Die Orangen-Meditation
Aus der Serie «Natitingou – Aus dem Afrika-Tagebuch eines Toubab». Folge 4.
Ich erwache um halb sechs. Es ist noch dunkel. Ein herrlicher Sternenhimmel. Der grosse Bär weist zum Polarstern. Gegenüber das Kreuz des Südens, leicht schief, klar, bestimmt. Hähne krähen, die ersten Motorräder brummen, ein kühler Wind streicht um meine Hütte. Ich öffne alle Türen und Fenster, um die Frische reinzulassen. Lösche alle Lichter, um ja keine Insekten anzulocken.
Morgenstund hat … eine schnelle Internetverbindung. E-Mails lesen, senden, Spam löschen. Freunde wollen wissen wo ich bin, wie ich wohne, lebe. Fotos meiner Strohdachhütte auf 100 Kilobyte reduziert, sonst heisst es «Senden fehlgeschlagen». Warum «Paradou» wollen sie auch wissen. Das Paradies ist nicht von dieser Erde, hier in Natitingou gibt's aber einen Vorgenuss.
Meine Morgenmeditation: frischen Orangensaft pressen. Eine Frucht nach der andern halbieren, in der Handpresse aus Glas ausdrücken. Jedes Mal, wenn wir die 600 Kilometer von Cotonou nach Natitingou hochfahren, kaufen wir im Süden einen Zehn-Kilo-Sack voll Orangen. Die meisten verschenke ich der Wächter- und Chauffeurfamilie. 20 Stück reichen mir für eine Woche.
Die kleine Glasschale zum Pressen habe ich vom Second-Hand-Allerlei-Laden neben dem Fussballstadion. Ausgezeichnete, einfache Küchengeräte landen hier. In Europa wird elektrifiziert und plastifiziert.
Etwas Gartenarbeit, bevor die Sonne zu heiss wird. Ich ergänze den Kompost mit einer Schicht Stroh und einer Schicht grüner Blätter. Es ist ein Kompost-Loch: braucht weniger Waser, bleibt länger feucht. Kompostieren oder Mulchen sind hier unbekannt. Das trockene Gras wird abgebrannt. Welch ein Biomassen-Verlust!
Es ist Wochenende. Habe ich Energie, etwas anzupacken? Ich geniesse zuerst einen Kaffee aus dem italienischen Doppelstock-Kännchen. Leider mit Pulvermilch aus Holland. Hatte noch keine Gelegenheit, im nahen Peul-Camp frische Kuhmilch zu holen. Daraus mache ich jeweils sämiges Jogurt.
Ein kleiner Hunger. Den Reis von gestern aufbraten, den Saucen-Rest mit einem Ei verrühren. Mein Mittagessen ist auf der Induktionsplatte mit Solarstrom schnell gekocht. Eine Flasche Bier, eisgekühlt.
Mehr als 90% der Haushalte im Benin haben keinen Kühlschrank. Bei der Hitze! Wie machen die das? Ich verstecke meine Lebensmittel im Kühlschrank, vor den Ameisen und Mäusen.
Der ökologische Fussabdruck ist hier weit unter eins. Und das nicht nur, weil es keinen Winter gibt. Sie könnten ja überall klimatisieren. Aber schon ein kleiner Ventilator ist ein Luxus.
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