Ein geplantes Leben und ein ungeplantes Ende

Der richtige Zeitpunkt. Kann man den verpassen? Der Schauspieler und Komiker Elias Wenger aus Bern ist sich sicher, für gewisse Dinge gibt es richtige und falsche Zeitpunkte. Oder nicht? Wenn er nicht gerade Theaterweiterbildungen belegt – was er dauernd tut – oder selbst Theaterkurse erteilt. Dann dreht er als Komiker Videos für seinen Youtube-Kanal Comedy Unkorrekt und spielt als Schauspieler auf Schweizer Strassen und Plätzen Improvisationskrimi oder bei plötzli.ch Online-Theater. Im Rahmen unserer Serie «Zeit.Punkt.» hat der 22-Jährige Tausensassa sich Gedanken zum Wort «Zeitpunkt» gemacht. Und Sie? Welche Assoziationen, Anekdoten und Geschichten verbinden Sie damit? Schreiben Sie uns!

© zvg

Als ich heute um zehn Uhr mit meiner Morgenlatte gegen die Tür lief und mir die Nase brach fiel mir ein: Scheisse, ich habe meine Beerdigung verpasst. Irgendwie fühlt es sich falsch an, beerdigt zu werden und selbst nicht dort zu sein. Man erwartet zwar, dass man nichts mitkriegt, so unter der Erde, aber dass man nicht einmal körperlich anwesend ist, das überraschte mich doch sehr!

Aber vielleicht gar nicht so schlecht, dass ich bei meiner Beerdigung etwas zu spät komme. Dann sehe ich immerhin, bevor ich in den Sarg springe, noch wer überhaupt da ist. Mein Vorsatz war schon mein Leben lang, ich gehe nur an Beerdigungen von Menschen, die zu meiner auch kommen.

Langsam bin ich davon überzeugt, dass es genauso ist, wie mein bester Freund gesagt hat: «Im Grunde sind Menschen wie Hühner, wenn du sie isst, sind sie tot. Das Sterben sollte für einen eingefleischten Veganer wie dich doch kein Problem sein, man kompostiert dich und fertig.» Als ich darüber nachdachte, klingelte es an der Haustür. Und wer war da vorzufinden? Mein bester Freund, und er verkündete glücklich und auf der Stelle, dass er mich jetzt zu meiner Beerdigung fahren werde. Auf die Entgegnung, dass ich noch gar nicht tot sei, sagte er nur, wir sind ja auch noch nicht dort.

Aber warum der Zeitpunkt meiner Beerdigung genau heute sein soll, ist mir nach wie vor unklar. Auf der sinnlichen Ebene war es mir schon klarer. Er war mein Sensenmann. Er war so zu sagen nur dafür da, um mir meine letzte Fahrt zu genehmigen.

Ich wollte immer so sterben wie mein Grossvater.

Gut, bei seinem Fahrstil überrascht es mich nicht, dass ausgerechnet er mich zu Grabe fährt. Ich wollte ja eigentlich immer so sterben wie mein Grossvater. Mein Grossvater ist gemütlich auf einem Autositz eingeschlafen. Auf keinen Fall möchte ich so angsterfüllt sterben wie sein Beifahrer. Unterwegs hielt uns die Polizei auf. Sie sagten zu ihm: «Wenn sie so weiter fahren, bringen Sie ihren Freund noch ins Grab.» Und er antwortete: «Das wäre das Ziel.» Für diese Antwort musste er natürlich blasen.

Was ich feststellte, war, abgesehen von der gebrochenen Nase, die ich mir beim Aufstehen geholt hatte, dass ich noch topfit und eigentlich gar nicht bereit war, den Löffel abzugeben. Irgendwie hatte ich keine Lust dazu, drei Meter unter der Erde nichts zu tun. Das ist sicher todlangweilig. «Vielleicht», überlegte ich, «ist genau das aber Sinn der Sache.»

Mein bester Freund führte mich ins nächstgelegene Friedhofshäuschen und übergab mich dort dem Pfarrer zum Probeliegen im Sarg. Der Pfarrer informierte mich nochmals über die Vor- und Nachteile vom Beerdigtwerden. Einer der Vorteile ist beispielsweise, der Bewegungsdrang bei ADHS verschwindet. Ein Nachteil ist, man kann auf keinerlei Allergien Rücksicht nehmen. Er fragte mich, ob ich nochmals aufs WC müsse, schloss dann den Sargdeckel und brachte mich zum Grab.

Denn schon bald döste ich weg. Ich träumte, ich werde lebendig begraben. Ich schreckte hoch aus diesem schrecklichen Traum und stiess mir den Kopf so dermassen am Sargdeckel an, dass ich danach tatsächlich ins Gras biss.

Youtube-Kanal: Comedy Unkorrekt

Theatergruppe plötzli.ch