Die fünf Grundgesetze der menschlichen Dummheit

Und: Die Dummen sind gefährlicher als die Banditen

Vor 35 Jahren veröffentlichte der italienische Wirtschaftshistoriker Carlo Maria Cipollaeinen 60-seitigen Aufsatz über die grundlegenden Gesetze der Dummheit, für ihn die grösste existenzielle Bedrohung der Menschheit.

Der Aufsatz wurde ein internationaler Bestseller, über den er sich auch ein bisschen ärgerte. Er habe Jahrzehnte für grosse historische Studien aufgewendet, die von zwei oder drei Fachkollegen zur Kenntnis genommen worden seien, während ein Aufsatz aus einer schlaflosen Nacht ein Millionenpublikum erreichte.

Man darf seinen schnellen Wurf mit den Gesetzen der Dummheit also auch aus einer gewissen ironischen Distanz betrachten. Aber sie passen gut in diese verrückte Zeit, die viele Menschen nicht mehr verstehen können.

Cipolla (1922 bis 2000), Professor an verschiedenen Universitäten und mit einem Ehrendoktor der ETH Zürich, teilt die Menschheit in vier Kategorien ein: Intelligent, Bandit, Hilflos und Dumm. Sie werden auf der Grundlage eines Gewinn/Verlust-Konzepts definiert.

Ein dummer Mensch ist eine Person, die anderen Probleme bereitet und sich selber schadet. Ein intelligenter Mensch ist jemand, dessen Handlungen sowohl ihm selbst als auch anderen zugute kommen. Dann gibt es den Banditen, der sich auf Kosten anderer bereichert. Und schliesslich der Hilflose, dessen Handlungen andere auf seine Kosten bereichern. Cipolla hat daraus ein Diagramm entwickelt.

Gesetz 1: Jeder unterschätzt immer und unweigerlich die Zahl der Dummen

Dieses Problem wird durch die Annahme verschärft, dass einige Menschen aufgrund oberflächlicher Faktoren wie Beruf, Bildung oder anderer Merkmale, die unserer Meinung nach Dummheit ausschliessen, intelligent sind. Ein typischer Fehlschluss ist die Annahme, reiche Menschen seien von vornherein intelligent.

Gesetz 2: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person dumm ist, ist unabhängig von allen anderen Merkmalen dieser Person.

Cipolla postuliert, dass Dummheit in allen Populationen konstant bleibt. In jeder denkbaren Kategorie – Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Bildung, Einkommen – gibt es einen festen Prozentsatz an dummen Menschen. Auch Universitätsprofessoren oder US-Präsidenten können dumm sein, d.h. weder sich noch anderen und schlimmstenfalls Banditen Nutzen bringen.

Gesetz 3. Eine dumme Person ist eine Person, die einer anderen Person oder einer Gruppe von Personen Schaden zufügt, obwohl sie selbst keinen Nutzen daraus zieht und sogar Verluste erleidet.

Wieviele Dummköpfe es tatsächlich gibt, ist nicht festzustellen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Nicht-Dummen eine inkonstistente Gruppe sind.

Manchmal handeln wir intelligent, manchmal werden wir missbraucht oder sind egoistische Schurken und manchmal ein bisschen von allem. Die Dummen sind im Vergleich dazu ein Musterbeispiel an Beständigkeit.

Dumme Menschen sind gemäss Cipolla vor allem deshalb gefährlich und schädlich, weil es vernünftigen Menschen schwerfällt, sich unvernünftiges Verhalten vorzustellen und zu verstehen. Ein intelligenter Mensch kann die Logik eines Räubers verstehen: Er will einen Vorteil für sein Konto; er ist einfach nicht weise genug, einen Weg zu finden, der allen Nutzen bringt. Man kann die Handlungen eines Räubers und seine üblen Manöver also vorhersehen und daher eine Verteidigung aufbauen.
Bei einer dummen Person ist all dies nicht möglich, wie das dritte Grundgesetz erklärt. Es gibt keine rationale Möglichkeit zu sagen, ob, wann, wo, wie und warum er oder sie angreifen wird. Wer einem dummen Menschen gegenübersteht, ist ihm ausgeliefert.
Diese Analyse führt zu Gesetz Nummer 4:

Gesetz 4: Nicht-dumme Menschen unterschätzen immer die zerstörerische Kraft dummer Menschen.

Insbesondere vergessen nicht dumme Menschen ständig, dass es zu jeder Zeit, an jedem Ort und unter allen Umständen ein kostspieliger Fehler ist, mit dummen Menschen zu verkehren und/oder mit ihnen zusammenzuarbeiten. Wir unterschätzen Idioten, und wir tun dies auf eigene Gefahr. Dies bringt uns zum fünften und letzten Gesetz:

Gesetz 5: Ein dummer Mensch ist die gefährlichste Art von Mensch.

Und die direkte Konsequenz: Ein dummer Mensch ist gefährlicher als ein Räuber. Wir können nichts für Idioten tun.

Der Unterschied zwischen Gesellschaften, die unter der Last ihrer dummen Bürger zusammenbrechen, und solchen, die sie überwinden, liegt in der Zusammensetzung der Nicht-Dummen. Gesellschaften, die trotz ihrer dummen Bürger vorankommen, haben einen hohen Anteil an intelligent handelnden Menschen, die die Verluste der Dummen ausgleichen, indem sie für sich und ihre Mitmenschen Gewinne erzielen.

Die einzige Möglichkeit für eine Gesellschaft, nicht von der Last ihrer Idioten erdrückt zu werden, besteht darin, dass die Nicht-Dummen noch härter arbeiten, um die Verluste der Dummen zu kompensieren.

Cipollas Text aus einer schlaflosen Nacht ist anregend. Aber man müsste seine Vorstellung der Überlegenheit der Intelligenz – die vielleicht auch seiner Zeit geschuldet ist – ergänzen: mit Menschlichkeit, Verbindung zum Grossen Ganzen und den Kräften des Herzens, die sich jenseits der Intelligenz entfalten können.

________________

Mit Elementen von bonpote.com, der interessanten Website eines französischen Journalisten Thomas Wagner.

Der Verlag Klaus Wagenbach hat den Aufsatz «Die Prinzipien der menschlichen Dummheit» zusammen mit dem Essay «Die Rolle der Gewürze (insbesondere des Pfeffers) für die wirtschaftliche Entwicklung des Mittelalters» Ende August 2022 neu herausgegeben:

Carlo M. Cipolla: Allegro ma non troppo. Verlag Klaus Wagenbach. 96 S. Geb. € 20.–. ISBN 978-3-8031-1197-5