Aus der Stockung in die Wendezeit: Essenzielle Weisheiten des I-Ging zur Zeitsituation

In Zeiten, in denen das Leben aus den Fugen gerät und das Planen einem schwer gemacht wird, suchen viele Menschen nach Orientierung. Ein Instrument, das interessante Impulse geben kann, ist das I-Ging, das Buch der Wandlungen.

I-Ging

Das I Ging – eine Sammlung chinesischer Weisheiten – ist wahrscheinlich das älteste noch existierende Buch der Welt. C. G. Jung, Hermann Hesse und Bob Dylan begeisterten sich dafür. Das Buch erfasst nicht nur individuelle, sondern auch politische Situationen.

R. L. Wing beschreibt das I Ging als «philosophisches System, das auf höherer Mathematik und den Prinzipien der Quantenphysik beruht.» Es zeige die «rhythmischen Prozesse und Muster des Lebens auf.»

Das I Ging besteht aus 64 Hexagrammen mit jeweils sechs Linien. Es gibt starke, also durchgezogene Linien ( ------ ) und schwache, alsounterbrochene Linien ( -- -- ). Diese Linien werden in ihrer Abfolge unterschiedlich kombiniert und so entstehen 64 unterschiedliche Strichcodes. Zu jedem dieser Hexagramme gibt es Texte und Kommentare, die eine Antwort auf die gestellte Frage geben.

Drei Münzen und eine konkrete Frage

Neben einer Buchausgabe des I Ging, die es in zahlreichen Varianten gibt, braucht man drei gleich grosse Münzen, Papier und Bleistift und eine gut überlegte und prägnant formulierte Frage. Je genauer gefragt wird, desto präziser kann das Weisheitsbuch antworten. Man wirft die drei Münzen sechsmal auf eine flache Unterlage und zeichnet die entsprechende starke oder schwache Linie nach Anleitung des Buches auf. Die Linien übereinander angeordnet ergeben das Antworthexagramm. Man kann das I Ging natürlich auch online befragen.

Was sagt das Weisheitsbuch zur aktuellen politischen Lage?

Ich habe das I Ging zur aktuellen politischen Lage befragt und erhielt als Antwort das Hexagramm Nummer 12, «Stockung», das unten drei schwache Linien hat und oben drei starke. Schon rein optisch kann man hier die Blockade erkennen.

Nach R. L. Wing entsteht Stockung durch oberflächliche Menschen und Ideen, die grossen Einfluss gewinnen können. Ehrliche Menschen mit guten Absichten und Prinzipien hätten im Moment keine Chance. Wortwörtlich steht dort:

Der Höhere geht; der Niedere kommt. 

Mit hoch und nieder wird die Geisteshaltung und Integrität der Akteure angesprochen.

Das I Ging beschreibt also die momentane Situation als Stillstand, als Sackgasse. Es gebe kein Agieren und Reagieren. Die natürliche Ordnung sei aus den Fugen geraten. Es könne nichts Produktives erreicht werden und so stagniere das Wachstum, was sich durchaus auch auf die wirtschaftliche Situation beziehen lässt. Verständigung sei unmöglich. Nützlichen Ideen würde mit Ablehnung oder Apathie begegnet. Uneigennützigkeit und von Menschenliebe getragene Projekte würden nicht anerkannt. Die Stockung sei eine Zeit absurder Missverständnisse.

Stockende Situation nicht unterstützen

Die politische und soziale Umgebung neigt zur Korruption [ … ] Die Führer haben keine Verbindung mehr zu denen, die sie führen. Soziale Systeme greifen nicht mehr. Die Menschen sind voller Misstrauen.

Diese Direktzitate aus der I Ging-Version von R. L. Wing zeigen, wie treffend die Auskünfte des Weisheitsbuch sein können. Das I Ging gibt sogar Ratschläge mit auf den Weg: Andere zu beeinflussen sei momentan unmöglich, aber man solle seine Werte deswegen nicht aufgeben.

Versprechen, Belohnungen und Geschenken solle man keinesfalls annehmen, dadurch würde man nur mit in die Unordnung hineingezogen. Da fällt einem gleich die Bratwurst vor dem mobilen Impfzentrum ein. Die falschen Versprechungen bezüglich der Impfpflicht. Aber man könnte dabei auch an Ehrungen mit Preisgeld oder Orden jeglicher Art denken sowie an hohe Gewinne durch Masken, Injektionen und Tests oder auch Waffen. Wer sich an all dem beteilige, so das I Ging, unterstütze die stockende Situation.

Meer von Missverständnissen

Auch die schwierigen Gespräche – seit Corona – in der Familie, unter Freunden oder im Beruf kennt das I Ging:

Beziehungen erweisen sich in dieser Zeit als schwierig und könnten sogar in einem Meer von Missverständnissen untergehen.

Aber:

Bleiben Sie mutig und halten Sie unauffällig an Ihren Werten und an Ihrem Selbstvertrauen fest. Die Zeit der Stagnation wird vorübergehen.

Das lässt Hoffnung schöpfen. Und so frage ich das viele tausend Jahre alte Weisheitsbuch gleich noch einmal: Wie geht es nach dieser Stagnation politisch weiter? Das I Ging antwortet mit dem Hexagramm Nummer 24, also zweimal zwölf. Ausserdem liefert es für die Linien fünf und sechs jeweils einen Extra-Kommentar.

Wende zum Positiven

Das Zeichen steht für «Wiederkehr», und es ist von Fortschritt die Rede. Es verspricht keinen Kummer. Freunde könnten zurückkehren. Das deutet darauf hin, dass sich die Missverständnisse in sozialen Bezügen wahrscheinlich wieder legen. Ein neuer Lebenszyklus beginne und ein alter ende, vergleichbar mit den Vorahnungen des Frühlings nach einem stillen, kalten Winter.

Nun enthüllen sich die Wege, die zu erneuertem Wachstum führen.» Obwohl man darauf brenne, die eigenen Pläne umzusetzen, müsse man bedenken, dass man erst am Anfang stehe: «Übereilen Sie nichts. Die neue bessere Situation wird sich mit der ihr eigenen Geschwindigkeit entwickeln.

Die Wende zum Positiven sei ebenso natürlich wie der Wechsel der Jahreszeiten oder die Zyklen des Lebens. Man kann der schöpferischen Ordnung demnach vertrauen und muss nicht mit Druck arbeiten. Gruppen von Gleichgesinnten kämen zusammen und arbeiteten auf ein gemeinsames Ziel hin. Und ihre Arbeit hätte Erfolg, weil sie innerlich klar und gefestigt seien und von aussen nicht (mehr) behindert würden.

Mut für den Neubeginn

Die Gleichgesinnten und Frager seien sich der Notwendigkeit eines Neubeginns bewusst, heisst es im ersten Kommentar. Sie hätten den Mut zur Veränderung. Aber sie sollten auch ihre eigenen Fehler reflektieren, um diese zu überwinden und sich charakterlich zu stärken. Das I Ging rät der neuen Demokratiebewegung also zur Selbstbesinnung und -kritik. Und es sieht so aus, als ob diese Selbstreflexion bereits gelingt.

Die oberste Linie meint, man hätte die Wendung zum Besseren versäumt. Das stimmt insofern, als beispielsweise der Deutsche Bundestag mehrheitlich gegen die Aufarbeitung der Coronapolitik in einem Untersuchungsausschuss gestimmt hat. Hier wurde leider wirklich eine gute Chance verschenkt. Für die Demokratiebewegung könnte dieser Tipp bedeuten, dass man die sich bietenden Möglichkeiten zu Reformen nutzen und dabei nicht zögern sollte. Sonst könne es wohlmöglich einen Zyklus länger dauern, bis sich diese Perspektive wieder bietet.

Insgesamt sieht es so aus, als wäre das Frühlingserwachen schon da, denn die Gleichgesinnten treffen sich ja längst. Jetzt mögen manche vielleicht sagen, das wusste ich doch alles schon. Aber ist es nicht bemerkenswert, dass ein uraltes Weisheitsbuch solch treffende Aussagen macht? Vielleicht hat es noch weitere gute Ideen auf Lager? Finanzorganisationen nutzen das Analysesystem Aladdin von Black Rock zur «sophistizierten Risikoanalyse» – riesige Rechenzentren, hohe Kosten, viel Strom. Freiheitsfreunde verwenden ein uraltes Weisheitsbuch – im leichten Taschenbuchformat – und kommen auch ans Ziel.

Die deutsche Übersetzung des I Gings stammt übrigens von dem Theologen und Pädagogen Richard Wilhelm (1873 -1930), der 1925 das China-Institut der Universität Frankfurt gründete. Er war jahrelang als Pfarrer, Lehrer und Wissenschaftler in China tätig und mit bekannten Persönlichkeiten wie Carl Gustav Jung, Albert Schweitzer und Hermann Hesse verbunden.


Literatur:

1 Wing, R. L. : Das illustrierte I Ging, Wilhelm Heyne Verlag, München, 1990, S. 19