In ihrem Buch «Ein bisschen Diktatur gibt es nicht» berichtet sie eindrücklich über ihr Leben in der DDR, ihre zwei Fluchtversuche und ihre Inhaftierungen. Sie musste lernen, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist. Aus diesem Grund klärt Werwigk-Schneider über die Methoden der Stasi, die Überwachungen und Bespitzelungen und die fehlende Menschlichkeit des Unrechtsregimes der DDR auf. Demokratie ist zerbrechlich, wie es die aktuelle politische Entwicklung – die Erstarkung der Randparteien – zeigt. Mit ihrem Buch kämpft sie gegen verklärende Ostalgie an und für die Stärkung unserer Demokratie: Denn ein bisschen Diktatur gibt es nicht. Das Buch erscheint am 1. September.
Renate Werwigk-Schneider ist in der DDR aufgewachsen. Nach Fluchtversuchen 1963 und 1967 wurde sie jeweils inhaftiert und erfuhr in den Haftanstalten Hohenschönhausen und Hoheneck die Härte des DDR-Regimes. 1968 gelang der Freikauf durch die Bundesrepublik, und sie arbeitete anschliessend als Kinderärztin in West-Berlin. Durch ihr Engagement als Zeitzeugin kämpft die inzwischen über 80-Jährige unermüdlich für Demokratie, Menschenrechte und Freiheit und möchte insbesondere jungen Menschen die DDR-Geschichte nahebringen.
Ein Auszug:
Der kurze Aufenthalt im Untersuchungsgefängnis von Potsdam war schon grauenvoll. Aber was danach kam, war schlimmer. Man verfrachtete mich in eine der berüchtigten Minnas. Das waren getarnte Lieferwagen der Marke Tatra, auf denen VEB Getränke, Fisch, Obst, Gemüse oder Ähnliches stand. Wohin ich im Fleischereibedarf-Wagen transportiert wurde, erfuhr ich erst wesentlich später. Es ging in die Untersuchungshaftanstalt nach Hohenschönhausen, die übrigens über Jahre ein weisser Fleck auf den Landkarten der DDR war.
Die rund um das Gelände liegenden Strassen waren durch Schranken mit Wachposten blockiert, so dass auch keiner in dieses abgesicherte Gebiet kam. Das Gefängnis war bekannt für seine Einzelhaft und Isolationsfolter. Für mich begann nun die dunkelste Zeit meines Lebens. Ich wusste nicht, wo ich war. Ich wusste nicht, was mit mir geschehen würde. Ich wusste aber, dass ich eingesperrt bin und vorläufig nicht die geringste Chance hatte, zu entkommen. Es war finster, kalt und feucht. Zum ersten Mal spürte ich ein Gefühl völliger Hilflosigkeit. Ich hatte keine Kontrolle mehr, bekam keine Antworten; nur Schweigen und Ungewissheit, finstere Mauern umgaben mich.

Renate Werwigk-Schneider: «Ein bisschen Diktatur gibt es nicht. Mein Weg aus der DDR in die Freiheit», 206 Seiten, Westend Verlag, 1.9.2025