Es gibt ein Gefühl, das ich eigentlich gar nicht haben dürfte. Ein unangenehmes, geradezu beängstigendes Gefühl. Als eine Zwangsvorstellung würde man es bezeichnen. Das Gefühl kommt ganz unerwartet. Und ich bin sicher, andere haben es auch schon erlebt. Beim Autofahren. Nicht auf der Autobahn, sondern auf einer Landstrasse. Auf einer ausgestreckten Gerade mit Gegenverkehr. Wenn sich der nächste entgegenkommende Wagen schon fast auf meiner Höhe befindet.
In genau diesem Moment habe ich plötzlich gedacht, wie das wäre, wenn ich das Steuerrad jetzt, gleich jetzt, ein wenig nach links drehen würde. Die leichte Abweichung würde genügen – und die Welt stünde still. Es wäre so verführerisch einfach. Und es ginge so schnell, dass keine Zeit für irgendwelche Gedanken bliebe. Ich könnte mir nicht überlegen, ob ich das will. Würde ich es mir überlegen, dann wüsste ich, ohne zu zögern: Ich will es nicht. Weder möchte ich diese Welt verlassen noch möchte ich jemandem Leid antun. Die schnelle kleine Drehung des Lenkrads wäre mehr ein Zucken der Hände als ein Entschluss.
Doch dahinter steht durchaus ein Gedanke. Oder vielleicht mehr ein Wunsch: Der Wunsch, zu wissen, wie sich das anfühlt, wenn plötzlich alles zu Ende wäre. Man hätte keine Probleme mehr. Man wäre im Himmel. Man wüsste endlich, wie es dort aussieht.
Natürlich macht man es nicht. Man bleibt auf der rechten Fahrbahn und setzt seinen Weg, brav und berechenbar, fort. Warum eigentlich? Warum beherrschen sich alle?
Weil der linken Hand die rechte Hand gegenübersteht. Würde die Linke dem Teufel gehorchen und das Steuer links herum drehen, dann gäbe die Rechte Gegensteuer. Sie würde das Lenkrad rechts herum reissen. Das weiss die linke Hand. Sie weiss, dass der Mensch zwei Hände hat. Will die eine Hand aus dem Gleichgewicht fallen, holt die andere sie zurück.
Deshalb geschieht nichts. Der Mensch muss keine Angst vor sich selber haben. Er kann seinen Händen am Steuer vertrauen. Sie arbeiten gern zusammen.