3 Fragen an Naturwissenschaftlerin Irene Varga
Die Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» will Tierversuche in der Schweiz verbieten, genauso wie den Import oder Handel mit neuen Produkten, die aus solchen Versuchen stammen. Die Forschung mit menschlichem Biomaterial – zum Beispiel Zellen oder Gewebe – wäre weiterhin erlaubt. Abgeschafft werden sollen dagegen klinische Studien, wie sie heute durchgeführt werden, ausserdem auch traumatisierende psychologische Experimente. Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab, weil sie der Wirtschaft und dem Forschungsstandort Schweiz schaden würde und zu extrem sei. Irene Varga, Co-Präsidentin des Initiativ-Komitees, widerspricht dem: Nicht die Initiative sei extrem, sondern was Tieren und Menschen heute angetan würde. Im Zeitpunkt erklärt die Naturwissenschaftlerin, warum die aktuelle Gesetzgebung nicht ausreicht und welche Alternativen die Initiative vorsieht.
Zeitpunkt: Die Initiative will Tier- und Menschenversuche in der Schweiz verbieten. Inwiefern garantiert die aktuelle Gesetzgebung keinen genügenden Schutz?
Irene Varga: Wer behauptet, es bestünden «überwiegende Interessen» für Tierversuche, darf Tiere ängstigen, malträtieren, verstümmeln oder vergiften, wenn dies als «unerlässlich» definiert und protokollgetreu durchgeführt wird. Es handelt sich dabei jedoch oft um schwere Übergriffe gegen Leib und Psyche. Trotzdem wird dies juristisch nicht als Tierquälerei bezeichnet, sondern als «gerechtfertigt». Auch dann, wenn sich der in Aussicht gestellte Nutzen nicht zeigt – kontrolliert wird dies nicht. In der aktuellen Gesetzgebung steht, künftig werde alles besser: weniger Leid, weniger Tiere, andere Methoden. Doch es hat sich seit Jahren nichts geändert.
Bezüglich Menschenversuchen sieht die Situation etwas anders aus: So riskieren die Teilnehmenden von klinischen Studien zwar nur selten ihr Leben, doch hin und wieder erkranken sie auf Grund von falschen oder fehlenden Therapien sowie ungeeigneten Dosierungen von Medikamenten. Die Ärzte beschwichtigen mit Floskeln wie «Die Risiken sind gut bekannt», was vom Patienten als «Mir kann nichts passieren» interpretiert wird. Meist merkt er erst im Schadenfall, dass er den Vertrag nicht verstanden hat. Im Beipackzettel finden wir dann unter den «möglichen Nebenwirkungen» einige der Tragödien, die Patienten während der Studien erlebten.
In diesem Zusammenhang sollen auch schädliche und traumatisierende psychologische Experimente verboten werden, wie zum Beispiel das Milgram-Experiment, bei dem ein Proband seinem angeblichen Mit-Probanden – der Schauspieler war – scheinbar happige Stromstösse versetzte, weil es eine Autoritätsperson so anordnete und erklärte, dies sei unerlässlich für die Wissenschaft. Beim Experiment ging es um das Erforschen von Autoritätsgläubigkeit und um die Frage, wie weit Menschen gehen, wenn sie einer Autoritätsperson blindes Vertrauen schenken. Das Ergebnis war ein Schock.
Welche konkreten Alternativen sieht die Initiative vor, zum Beispiel für die Entwicklung von Medikamenten? Ist deren Umsetzung realistisch?
Die Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» fordert Ehrfurcht vor dem Leben und den Individuen. Dies ist ein wichtiger Bruch mit althergebrachten Missständen und irreführenden Methoden. Erfinder und Wissenschaftler waren nie um technologische Lösungen verlegen. Doch die Frage ist: Zu wessen Gunsten? Unsere Volksinitiative setzt wichtige Grenzen und Spielregeln. Neue Technologien wie die «individualisierte Medizin», die «virtuellen Patienten» oder Modellsysteme für Diagnose und Forschungszwecke sind im Kommen. Doch wenn der Einsatz von Wissenschaft und Fortschritt nicht zu Gunsten von allen Lebewesen erfolgt, sondern weiterhin mit Tieren und Menschen experimentiert wird, dient dies weder den Patienten noch der Menschheit.
Technologische Lösungen gibt es immer, doch die Frage ist: Zu wessen Gunsten?
Die Erforschung von medizinischen Wirkstoffen kommt trotz grossem Aufwand und vielen Opfern immer schleppender voran, so dass es an der Zeit ist, die Strategien und Möglichkeiten zu überdenken. Unser Wissen verbessert sich nicht dadurch, dass wir künstlich provozierte Symptome in Tieren medikamentös kaschieren. Sondern dadurch, dass wir klären, was individuelle Kranke wirklich zu ihrer Heilung und Linderung brauchen. Einer braucht Medikament A, der andere Medikament B und der Dritte nur Zeit und einige Veränderungen seines Lebensstils.
Aktuell wird darüber diskutiert, ob die weltweiten Impfungen mit der neuen mRNA-Technologie einem Menschenversuch gleichkommen. Würde die neue Gesetzgebung auch in einem solchen Fall greifen?
Im Rahmen der «Pandemie» werden eine ganze Reihe von Menschenversuchen durchgeführt: biologische, medizinische, soziale, psychologische, wirtschaftliche usw. Aktuell ist völlig offen, wer durch welche Massnahmen Schäden erlitten hat. Wird das Tier- und Menschenversuchsverbot angenommen, ist das ein wichtiger Auftrag des Volkes an alle Akteure, sorgfältiger mit Lebewesen umzugehen, als dies heute geschieht. Behandelnde müssten zum Beispiel für jedes Individuum gewährleisten, dass eine mRNA-Impfung in seinem umfassenden und überwiegenden Interesse liegt. Dabei müssten viele Aspekte berücksichtigt werden: Einerseits bezüglich biologischer und persönlicher Eigenheiten, aber auch in Bezug auf seine Ansprüche an die Zukunft.
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