Drei Fragen an Regine Helbling vom Berufsverband der Künstler
Kunstschaffende sind von der Pandemie besonders hart getroffen. Dies kann «Visarte», der Berufsverband der visuell schaffenden KünstlerInnen in der Schweiz, nur bestätigen. Die Geschäftsleiterin Regine Helbling erklärt, wie und wo Betroffene die nötige Unterstützung in der Krise erhalten.
Zeitpunkt: Frau Helbling, verschiedene KünstlerInnen berichten, dass sie wegen den Coronamassnahmen in existenzielle Nöte geraten sind. Wie schätzen sie die Lage nach Ihrer Erfahrung ein?
Regine Helbling: Die Coronakrise trifft die Kulturschaffenden aller Sparten besonders hart. MusikerInnen und darstellende KünstlerInnen wie SchauspielerInnen und TänzerInnen haben keine Auftritte mehr und AutorInnen können keine Lesungen mehr halten. Ausserdem waren während des Lockdowns die Buchhandlungen und Bibliotheken zu. Und Ausstellungen von bildenden KünstlerInnen werden geschlossen und abgesagt. Sie haben kein Publikum mehr, was sich einerseits auf die Verkäufe ihrer Werke, aber auch auf die weitere Ausstellungstätigkeit auswirkt. Denn da so viele Ausstellungen verschoben werden, haben Institutionen kaum die Möglichkeit, neue zu planen. Wegen all der Absagen fällt für die KünstlerInnen der grösste Teil ihrer Honorare und Gagen weg. Aufgrund der herrschenden Planungsunsicherheit, deren Ende im Moment noch nicht absehbar ist, wird die Krise für die Kulturschaffenden auch noch längere Zeit anhalten. Veranstaltungen brauchen häufig eine lange Vorlaufzeit. Deshalb kann die Kulturbranche nicht einfach wieder öffnen, wenn sich die Situation der Pandemie verbessert.
Der Bund bietet über den Verband «Suisseculture Sociale» eine Nothilfe für Kulturschaffende an, wenn sie über die Erwerbsersatzordnung keine Unterstützung erhalten. Das sind im Durchschnitt lediglich 1500 Franken im Monat. Reicht diese Massnahme und ist sie für die Zukunft tragfähig?
Die Nothilfe über Suisseculture Sociale ist für diejenigen gedacht, die ihren Lebensunterhalt mit ihren Einnahmen nicht mehr decken können. Wenn Kulturschaffende über ihre AHV-Ausgleichskasse bereits Corona-Erwerbsersatz bekommen haben, können sie auch ein Gesuch auf Nothilfe stellen. Diese Beiträge werden dort aber angerechnet. Suisseculture Sociale berechnet das Defizit der Kulturschaffenden, das heisst die Differenz zwischen dem Einkommen, das noch vorhanden ist, und den Ausgaben, die zu decken sind. Diese Differenz wird seit April für Perioden von jeweils zwei Monaten ausbezahlt. Im Moment –für Oktober bis Dezember – für drei Monate. Die 1500 Franken pro Monat ist ein Durchschnittswert, es wird allerdings der jeweils individuell berechnete Bedarf bezahlt. Die Nothilfe ist laut dem Covid-Gesetz bis Ende 2021 gesichert. An einer längerfristigen Unterstützungsmöglichkeit wird gearbeitet.
Gibt es für KünstlerInnen weitergehende Unterstützung, wenn sie in Not geraten?
Neben dem Corona-Erwerbsersatz und der Nothilfe bei Suisseculture Sociale gibt es die Ausfallentschädigung für Kulturunternehmen, die davon auch einen Anteil der Honorare an die KünstlerInnen auszahlen sollten. Ob, wie im Frühling, auch einzelne Kunstschaffende wieder Ausfallentschädigungen beantragen können, wird in diesen Tagen im Parlament diskutiert und entschieden. Daneben gibt es für angestellte oder freischaffende KünstlerInnen die Kurzarbeitsentschädigung oder die Möglichkeit Arbeitslosengeld zu beantragen. Verschiedene Kantone und Städte gewähren weitergehende Unterstützung: einmalige Unterstützungsbeiträge und Mieterlasse sowie Aktionen wie zum Beispiel Werkankäufe bei bildenden KünstlerInnen. Eine gute Anlaufstelle sind für alle Kulturschaffenden die Berufsverbände der verschiedenen Sparten oder Suisseculture Sociale. Dort werden sie in Bezug auf ihre individuelle Situation persönlich beraten.
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