Vernünftig: eine winzige Steuer auf alle Transaktionen
Nach jahrelanger Vorbereitung ist die Volksinitiative für eine Mikrosteuer endlich am Start. Die Steuer von 1 bis 5 Promille auf jeder Transaktion soll genug Einnahmen bringen, um die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer und die Stempelsteuer abzuschaffen. Die Initiative zielt auf die Spekulation und den umstrittenen Hochfrequenzhandel.
Die virtuelle Welt des Geldes ist ziemlich verrückt: Die meisten Menschen glauben vermutlich, die Mehrheit der Transaktionen diene der Abwicklung realwirtschaftlicher Vorgänge – dem Kauf von Gütern und der Bezahlung von Löhnen, Aufträgen und Gebühren. Aber die Realität sieht anders aus: Je nach Börsenstimmung ist das Volumen der rein finanziellen Transaktionen (Handel mit Wertpapieren und Währungen) 50 bis 80 mal grösser als die realwirtschaftliche. Der schweizerische Zahlungsverkehr lag 2018 bei rund 40’000 Mrd., ungefähr dem Sechzigfachen des Bruttoinlandprodukts.
Die Finanzwelt verhält sich wie ein irrer Kunde, der am Ladentisch sein Geld 50 mal von einem Portemonnaie ins andere umschichtet, bis er endlich bezahlt. Dieses Hinundher, das zum grössten Teil automatisch von Hochleistungscomputern abgewickelt wird, ist natürlich mit Gewinnen verbunden, die – ohne Wertschöpfung und Leistung! – bei denen anfallen, die über die nötigen Mittel verfügen. Es liegt nahe, dieses Geschäft steuerlich zu belasten.
Dies ist die Idee der beiden Ex-Banker Felix Bolliger und Jacob Zgraggen, die schon vor Jahren die Mikrosteuer in die Diskussion brachten. Angesichts der gigantischen Summen, die im Finanzuniversum hin- und hergeschoben werden, würde eine Besteuerung von ein paar Promille theoretisch bereits genügen, sämtliche anderen Steuern abzuschaffen. In der Anfangszeit der Diskussion um die Mikrosteuer war auch tatsächlich die Rede davon. Aber das ist unrealistisch.
Mit einer Mikrosteuer wird der Hochfrequenzhandel, mit dem innert Nanosekunden kleinste Gewinne erzielt werden, nämlich unrentabel und wird eingestellt – oder er verlässt die Schweiz und kann nicht mehr besteuert werden. Damit schrumpft auch die Basis, die besteuert werden kann.
Wie gross der Ertrag der Mikrosteuer sein wird, kann niemand genau sagen – ausser der Schweiz. Nationalbank. Und die veröffentlicht das Transaktionsvolumen der Girokonten seit 2013 ohne stichhaltige Gründe nicht mehr. Deshalb gibt die Mikrosteuer-Initiative eine Bandbreite von 1 bis 5 Promille an, die jährlich festgelegt wird und genügen soll, um die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer und die Stempelsteuer ersatzlos zu streichen.
Die Mikrosteuer – für alle gleich – würde unser Steuersystems erheblich vereinfachen, gerechter machen und ein «Providurium» beenden: Die direkte Bundessteuer wurde 1940 temporär als «Wehrsteuer» eingeführt und in der Folge jeweils periodisch verlängert. Die Mehrwertsteuer ihrerseits ist eine Steuer, die untere Einkommensschichten, die einen grösseren Anteilen ihres Einkommens für den Konsum ausgeben, vergleichsweise stärker belastet. Zudem ist sie kompliziert, mit mehreren Sätzen und Tausenden von Ausnahmen. Die Abschaffung der Stempelsteuer ihrerseits wird seit Jahren von den Banken gefordert.
Das Problem der Mikrosteuer besteht darin, dass sie keine Lobby hat. Die NZZ hat schon mehrmals gegen sie angeschrieben und zuletzt als «Hokuspokus» bezeichnet. Das Initiativkomitee ist zwar mit den Professoren Marc Cheney, Sergio Rossi, Anton Gunzinger und Beat Bürgenmeier prominent besetzt. Aber Kampagnenerfahrung haben nur Franco Cavalli, der ehemalige Fraktionspräsident der SP und der ehemalige Vizekanzler Oswald Sigg. Und die tendieren gegen das Ende ihrer politischen Laufbahn.
Mit vernünftigen Argumenten allein lässt sich heute kein politisches Projekt mehr realisieren. Dazu braucht es auch mediale Schlagkraft und eine breite Basis, die auf der Strasse Unterschriften sammelt und vor der Abstimmung als Multiplikatoren funktioniert. Beides ist der Initiative zu wünschen, Denn die Mikrosteuer «ist politisch nicht links und nicht rechts», wie die Initianten schreiben. »Sie ist digital und fair. Sie besteuert nicht die Arbeit, sondern das Geld.» Dem kann man nur zustimmen.
Weitere Informationen: https://mikrosteuer.ch
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