeitpunkt 84 (Juli/August 2006) erschien eine Buchbesprechung zu "Viruswahn" von Dr. med. Claus Köhnlein, die ebenfalls neue Aktualität gewonnen hat. Darin steht, "dass sich die «moderne» Medizin vor einigen Jahrzehnten vom direkten Virusnachweis verabschiedet hat und stattdessen mit indirekten  Nachweisverfahren (u.a. Antikörper- und PCR-Tests) begnügt. Doch diese [...] sagen nichts darüber aus, wie sich ein Virus vermehrt, welches Tier dieses Virus trägt oder wie es Leute krank macht, wie mehr als ein Dutzend kritische Top-Virologen im Fachblatt Science anmerkten. «Es ist so, als wolle man durch einen Blick auf die Fingerabdrücke einer Person feststellen, ob sie Mundgeruch hat.»