3 Fragen an Theologin Monika Hungerbühler
In drei Tagen wird in vielen Stuben «Oh du fröhliche» gesungen und gemeinsam zu Abend gegessen. Und es werden Geschenke ausgepackt. Auch in Jahren, wenn Corona nicht alles einschränkt, feiern viele Familien im geschlossenen Kreis. Monika Hungerbühler ist Theologin und Seelsorgerin der Offenen Kirche Elisabethen in Basel. Die 62-jährige Katholikin wünscht sich eine Weihnacht, wo die Türen auf- statt zugemacht werden. Sie selbst lebt mit Mann, Hund, zwei Katzen, Hase, Neffe, Schwester, Schwager in einer WG in Basel und ist Mitgründerin der feministisch-theologischen Zeitschrift FAMA. Die passive Maria in der Weihnachtsgeschichte gibt es für sie nicht.
Zeitpunkt: Brauchen wir die Weihnacht überhaupt noch?
Monika Hungerbühler: Wenn Sie mich das als Theleogoin fragen, sage ich ja. Nur, im Moment ist das Weihnachtsfest, so wie es begangen wird, weit weg von dem, was eigentlich mal angedacht war. Heute ist sie eine Konsumschlacht und zwiespältig. Denn, um daran teilzunehmen, hat man entweder Geld oder nicht, hat man eine Familie oder nicht. Die Weihnacht an sich ist Licht, Ruhe, Begegnung, Innehalten. Sie ist die Erinnerung an die Geburt von Jesus von Nazareth. Und andere Themen, die die Weihnachtsgeschichte doch auch ausmachen, sind etwa die Obdachlosigkeit, Flucht, eine uneheliche Schwangerschaft oder dieses schräge Paar, Josef und Maria, die mit einer bürgerlichen Familie überhaupt nichts zu tun haben. Über solche Themen könnte man zu Weihnachten reden. Während dieser besinnlichen Tage also könnte man die Sensibilität schärfen für Bettler und Bettlerinnen, für die Einsamkeit in unserer Gesellschaft oder für die Macht eines Systems, unter dem Menschen leiden können. Wie die vom römischen Kaiser befohlene Volkszählung, die damals ja Josef und Maria nach Betlehem getrieben hatte.
Man könnte auch für junge, werdende Mütter sensibilisieren. Geht Maria in der Weihnachtsgeschichte nicht ohnehin unter, wirkt passiv und wie eine Frau, die ihr Schicksal duldsam hinnimmt?
Der Fokus dürfte in der Tat mehr auf das junge jüdische Mädchen gelegt werden, das ein Kind geboren hat. Vor allem aber hat man in der Kirche mit der Maria ein Frauenbild zementiert, das über Jahrhunderte aufgebaut worden ist. Da gibt es zum Beispiel die Dogmatisierung, dass Maria Jungfrau und Mutter zugleich war – und aus unerklärlichen Gründen schwanger wurde. Ihr Verlobter Josef, so erzählt es die biblische Geschichte, war definitiv nicht der Vater. Eine von vielen Lesarten ist die, dass Maria wie vielen Mädchen und Frauen durch die ganze Geschichte bis auf den heutigen Tag von den jeweiligen Besatzungsmächten Gewalt angetan worden ist und sie darauf schwanger wurde. Aber die Trostgeschichte, die später erzählt worden ist, spricht davon, dass das Kind von der Heiligen Geistkraft ins Leben gerufen worden ist und eine Zukunft hat.
Maria war eine Revolutionärin, eine junge Prophetin, die im Magnifikat das Lied vom Umsturz der Mächtigen gesungen hat. In der feministischen Theologie hat man das Marienbild in den letzten vierzig Jahren aufgearbeitet. Da kommt eine andere Frau hervor, als die, die man bis anhin gekannt und verehrt hat.
Zurück zur Weihnacht: In Uruguay hat man alle religiösen Feiertage aus der staatlichen Agenda gestrichen. Wäre das nicht auch was für uns? Statt Weihnachten den «Tag der Familie» zu feiern wie in Uruguay?
Nein, man sollte Weihnachten nicht nur als Familienfest feiern. Man sollte alle Türen öffnen, statt sie zuzumachen und lediglich im Kreis der Familie zu feiern. Sowieso, was meint man mit «Familie»? Wird da von einer heterosexuellen bürgerlichen Familie gesprochen? Es gibt doch so viele Formen, so viele verschiedene Geschlechteridentitäten, Freundschaften und Verbindungen zwischen Menschen. Also, die Weihnacht nur in Familie zu feiern, entspricht nicht ihrem eigentlichen Geist.
Weihnachten ist ein Lichtfest, die Feier einer Geburt. Geht es dabei nicht auch darum, einen Anfang zu feiern? Der Glaube, dass man immer wieder neu beginnen kann, das ist doch eine schöne Idee. Das könnte also die Weihnachten auch sein: das Fest vom Neubeginnen.
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