Hildebrand: Ein General zieht sich aus dem Währungskrieg zurück

Jetzt ist er also doch gegangen. Und mit was für einer Begründung: Er könne aber seine Unschuld nicht beweisen. Dadurch sei seine Fähigkeit, schwierige Entscheidungen durchzubringen kompromittiert.

Das klingt glaubhaft und ermöglicht ihm einen aufrechten Abgang. Aber es bleibt ein schaler Nachgeschmack. Seit dem 23. Dezember wurde immer nur gerade so viel zugegeben, wie  absolut nötig. Vermutlich hätten ihn die in der Zwischenzeit aufgetauchten oder noch zu erwartenden Dokumente aus der längerfristigen Prüfung seiner Konten doch in ernsthafte Schwierigkeiten bringen können. Mehr als sein Ehrenwort hatte er allerdings nichts zu bieten.

Das Kesseltreiben der SVP dürfte unmittelbar zu seinem Rücktritt geführt haben. Das ist bedauerlich und leistet einer unnötigen «Parteipolitisierung» der Nationalbank Vorschub. Verstehen kann man den Rücktritt allerdings nur vor dem Hintergrund des Finanzkrieges, der die Welt seit ein paar Jahren in Atem hält und in dem Hildebrand einer der massgebenden Generäle war. In diesem Krieg kann man fast nichts richtig machen und vor allem lässt sich der Erfolg einer Massnahme erst viel später beurteilen. Beispiel: Euro-Kursuntergrenze. Mit dieser Massnahme werden zwar die in der Schweiz hergestellten Produkte im Ausland verbilligt, aber im gleichen Masse die Importe verteuert. Ob der Saldo für die Schweiz vorteilhaft ist, bleibt fraglich. Zudem setzt sich die Nationalbank einem enormen Risiko aus, auf überteuert eingekauften Euros sitzenzubleiben und ausländische Spekulanten zum Ausverkauf in der Schweiz einzuladen.
Das Problem, das die SNB mit der Untergrenze lösen will, betrifft ja die spekulative Nachfrage nach Schweizer Franken, nicht die Realwirtschaft. Mit dem Geld, das nun für überteuerte Euros ausgegeben wird, hätte man genauso gut die Exporte verbilligen können. Oder man hätte gezielt die Spekulation eindämmen können. Diese Massnahmen gehen freilich über die Instrumente und Kompetenzen der Nationalbank hinaus und hätten eine breitere Diskussion und mehr Konsens erfordert. Wie auch immer: Hildebrands Weg, der wohl fortgesetzt wird, ist eine Gratwanderung ohne Umkehrmöglichkeit.

Solche Massnahmen stellen die Verantwortlichen unter einen enormen Druck. Ihre Entscheide setzen die Vermögen von Millionen von Menschen der Willkür der Finanzmärkte aus. Das ist schwer auszuhalten, wie die Rücktritte von Jürgen Stark als Chefökonom der EZB oder von Horst Köhler zeigen, der als deutscher Bundespräsident eine wichtige Rolle in der Finanzkrise gespielt hatte.

Hildebrand ist als ehemaliger Spitzensportler ein ehrgeiziger Mensch und vermutlich auch ein guter Schauspieler. Er hat in den letzten Tagen erkannt, dass er nur mit der Wahrheit Bestand haben kann. Ob er sie tatsächlich gesagt oder nur gespielt hat, werden wir nun wohl nicht mehr erfahren. Die Welt des ganz grossen Geldes ist eine Scheinwelt, die Werte in den Bilanzen sind geschönt. Ein Körnchen Wahrheit kann in dieser fiktionalen Realität auch einen Mann zu Fall bringen, der sich scheinbar souverän darin bewegte.

Der Fall von Hildebrand ist nicht nur eine Personalie. Er zeigt auch, wie fragil die Welt eines Geldes geworden ist, das zum grössten Teil von den privaten Banken in Umlauf gebracht wird, mit minimaler Kontrolle durch staatliche Institutionen. Es ist zu hoffen, dass der Rücktritt Hildebrands eine breitere Diskussion über die Geldschöpfung und die Rolle der Nationalbank auslöst. Ein aufschlussreicher Diskussionsbeitrag erscheint Ende Januar unter dem Titel «Die Vollgeld-Reform – wie Staatsschulden abgebaut und Finanzkrisen verhindert werden können». Drei Professoren, Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Vereins «Monetäre Modernisierung» erklären in dem Buch, wie die Geldschöpfung durch die privaten Banken funktioniert und wie sie wieder vollumfänglich in die Hände der Nationalbank gelegt werden können. Mehr dazu: «Mit Vollgeld aus der Krise»



Verein Monetäre Modernisierung (Hrsg.): Die Vollgeld-Reform – wie Staatsschulden abgebaut und Finanzkrisen verhindert werden können.
Mit Beiträgen von Hans Christoph Binswanger, Joseph Huber und Philippe Mastronardi. Edition Zeitpunkt, 2012. 80 Seiten, Fr. 12.50 / Euro 9.50. ISBN: 978-3-9523955-0-9

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Ich bewundere Ihre Spürnase. Woher nehmen Sie denn diese absolute Überzeugung her, dass er noch max. 6 Monate Chef der Nationalbank sein wird? Und schon 2 Monaten nach Erscheinen des Zeitpunkts Nr. 116/November 2011 ist der Mann schon weg!!
Carmen Hofmänner, 6661 Loco