Egal, was das Volk denkt
Aus dem Podcast «Fünf Minuten» von Nicolas Lindt.
Schon vor längerer Zeit sagte Annalena Bärbock, die deutsche Grüne, die sich «Aussenministerin» nennen darf: «Wenn ich den Menschen in der Ukraine das Versprechen gegeben habe: ‹Wir stehen an eurer Seite›, dann will ich das auch einhalten – egal, was meine deutschen Wähler denken.»
Als ich das las – als wir alle das lasen, dachten wir wohl mit einer gewissen Genugtuung, dass unsere Bundesräte so etwas niemals aussprechen würden. Ich hätte ihnen sogar attestiert, dass sie sich gegenüber dem Schweizer Volk nach wie vor in gewisser Weise verpflichtet fühlen.
Doch bleiben wir beim Thema Ukraine. Ich zitiere drei Meldungen aus den letzten paar Tagen:
- Die Schweiz unterstützt die Idee eines Sondertribunals für das Verbrechen der russischen Aggression gegen die Ukraine. Dies sagte Bundesrat Ignazio Cassis am Dienstag in New York an einem Treffen am Internationalen Strafgerichtshof.
- An der Sitzung des UNO-Sicherheitsrates erklärte der Schweizer Bundespräsident Alain Berset, Russland leugne seine Verantwortung für die Tausenden von Toten und Verletzten in der Ukraine. Er sagte weiter, die Schweiz bekräftige die Aufforderung an Russland, sich unverzüglich vom ukrainischen Territorium zurückzuziehen. Zugleich unterstrich der Bundespräsident die Solidarität mit der Ukraine.
- Recherchen der Weltwoche enthüllen, dass an einer Mission zur Untersuchung russischer Kriegsverbrechen im Ukraine-Konflikt auch Schweizer Bundeskriminalpolizisten teilnehmen werden – dies in Abstimmung mit der ukrainischen Staatsanwaltschaft.
Was haben diese drei Nachrichten über Aktivitäten des schweizerischen Staates gemeinsam? Sie haben gemeinsam, dass sie die Neutralität unseres Landes mit Füssen treten. Während der gleichen letzten paar Tage habe ich keine einzige Meldung gelesen, in der die Schweiz ihrer neutralen Rolle gerecht zu werden versucht – und dies, obwohl es nicht an Umfragen fehlt, die unmissverständlich bezeugen, dass eine erdrückende Mehrheit der Schweizer für die Aufrechterhaltung der Neutralität ist. Auch zahlreiche Schweizer Persönlichkeiten haben sich schon dafür ausgesprochen. Unser Land, argumentieren sie, müsse zu seiner Tradition zurückfinden und für Friedensverhandlungen einstehen.
Doch die Regierenden in der Schweiz scheren sich keinen Deut um die Stimmung in der Bevölkerung. Ihr Handeln unterscheidet sich nicht von der Haltung der deutschen Politikerin. Sie halten an ihrer Parteinahme fest – egal, was das Volk denkt. Der Spruch von denen da oben, die machen, was sie wollen, hat das Stammtischniveau verlassen und ist politische Realität geworden: Die da oben machen tatsächlich, was sie wollen.
Zum ersten Mal wurde mir das nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative bewusst, als Bundesrat und Parlament den Volksentscheid ignorierten und das Begehren – mit etwas Kosmetik – beerdigten. Drei Jahre später unterschrieben Schweizer Staatsfunktionäre das Pariser Klimaabkommen, mit weitreichenden Konsequenzen für unser Land und ohne jede demokratische Legitimation. Wieder drei Jahre später, unter dem Druck der Corona-Krise, führte der Bundesrat das Notrecht ein, ohne das Parlament auch nur zu befragen. Das Parlament machte mit – und das Volk trug die Folgen. Zu sagen hatten wir nichts.
In diesem Stil wird es weitergehen. Schritt für Schritt verfolgt die politische Klasse ihre Agenda: Unterordnung unter die WHO, Unterordnung unter die NATO und Kniefall vor der Clique in Brüssel. Egal, was das Volk denkt.
Dasselbe geschieht auf der Ebene der Kantone und der Gemeinden. Immer deutlicher, immer unverhüllter wird uns vor Augen geführt, dass die Regierenden auf die Grundsätze der Verfassung und auf die Stimmung in der Bevölkerung keine Rücksicht mehr nehmen. Für eine wachsende Zahl von Menschen in unserem Land sage ich damit nichts Neues. Aber wissen wir auch, was das langfristig heisst? Wollen wir es überhaupt wissen?
Die gegenwärtige Entwicklung führt zum Ende der Demokratie. Sogar im Land mit der besten Demokratie in der Welt. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass unsere demokratischen Rechte, an die wir immer noch glauben wollen, wirkungslos werden. Sie werden auch künftig bestehen, doch sie werden je länger je weniger nützen. Der Ja-Entscheid für ein Volksbegehren wird uns nicht garantieren, dass er umgesetzt wird. Nur eine Bewegung, die auf der Strasse beginnt, wird die Entmachtung des Volkes aufhalten können. Nur ein Aufstand der Menschen in unserem Land – wie wir ihn während Corona ansatzweise erlebten – wird uns die Freiheit, die man uns Stück für Stück raubt, zurückbringen können.
Ich habe deshalb Verständnis für alle, die am 22. Oktober nicht wählen gehen wollen. Wenn die da oben machen, was sie wollen, müssen wir da oben nicht mitmachen. Das leuchtet ein, und ich respektiere die realistische Sicht derer, die nicht mehr mitmachen wollen. Aber ich rufe euch zu – und ich sage es auch zu mir selbst: Wählt trotzdem! Wählt die Kandidaten der Freiheitsbewegung. Nur wenige Kandidierende werden es schaffen. Diese Wenigen werden den Staat in seinem Machtrausch nicht stoppen können. Aber das Parlament wird ihr Podium sein. Sie werden die Menschen erreichen können. Sie werden die Botschaft der Freiheit ins ganze Land hinausrufen können. Und die Medien werden es publizieren müssen.
Es gibt eine Redensart, die im ersten Moment wie ein Widerspruch klingt. Doch sie hat einen tieferen Sinn. Denn sie glaubt an die Kräfte des Guten, und sie lautet: Wir haben zwar keine Chance. Aber nutzen wir sie.
Erweiterte Fassung der Ansprache, die der Autor am vergangenen Samstag an der Wahlveranstaltung von «Aufrecht Schweiz» in St. Gallen gehalten hat.
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