Auch auf dem Balkan spitzt es sich zu

Bundeswehr bereitet sich auf neuen Bosnien-Einsatz vor. Nach 27 Jahren als Protektorat unter faktischer Aufsicht der EU ist die sozioökonomische Lage in dem Land unverändert desolat.

Die Bundeswehr steht womöglich vor ihrer Rückkehr in den EU-Militäreinsatz in Bosnien-Herzegowina. Dafür hat sich laut Berichten vor allem Außenministerin Annalena Baerbock stark gemacht. Ursache sind zum einen die anschwellenden Spannungen im Land, die zu eskalieren drohen.

Einerseits bereiten die bosnischen Serben Schritte vor, die in eine Abspaltung ihres Landesteiles münden könnten; andererseits verlangen die bosnischen Kroaten Strukturveränderungen, die zur Schaffung einer eigenen Entität führen sollen und damit ebenfalls die Konflikte im Land weiter anheizen. Aktuell kommt wachsende Kritik am Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina, dem CSU-Politiker Christian Schmidt, hinzu, der stolze 27 Jahre nach dem Ende des Krieges immer noch umfassende Vollmachten besitzt und das Land praktisch wie ein Protektorat führt.

Schmidt hat soeben die Durchführung der Wahlen am 2. Oktober erzwungen und damit neuen Protest ausgelöst. Trotz aller Verheißungen der EU, bei einer Annäherung an sie Wohlstand zu bringen, herrschen in Bosnien-Herzegowina nach wie vor Armut und Perspektivlosigkeit. …

Auf dem Nährboden von Armut und Perspektivlosigkeit schwellen auch die politischen Spannungen in Bosnien-Herzegowina kontinuierlich an. So hat etwa die Republika Srpska, der serbisch dominierte Landesteil, ein Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, das diverse Kompetenzen auf den Feldern der Justiz, der Finanzen und der Verteidigung dem Zentralstaat entziehen und der Regierung der Entität in Banja Luka unterstellen soll. Die Maßnahme, die letztlich in die Abspaltung des Landesteils münden könnte, ist zu Wochenbeginn um sechs Monate verschoben, aber nicht abgesagt worden.

Mit Blick auf eine eventuelle Sezession der Serbenrepublik werden Befürchtungen laut, es könne im Land – wie bereits in den 1990er Jahren – zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen. „Die Möglichkeit, dass sich Spannungen aufheizen ..., bleibt hoch“, warnte unlängst der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt (CSU); der Ukraine-Krieg habe nachdrücklich in Erinnerung gerufen, dass auch „im 21. Jahrhundert ein Krieg auf europäischem Boden nicht unmöglich ist“.

Als konfliktverschärfend gilt, dass unter den bosnischen Serben starke Sympathien für Russland vorhanden sind, was sie noch zusätzlich von der bosnischen und der kroatischen Bevölkerungsgruppe abgrenzt. Das Eskalationsrisiko steigt damit noch mehr.

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German Foreign Policy: Zurück auf Los, 10. Juni 2022