Eine ganze Reihe von neuen Büchern befasst sich mit der zerstörerischen Macht der Eliten. Sie alle gehen davon aus, dass die Reichen immer reicher, die Konzerne immer mächtiger sind und die Politik immer machtloser werden.

Wie Eliten die Demokratie zerstören

Michael Hartmann, einer der renommiertesten deutschen Eliteforscher, legt in seinem Buch «Die Abgehobenen» den Schwerpunkt auf soziologische Aspekte: Aus welchen Milieus, Familien und Hochschulen stammen die neuen Eliten in Frankreich, England, den USA und Deutschland? Wie schaffen sie es, unter sich zu bleiben? Wie hat sich die Elitebildung in den letzten Jahrzehnten verändert? Wie und wer hat dazu beigetragen, dass die Interessen der Banken, des Kapitals und der Wirtschaft wichtiger sind als das Gemeinwohl. Warum haben die Eliten kein schlechtes Gewissen, und wieso ist die Politik so willfährig?

Hartmanns Befund: In den letzten Jahrzehnten hat sich die Eliterekrutierung dramatisch verändert. Früher kamen zwei Drittel der «Mächtigen» aus dem «Volk», heute ist es nur noch ein Drittel. Interessant ist auch ein zweiter Befund: Weibliche Eliten verdrängen immer mehr «Arbeitersöhne». So trägt die Gleichberechtigung zu diesem Wandel bei.
Diese neuen Eliten sind derart abgehoben, dass sie sich nicht mehr vorstellen können, was es bedeutet, im Raubtierkapitalismus zu überleben. Altersarmut, unbezahlbare Wohnungen, Kettenverträge oder ein Leben als Working Poor kennen sie nur aus Statistiken und den Medien. Das macht sie so unempfindlich und mitleidlos, wenn es um das Volk geht, und so larmoyant, wenn sie beim Steuerhinterziehen erwischt werden. Auch haben sie niemals ein schlechtes Gewissen. Dabei verdanken sie ihren Erfolg und ihr Vermögen zuallererst ihrer Geburt und dem Erlernen der Verhaltensweisen, die den «kleinen Unterschied» ausmachen, an dem Mitglieder der Eliten sich erkennen.

Diktatur der Konzerne

Thilo Bode, ehemaliger Greenpeace-Chef und Gründer der Verbraucherschutz-NGO «Food Watch» (2002), konzentriert sich auf die «Diktatur der Konzerne». Diese führt dazu, dass wir alle mit Wahlen immer weniger Einfluss auf die Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft und weltweiten Trends nehmen können.

Die Globalisierung, so Bode, hat «Monsterkonzerne» geschaffen, deren ökonomische Macht so gross ist, dass die Politik es nicht mehr wagt, gegen sie zu regieren. Man findet sie inzwischen in allen Branchen: Mobilität, Chemie, Landwirtschaft, Energie und natürlich in der digitalen Wirtschaft und den Medien. Diese Konzerne nutzen ihre Macht, um auf alle wichtigen Entscheidungen und die Medien Einfluss zu nehmen. Ein «Drehtür-effekt» sorgt dafür, dass Konzerne und Politik auf der Ebene des Personals verschmelzen. Die Konzerne, so Bode, kaufen Politiker, beeinflussen die Wissenschaft, indem sie Lehrstühle stiften oder Stiftungen gründen und finanzieren, welche die öffentliche Meinung beeinflussen. Wenn die Politik selbst dann nicht mehr eingreift, wenn Konzerne Verbraucher betrügen, Umwelt zerstören und das Gemeinwohl schädigen, ist die Diktatur der Konzerne perfekt. Möglich wird diese Entwicklung, weil das Kartellrecht nicht greift und Unternehmen in Europa nicht zur Rechenschaft gezogen werden können.

Das Schweigen der Lämmer

Aus einer etwas anderen Perspektive beschäftigt sich Rainer Mausfeld mit den Eliten. Sein Buch «Warum schweigen die Lämmer?» ist eine fulminante Klage über die «postdemokratischen Verhältnisse» unserer Gegenwart. Der Kieler Professor für Kognitionspsychologie behauptet, dass «die organisierte Kriminalität der besitzenden Klasse durch eine Verrechtlichung nicht nur legalisiert, sondern auch verfestigt und gegen mögliche demokratische Eingriffe abgedichtet» wurde. Und er erklärt, warum dies ohne Aufstand möglich war. Erstens sei es gelungen, das Bewusstseins der «Machtunterworfenen» sehr effektiv zu manipulieren. Sie dürfen nämlich nicht wissen, dass es hinter den vermeintlich demokratischen Verhältnissen Zentren der Macht gibt, die undemokratisch entscheiden und den Veränderungswillen der Bevölkerung auf politisch belanglose Ziele lenken. Möglich wird das durch Anwendung eines umfangreichen «Softpower»-Werkzeugkastens. Für Mausfeld ist klar: Wer die Sprache beherrscht, beherrscht das Denken. Wir sind alle gemeinsam einer Gehirnwäsche unterworfen, die ein Bild von der Welt erzeugt, das nichts mit der Realität zu tun hat. Nur so ist nach Mausfeld zu erklären, dass die USA – «der schlimmste Terrorstaat aller Zeiten» (Chomsky) – im Westen als «selbstloser» Akteur auftreten kann, dessen handlungsleitendes Motiv es sei, die westlichen Werte zu verteidigen. Mausfeld schildert, wie alle Schäden und Opfer der US-Politik «weggezaubert» werden, wie mit Wörtern und Zuschreibungen Politik gemacht wird. Dazu gehören auch die weit verbreiteten Glaubenssätze «Nur wer die westlichen Werte vertritt, ist gut» oder «Alle anderen sind Terroristen».

Ein zweites Schlachtfeld der Macht beherrscht, wer die wirtschaftspolitische Deutungshoheit hat. Einen freien Markt, so Mausfeld, gibt es nur für wirtschaftlich starke Unternehmen und Banken. Das Gerede von den Segnungen des freien Marktes und der neoliberalen Wirtschaft dient nach ihm nur einem Zweck: Sie sollen Raubzüge der Finanz- und Wirtschaftseliten verbergen.

Elite sind auch wir

Einen ganz anderen Blick auf «die Monster des Kapitalismus» hat der Philosoph und Publizist Björn Vedder. Er macht darauf aufmerksam, dass «die da oben» ihre Raubzüge ohne «die da unten» nicht unternehmen können, und arbeitet die Komplizenschaft zwischen dem «Volk» und seinen Eliten heraus. Denn solange die Staatsangehörigkeit darüber entscheidet, wer zu den Gewinnern oder aber Verlierern der Weltgeschichte gehört, dient der Nationalismus vor allem dem Ziel, die eigenen Privilegien dauerhaft verteidigen zu können. So entsteht ein gefährliches Bündnis zwischen denen «da unten» und den Eliten «da oben». «Beide eint, dass ihnen die sittliche Gesinnung fehlt, die ihre Selbstsucht beschränken könnte, wo die Kräfte des Marktes nicht greifen. Auch die working rich der Weltgesellschaft pöblisieren also durch ihren Überschuss an Freiheit.»      

 

Michael Hartmann: Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden. Campus Verlag 2018, CHF 25.30


Thilo Bode: Die Diktatur der Konzerne. Wie globale Konzerne uns schaden und die Demokratie zerstören. Fischer Verlag 2018, CHF 21.50

Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören. Westend Verlag 2018, CHF 27.90

Björn Vedder: Reicher Pöbel. Über die Monster des Kapitalismus. Büchner Verlag 2018, CHF 21.50