Energie und Frieden sind vernetzt
Mit dem Erdöl ist es wie mit dem Bergsteigen: Wer einen Gipfel erklimmen will, muss auch wissen, wie er wieder runterkommt. Und er muss im Auge behalten, dass sich die meisten Unfälle beim Abstieg ereignen. Mit diesem eingängigen Bild illustrierte der Basler Historiker Daniele Ganser in einem Vortrag am Ökozentrum Langenbruck das grosse Problem der Erdölabhängigkeit. Unsere Zivilisation ist vom Erdöl komplett abhängig geworden, aber es gibt keinen Plan für den Ausstieg.
Warum sind wir so blind für die Gefahren der zu Ende gehenden Erdölreserven? Da spielen gemäss Ganser zwei weitere Faktoren eine Rolle: Einerseits kennen wir nichts anderes als einen scheinbaren Überfluss. Und andrerseits lesen wir «es reicht noch 40 Jahre» in der Zeitung – genug für uns – und blättern weiter zum Sport. Dass die Förderung bis dahin bei weiterhin steigendem Verbrauch abnimmt und damit zu markant höheren Preisen führt, blenden wir aus.
Die trügerische Sicherheit wird bewusst gefördert, u.a. von der Int. Energie-Agentur IEA in ihrem «Global Energy Outlook». Rund die Hälfte der für 2035 prognostizierten Förderung entfällt auf Ölfelder, die erst noch gefunden werden müssen. Dabei sind die neu entdeckten Vorkommen seit den 90er Jahren rückläufig, entsprechend sinkt auch die Förderung konventionellen Erdöls seit 2006. Den Rückgang der Entdeckungen illustriert Daniele Ganser mit dem «Osterhasen-Effekt»: Die grössten werden zuerst gefunden, an Weihnachten findet man vielleicht noch ein letztes Häschen hinter der Waschmaschine.
Wettgemacht wird die Lücke durch «unkonventionelles» Erdöl aus Teersand (mit enormen Kosten und Umweltschäden) und tiefen Meeren (mit erheblichen Risiken). Das sind höchst unsichere Quellen, die zudem zwingend zu markanten Preissteigerungen führen. Die Prognosen der IEA sind vielleicht geschönt und von den Interessen der Erdölindustrie bestimmt, aber sie bestimmen die Politik. Bis vor kurzem ging auch die offizielle Energiepolitik der Schweiz von den prognostizierten Fördermengen der IEA aus.
Die Kriege der letzten Jahrzehnte sind überwiegend Ressourcenkriege, das steht für den Historiker Ganser ausser Zweifel. Da kein Volk bereit ist, für Erdöl Krieg zu führen – Völker greifen generell nur in eindeutigen Situationen der Selbstverteidigung zu den Waffen -, müssen andere Gründe vorgeschoben werden. Den Ausschlag für den ersten Golfkrieg gegen den Irak gab die getürkte Geschichte, nach der irakische Soldaten in ein Kinderspital in Kuweit eingedrungen seien, die Babies auf den Boden geworfen und die Brutkästen weggeschleppt hätten. Inszeniert wurde die tränenrührige Geschichte am Vorabend der Kriegsabstimmung im amerikanischen Kongress von der PR-Agentur Hill&Knowlton mithilfe der Tochter eines kuwaitischen Botschaftsangestellten. Die angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak ein gutes Jahrzehnt später waren ebenso eine kriegswirksame Fiktion, die die Besitzverhältnisse über die drittgrössten Erdölreserven der Welt dauerhaft veränderten. Auch im Fall von Lybien mit den grössten Erdölreserven Afrikas und dem strategisch wichtig gelegenen Syrien werden Menschenrechte nach Ansicht von Ganser nur vorgeschoben. Nur: Historiker kommen naturgemäss erst hinterher zu den entscheidenden Erkenntnissen. Die Politik dagegen wird von ungesicherten und oft manipulierten Tagesereignissen bestimmt.
Gegen diese Kräfte kann der einzelne Mensch wenig unternehmen. «Aber wir haben die Wahl», sagt Ganser, «in welcher Gruppe wir mitmachen wollen»: Bei den fossilen Brennstoffen, die die Umwelt zerstören und immer wieder zu Kriegen führen oder bei den erneuerbaren Energien, die uns die Sonne und die Natur im Überfluss zur Verfügung stellen und um die keine Kriege geführt werden können.
Kaum eine Organisation steht so sehr für diese zweite Gruppe wie das Ökozentrum Langenbruck, an dem seit 33 Jahren die Grundlagen der nachhaltigen Energieversorgung erforscht, praktische Lösungen entwickelt und das dazugehörige Know-how verbreitet werden. Die bestehenden Gebäude wurden umfassend saniert, mit einer Forschungshalle erweitert und am 22. September der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Forschungshalle erlaubt nicht nur die Integration von externen Werkstätten, sondern auch die Durchführung von grösseren Anlassen. Es ist zu hoffen, dass das Ökozentrum davon Gebrauch macht. Es hat etwas zu sagen.
Vor kurzem erschienen:
Daniele Ganser: Europa im Erdölrausch – die Folgen einer gefährlichen Abhängigkeit. Oreel Füssli, 2012. 414 S. Fr. 37.90/€ 24.95
Der Peak-Oil-Experte und Friedensforscher, legt die erste Gesamtdarstellung zu Europas Erdöl-Abhängigkeit vor. Er schildert den Beginn der Erdölindustrie, das durch billige Energie angetriebene Wirtschaftswachstum, die Erdölkrisen der 1970er-Jahre und die Hintergründe des andauernden, blutigen Kampfs ums Erdöl bis hin zu den jüngsten Kriegen im Irak und in Libyen. Absoluten Neuigkeitswert hat Gansers Nachweis, dass beim konventionellen Erdöl weltweit bereits 2005 das Fördermaximum erreicht wurde.
Daniele Ganser ist Gründer und Leiter des Swiss Institute for Peace and Energy Research (SIPER) in Basel. www.siper.ch
Das Oekozentrum Langenbruck wurde umfassend saniert und erweitert. Foto: zvg
Ökozentrum Langenbruck, Schwengiweg 12 4438 Langenbruck
062 387 31 11. www.oekozentrum.ch
Warum sind wir so blind für die Gefahren der zu Ende gehenden Erdölreserven? Da spielen gemäss Ganser zwei weitere Faktoren eine Rolle: Einerseits kennen wir nichts anderes als einen scheinbaren Überfluss. Und andrerseits lesen wir «es reicht noch 40 Jahre» in der Zeitung – genug für uns – und blättern weiter zum Sport. Dass die Förderung bis dahin bei weiterhin steigendem Verbrauch abnimmt und damit zu markant höheren Preisen führt, blenden wir aus.
Die trügerische Sicherheit wird bewusst gefördert, u.a. von der Int. Energie-Agentur IEA in ihrem «Global Energy Outlook». Rund die Hälfte der für 2035 prognostizierten Förderung entfällt auf Ölfelder, die erst noch gefunden werden müssen. Dabei sind die neu entdeckten Vorkommen seit den 90er Jahren rückläufig, entsprechend sinkt auch die Förderung konventionellen Erdöls seit 2006. Den Rückgang der Entdeckungen illustriert Daniele Ganser mit dem «Osterhasen-Effekt»: Die grössten werden zuerst gefunden, an Weihnachten findet man vielleicht noch ein letztes Häschen hinter der Waschmaschine.
Wettgemacht wird die Lücke durch «unkonventionelles» Erdöl aus Teersand (mit enormen Kosten und Umweltschäden) und tiefen Meeren (mit erheblichen Risiken). Das sind höchst unsichere Quellen, die zudem zwingend zu markanten Preissteigerungen führen. Die Prognosen der IEA sind vielleicht geschönt und von den Interessen der Erdölindustrie bestimmt, aber sie bestimmen die Politik. Bis vor kurzem ging auch die offizielle Energiepolitik der Schweiz von den prognostizierten Fördermengen der IEA aus.
Die Kriege der letzten Jahrzehnte sind überwiegend Ressourcenkriege, das steht für den Historiker Ganser ausser Zweifel. Da kein Volk bereit ist, für Erdöl Krieg zu führen – Völker greifen generell nur in eindeutigen Situationen der Selbstverteidigung zu den Waffen -, müssen andere Gründe vorgeschoben werden. Den Ausschlag für den ersten Golfkrieg gegen den Irak gab die getürkte Geschichte, nach der irakische Soldaten in ein Kinderspital in Kuweit eingedrungen seien, die Babies auf den Boden geworfen und die Brutkästen weggeschleppt hätten. Inszeniert wurde die tränenrührige Geschichte am Vorabend der Kriegsabstimmung im amerikanischen Kongress von der PR-Agentur Hill&Knowlton mithilfe der Tochter eines kuwaitischen Botschaftsangestellten. Die angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak ein gutes Jahrzehnt später waren ebenso eine kriegswirksame Fiktion, die die Besitzverhältnisse über die drittgrössten Erdölreserven der Welt dauerhaft veränderten. Auch im Fall von Lybien mit den grössten Erdölreserven Afrikas und dem strategisch wichtig gelegenen Syrien werden Menschenrechte nach Ansicht von Ganser nur vorgeschoben. Nur: Historiker kommen naturgemäss erst hinterher zu den entscheidenden Erkenntnissen. Die Politik dagegen wird von ungesicherten und oft manipulierten Tagesereignissen bestimmt.
Gegen diese Kräfte kann der einzelne Mensch wenig unternehmen. «Aber wir haben die Wahl», sagt Ganser, «in welcher Gruppe wir mitmachen wollen»: Bei den fossilen Brennstoffen, die die Umwelt zerstören und immer wieder zu Kriegen führen oder bei den erneuerbaren Energien, die uns die Sonne und die Natur im Überfluss zur Verfügung stellen und um die keine Kriege geführt werden können.
Kaum eine Organisation steht so sehr für diese zweite Gruppe wie das Ökozentrum Langenbruck, an dem seit 33 Jahren die Grundlagen der nachhaltigen Energieversorgung erforscht, praktische Lösungen entwickelt und das dazugehörige Know-how verbreitet werden. Die bestehenden Gebäude wurden umfassend saniert, mit einer Forschungshalle erweitert und am 22. September der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Forschungshalle erlaubt nicht nur die Integration von externen Werkstätten, sondern auch die Durchführung von grösseren Anlassen. Es ist zu hoffen, dass das Ökozentrum davon Gebrauch macht. Es hat etwas zu sagen.
Vor kurzem erschienen:
Daniele Ganser: Europa im Erdölrausch – die Folgen einer gefährlichen Abhängigkeit. Oreel Füssli, 2012. 414 S. Fr. 37.90/€ 24.95
Der Peak-Oil-Experte und Friedensforscher, legt die erste Gesamtdarstellung zu Europas Erdöl-Abhängigkeit vor. Er schildert den Beginn der Erdölindustrie, das durch billige Energie angetriebene Wirtschaftswachstum, die Erdölkrisen der 1970er-Jahre und die Hintergründe des andauernden, blutigen Kampfs ums Erdöl bis hin zu den jüngsten Kriegen im Irak und in Libyen. Absoluten Neuigkeitswert hat Gansers Nachweis, dass beim konventionellen Erdöl weltweit bereits 2005 das Fördermaximum erreicht wurde.
Daniele Ganser ist Gründer und Leiter des Swiss Institute for Peace and Energy Research (SIPER) in Basel. www.siper.ch
Das Oekozentrum Langenbruck wurde umfassend saniert und erweitert. Foto: zvg
Ökozentrum Langenbruck, Schwengiweg 12 4438 Langenbruck
062 387 31 11. www.oekozentrum.ch
18. Oktober 2012
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