Eine Utopie aus der Menschheitsgeschichte

Jenseits von Männerherrschaft oder Frauenherrschaft gab es Gesellschaftssysteme, wo es allen Geschlechtern gut ging. Sie waren nach der Mutterlinie organisiert und praktizierten Basisdemokratie.

Gaia Mutter Erde
«Von Matriarchaten können wir lernen» Bild: Tausendjährige Gaia-Mutter-Figur (www.figuren-shop.de)

Drei Wochen sind inzwischen schon seit der diesjährigen CHARTA-Frühlingskonferenz vergangen. In ihrem Mittelpunkt standen diesmal vor allem matrifokale, egalitäre Gesellschaften. Im Eröffnungsvortrag am Freitagabend berichteten uns Anna Pixner und Simone Plaza (Matriforum) über die Irokesen in Nordamerika.

Bis ins 16. Jahrhundert waren deren Stämme patriarchal strukturiert und bekämpften sich gegenseitig auf bestialische Art und Weise. Aber etwa ab dem Jahr 1570 fand eine allgemeine Rückbesinnung statt: Rückbesinnung auf gemeinsame innere Werte. Es gab einen grossen Friedensschluss, der durch den Propheten Deganawidah und den Häuptling Hiawatha ins Leben gerufen wurde.

Im Laufe der nächsten etwa 170 Jahre entstand die Irokesenkonföderation (auch: Irokesenliga), bis schliesslich im Jahr 1744 daraus der Bund der Sechs Nationen wurde. Jede dieser Nationen bestand aus mehreren Klans. Wobei jeder einzelne Klan eine matrifokale und matrilinear blutsverwandtschaftliche Grossfamilie ist, der jeweils eine gewählte Clanmutter vorsteht. Die Gesellschaftsstruktur ist die einer echten Basisdemokratie, in der jeder einzelne Mensch eine grosse Freiheit besitzt.

Frauen sind nicht die besseren Menschen. Aber sie haben die bessere Zivilisationsform hervorgebracht: die «matrifokale» – eine Gesellschaftsform, die danach strebt, dass es allen gut geht.
Claudia von Werlhof 

Anhand dieses Gesellschaftssystems der Irokesen zeigten uns die Vortragenden, wie eine Konsensdemokratie aufgebaut ist: In regelmässig stattfindenden Versammlungen im Klan finden alle Meinungen und alle Stimmen Gehör, und hier, an der Basis, werden alle wichtigen Entscheidungen getroffen. Dank einer intelligenten Strategie gelingt es, echten Konsens zu schaffen, hinter dem Alle stehen - auch wenn das manchmal sehr zeitaufwändig ist. Die Inhalte der getroffenen Entscheidungen beinhalten u.a. die Perspektive für die nächsten sieben Generationen.

Diese Beschlüsse werden von zwei bis drei gewählten Mandatsträgern, in der Regel ein Mann und eine Frau, in die nächst höhere Ebene getragen. Diese Ebene ist die Ratsversammlung. Auch hier werden Entscheidungen nur im Konsens getroffen. Falls der nicht erreicht wird, gehen die Überbringer wieder zurück an die Basis, wo alternative Vorschläge aus der Ratsversammlung neu verhandelt werden, und so weiter.

Auch Claudia von Werlhoff sprach schon 2003 auf dem ersten Weltkongress für Matriarchatsforschung in Luxemburg in einem Vortrag über die demokratisch egalitären Strukturen in Matriarchaten. Hier ein kurzer Auszug:

Von Matriarchaten können wir lernen, dass die Verbundenheit allen Seins als eine Art Spiritualität der Wildnis, ebenso wie eine solche der matriarchalen Kultur, wieder zur Grundlage des Fühlens, Denkens, Handelns und Seins der Menschen werden kann und muss. In allen alternativen Entwürfen, selbst wenn sie sich nicht als matriarchal bezeichnen, wird weltweit von matriarchaler Egalität, Subsistenz, Gegenseitigkeit und Lebensbejahung ausgegangen und die Kooperation untereinander und mit der Natur in den Mittelpunkt neuer gesellschaftlicher Verhältnisse gestellt. Die Alternativen zum globalen Patriarchat sind weltweit verschieden, folgen aber ähnlichen Grundregeln. 
Der Wahn des Patriarchats wird wie ein Spuk von der Erde verschwinden. Die Frage ist nur, wie der Übergang so gestaltet werden kann, dass nicht noch mehr zerstört wird, materiell, seelisch und geistig, als es jetzt schon der Fall ist. Die Matriarchatsforschung kann dabei helfen, der Perspektive einer herrschaftsfreien Existenz wieder den Weg zu ebnen. Wir erinnern uns der matriarchalen Kulturen. Es hat sie schliesslich seit unvordenklichen Zeiten überall auf der Welt gegeben. Und wir suchen sie auf, wo wir sie immer noch oder wieder entdecken (...). 

Die Vision einer solchen egalitären Basisdemokratie war auch impulsgebend für den Gesellschaftsentwurf in der «CHARTA für ein Europa der Menschen und Regionen». Wir arbeiten weiter daran, und wünschen uns sehr, dass der Wille zu Frieden und Freiheit in einer egalitären Gesellschaft immer grösser wird, und sich immer mehr Menschen diesem Gedanken anschliessen.

Auch Beate Lambert hatte offensichtlich diese Vision, als sie den Text von Schillers «Ode an die Freude» neu bearbeitete und ihm die Überschrift «Dieses ist die Zeit der Wende» gab. Eine Strophe daraus lautet: «Folg den Kindern und den Frauen, weil sie für das Leben steh'n, und sich jetzt nun endlich trauen voller Kraft voran zu gehen». Mit Beethovens wunderbarer Melodie hat sie dieses Lied hier in einer sehr schönen Video-Aufnahme ins Netz gestellt. Viel Freude beim Anhören.

Eva-Maria Gent

Eva-Maria Gent
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www.gesellschaft-in-balance.de 
www.charta-demokratiekonferenz.org 


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