Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bemühten sich Gruppen verschiedener Länder um einen gemeinsamen Antikriegstag bzw. Friedenstag. Kirchliche Gruppen in England legten einen Sonntag vor Weihnachten fest, katholische Gruppen in Deutschland den 1. Januar, wo auch der Papst seinen Friedenssegen spricht.
Am 22.2.1896 trafen sich im Atelier des Malers Felix Moscheles in Grossbritannien pazifistische Künstler, u.a. Bernhard Shaw, sowie einige Minister zu einer Kundgebung für eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit, welche Kriege durch rechtzeitige Klärung von Streitfragen verhindern sollte. Diese Kundgebung erregte so grosse Aufmerksamkeit, dass pazifistische Organisationen sich dafür einsetzten, zukünftig in jedem Jahr am 22. Februar in allen Ländern ähnliche Friedensdemonstrationen abzuhalten.
So wurden ein Jahr später in etwa 600 Städten gleichzeitig Kundgebungen durchgeführt, auf denen eine Resolution angenommen wurde, die vorher vom Internationalen Friedensbüro verfasst worden war.
18. Mai: Haager Friedenskonferenz
Am 18.5.1898 begann die erste Haager Friedenskonferenz mit staatlichen Vertretern aus 26 Nationen. Zur Schlichtung zwischenstaatlicher Konflikte wurde die Errichtung eines internationalen Schiedsgerichtshofes mit Sitz in Den Haag beschlossen – das war eine Hauptforderung der internationalen Friedensbewegung. Der 18. Mai wurde danach als Friedenstag begangen, bis 1914. In den Niederlanden und den USA überlebte er sogar den 1. Weltkrieg – bis 1932.
Im Jahr 1924 rief der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) zu einem internationalen Antikriegstag am dritten Sonntag im September auf: An dem Tag, dem 21. September 1924, begann in Genf die erste Völkerbundsversammlung. Dort sollten «Beschlüsse über Schiedsgericht, Sicherheit und Abrüstung» gefasst werden, die - wie die Presse euphorisch schrieb - «Wege zum Weltfrieden» sein könnten.
Doch die Geschichte wollte es anders. Deutschland begann 1928 mit der Wiederaufrüstung, die Antikriegsbewegung musste damals bereits ohnmächtig den Aufstieg kriegstreibender Kräfte mitansehen. 1932 verzichtete das Organ der Deutschen Friedensgesellschaft «Das andere Deutschland» auf seine traditionelle Nie-wieder-Krieg-Sondernummer und stellte fest: der Krieg sei zu einer Gegenwartserscheinung geworden.
Der Antikriegstag nach dem zweiten Weltkrieg
Am 1. September 1957 wurde in der BRD zum ersten Mal der «Antikriegstag» begangen – es war der Tag des deutschen Überfalls auf Polen 1939, der als Beginn des Zweiten Weltkriegs gilt. Dazu aufgerufen hatte die «Antimilitaristische Aktion», ein Bündnis verschiedener sozialistischer Jugendverbände und Wehrdienstverweigerer. Es zeigte sich jedoch bald, dass das Motto: «Nie wieder Krieg» nicht präzise genug war – die Wege zum Frieden wurden auch damals schon sehr unterschiedlich gesehen. Das war eine inhaltliche Bruchstelle, die später zu Spaltungen führte.
In den 50er und 60er Jahren stand der 1. September meist im Schatten der Ostermärsche, die 1960 von britischen PazifistInnen initiiert wurden. In den Siebziger Jahren setzte sich durch die Entspannungspolitik von Willi Brandt die Meinung durch, dass die Welt sicherer würde – damit ebbten auch die Friedensmärsche ab. Doch die Ostverträge beendeten das Wettrüsten nicht. Also rief der Deutsche Gewerkschaftsbund den 1.9.1979 unter dem Motto: «Nie wieder Krieg! Abrüstung - Gewinn für uns!» erneut zum Antikriegstag aus.
Die Hochrüstung der Ost-West-Mächte, aber auch der sich verschärfende Nord-Süd-Konflikt alarmierten viele Menschen und führten zum Entstehen einer übergreifenden Friedensbewegung. 1981 fand eine deutschlandweite Unterschriftenaktion gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa und die Produktion von Atomwaffen statt. Am 10. Oktober desselben Jahres fand die erste zentrale Grossdemonstration in Bonn statt, ein Sternmarsch zum Bonner Hofgarten – ein breites Bündnis pazifistischer, politischer und christlicher Gruppen, ganz stark auch unter Beteiligung der neu gegründeten Grünen Partei, die sich damals den Pazifismus auf die Fahnen geschrieben hatten: «Frieden schaffen ohne Waffen». Bis zum Antikriegstag am 1. September 1982 wurde der Aufruf von 1,5 Millionen Menschen unterschrieben.
Das Jahr 1983, in dem der Nato-Doppelbeschluss in Westeuropa in Kraft gesetzt werden sollte, war für die gesamte Friedensbewegung von besonderer Bedeutung. Der Antikriegstag am 1. September 1983 stand ganz im Zeichen dieser Diskussion. Zahlreiche Veranstaltungen wurden im gesamten Bundesgebiet durchgeführt.
Doch am 22. November 1983 sprach sich der Deutsche Bundestag für die Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles in der Bundesrepublik aus. 1983, das Jahr in dem sich zum fünfzigsten Male die nationalsozialistische Machtergreifung in Deutschland jährte, wurde zum Stationierungsjahr.
Die Entwicklung des Antikriegstags seit Mitte der 80er Jahre
Mit der Entspannung zwischen Ost und West wurde es für die Friedensbewegung schwieriger, für Aktivitäten zum Antikriegstag zu mobilisieren. Die Welt schien friedlicher zu werden, und es schien einen gesamtgesellschaftlichen Konsens über Abrüstung, Rüstungskonversion und aussenpolitischer Entspannung zu geben – Proteste erschienen da unnötig. Dabei wurde nicht beachtet, wie sehr sich viele aussenpolitischen Konflikte insbesondere im Nord-Süd-Verhältnis, aber auch innerhalb Europas verschärften. Mit scheinheiligen Schlagworten wie «Weltinnenpolitik», «Verantwortung Deutschlands» und «das Erwachsenwerden deutscher Aussenpolitik» begann die deutscher Aussenpolitik, immer militaristischer zu werden.
Über «Out of area»-Einsätze der Bundeswehr, über die Rechtmässigkeit und den Sinn solcher Einsätze wurde seit Anfang der 90er Jahre heftig debattiert. 1999 wurde schliesslich im Kosovo die neue NATO-Strategie mit deutscher Beteiligung erprobt. Die bis dato sich als pazifistisch beschreibenden Parteien der Grünen und der SPD, insbesondere Joschka Fischer und Rudolf Scharping, begründeten die Bombardierungen ideologisch aufgeladen als Intervention für die Menschenrechte. So wurde der Krieg in Deutschland «als kleineres Übel» breit akzeptiert. Seitdem ist eine deutsche Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wieder möglich.
Der deutschen Friedensbewegung gelang es nicht, dagegen zu mobilisieren. Trotz des offensichtlichen Scheiterns der militärischen Eingriffe – die NATO-Intervention löste ja die Flüchtlingskatastrophe im Kosovo erst aus – setzen Bundesregierung und NATO bis heute auf militärische Interventionen, die Militarisierung der deutschen Aussenpolitik wird fortgesetzt.
Die rot-grüne Bundesregierung hatte zwar das Motto: «Deutsche Aussenpolitik ist Friedenspolitik». Sie erlaubte aber nach der Jahrtausendwende den Umbau der deutschen Bundeswehr für die Möglichkeit von Auslandseinsätzen und genehmigte Rüstungsexporte auch in Länder, die für ihre schlechte Menschenrechtslage bekannt sind.
Auch die US-Administration trieb nach dem 11. September das weltweite Wettrüsten wieder an, um einer angeblichen Bedrohung durch «Schurkenstaaten» begegnen zu können.
Am Antikriegstag wurde seither gegen die Angriffskriege der NATO (z.B. gegen Serbien), gegen den weltweiten Krieg gegen den Terror, gegen Rüstungsexporte, die Bombardierungen Afghanistans, die Nutzung völkerrechtlich geächteter Waffen wie Clusterbomben und Uranmunition durch die USA, gegen Sozialabbau für Aufrüstung, gegen die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in aller Welt protestiert. So erkannten Teile der Friedensbewegung 2014 die Brisanz der Ukraine-Krise und forderte Interessenausgleich und Zusammenarbeit mit Russland.
Von heute her gesehen, war die Friedensbewegung zu allen Zeiten klüger und vorausschauender als die Politik. Sie vermochte dennoch nicht, Kriege zu verhindern. Nutzen also Friedensaktionen überhaupt?
Auf jeden Fall – jede einzelne Stimme der Vernunft ist eine Orientierung für andere. Vor allem, wenn sie gut informiert ist und die Zusammenhänge auch aus der Geschichte kennt. Und Demonstrationen sind unter anderem auch Volksbildungseinrichtungen: Dort kommen Argumente zu Wort, die in den grossen Medien nicht mehr veröffentlicht werden - dort finden Diskussionen statt, denen man in anderen Zusammenhängen aus dem Weg geht.
Die Informationen zu diesem Beitrag stammen von der Webseite der Friedenskooperative.
Hier finden sich Termine zum Antikriegstag - und überhaupt zu Veranstaltungen rund um Frieden in ganz Deutschland: www.friedenskooperative.de/termine?thema=70