Hilfe, ich bin Arzt!
«125 Franken pro Stunde im Minutentakt abgerechnet…» symbolisieren den Kniefall der Medizin vor der Ökonomie.
Ein offener Brief von Dr. med. Christian Larsen an seine Patienten.
Ein offener Brief von Dr. med. Christian Larsen an seine Patienten.
«Ich will eine Medizin für Patienten machen»
Bereits als 3-jähriger Knirps wollte ich Arzt werden. Und ich bin bis heute gerne Arzt, mehr denn je. Bewusst habe ich bei der Praxisgründung auf drei Dinge verzichtet: Röntgen, Labor und Medikamentenabgabe. Was bleibt, ist die Sprechstunde: gut zuhören, genau untersuchen, scharf überlegen, Therapieziele vereinbaren, Erfolgskontrollen durchführen, Selbstvertrauen wecken... Jahr für Jahr befähigen wir 4000 Patienten mit Beschwerden des Bewegungsapparats, bestmöglich damit umzugehen. Und vermeiden so rund 200 Operationen pro Jahr. Systematische Outcome-Messungen (der Stiftung Qualitouch®) dokumentieren den Erfolg: Bei Patienten mit chronisch-starken Schmerzen beispielsweise, gelingt es uns, die Schmerzen nach sieben Therapieeinheiten nahezu zu halbieren.
«Der 1-Min & 2-Franken-Rhythmus ist eine veritable Demütigung»
Bundesrat Alain Berset hat zum Angriff gegen die Kostenexplosion im Gesundheitswesen geblasen. Per 1. Januar 2018 tritt der bundesrätlich zwangsrevidierte Tarmed-Tarif in Kraft. Ich greife zwei für die Sprechstundentätigkeit entscheidende Details heraus. Erstens: Wenn Sie als Patient mir gegenüber sitzen, gilt ein Stundenansatz von CHF 125. Zweitens: Wenn ich in Ihrer Abwesenheit Dinge für Sie erledige – einen Bericht schreibe, Röntgenbilder analysiere, die Mutter eines Kindes anrufe oder mit einem Therapeuten Rücksprache nehme, muss ich diese Tätigkeit im Minutentakt für CHF 2 pro Minute abrechnen. Eine veritable Demütigung.
Zum Vergleich: Mein Hauselektriker verrechnet CHF 140 pro Stunde, der Tierarzt CHF 200, der Steuerberater CHF 220, der Rechtsberater CHF 380. Ich will nicht jammern, Geld war nie meine primäre Motivation. Aber: Bruttoeinnahmen von CHF 120 bis 125 pro Stunde haben für Arzt und Patient Konsequenzen:
• Keine Arztpraxis kann so vernünftig betrieben werden – was Ärzte systematisch zu «Nebeneinnahmen» via Labor, Medikamenten, Röntgen usw. zwingt
• Der Nachwuchs wird sich auf wenige Idealisten beschränken. Der freie Arztberuf wird aussterben, die Verstaatlichung der Medizin wird schleichend Realität.
• Der administrative Aufwand für die minutengenaue Dokumentation und Leistungserfassung ist unverhältnismässig und einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung wesensfremd.
«Appell statt Skalpell»
Und jetzt? Richtig: Guter Rat ist teuer. Selbstverständlich habe auch ich mir Gedanken gemacht, in welche Richtung Lösungen zu suchen sind. Aber davon will ich Sie im Moment verschonen. Stattdessen ein Appell: Solidarisieren Sie sich mit den Ärzten Ihres Vertrauens! Patient und Arzt stehen auf der gleichen Seite. Lassen Sie es nicht zu, dass der Spaltpilz vermeintlicher ökonomischer Zwänge die uralte hippokratische Allianz zwischen Patient und Arzt zerstört. Legen Sie sich nicht leichtfertig unters Messer, seien Sie vorsichtig mit der Verlängerung des Lebens am Lebensende um jeden Preis. Unterstützen Sie Ärzte, Therapeuten und Ökonomen, die sich explizit für die Wiederbelebung dieser Allianz und für eine menschliche Medizin einsetzen. Zum Beispiel die Akademie Menschenmedizin.
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Dr. med. Christian Larsen ist Begründer der Spiraldynamik, die fünf medizinische Zentren in der Schweiz betreibt und in über zwei Dutzend spezialisierten Praxen in der Schweiz und in Deutschland angeboten wird.
www.spiraldynamik.com
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