Anzeige gegen das Schweizer Fernsehen wegen «Schreckung der Bevölkerung»

Die Sendung «Puls» behauptete fälschlicherweise, ein Viertel der Infizierten sei von Long Covid betroffen. Aufgrund der Schadwirkung der Sendung (Nocebo-Effekt) vermutet die Anzeige auch fahrlässige Körperverletzung

(Screenshot srf)

Gegen das Schweizer Fernsehen und die Macher der Sendung «Puls» ist eine Strafanzeige eingereicht worden wegen «Schreckung der Bevölkerung» nach Art. 258 des Strafgesetzbuches. Konkret geht es um eine Sendung vom 1. März 2021, in der behauptet wird, ein Viertel der mit SARS-CoV-2 Infizierten sei von «Long Covid» betroffen. Die Behauptung ist unzutreffend. Die in der zugrundeliegenden Studie genannten Einschränkungen werden von SRF unterschlagen.

«Long Covid: Jugend schützt nicht vor Langzeitfolgen» – unter diesem Titel strahlte das Schweizer Fernsehen am 1. März 2021 im Magazin «Puls» eine Sendung aus, nach der eine Covid-19-Erkrankung langanhaltende Spätschäden zur Folge haben, die sich in unerklärbaren Erschöpfungszuständen oder Depressionen äussern. Daran sollen namentlich auch junge Patienten leiden, selbst bei einem milden Verlauf von Covid-19. Jeder Vierte soll betroffen sein.

Gemäss der Anzeige kommen für die Sendung zwei Straftatbestände in Betracht

  • «Schreckung der Bevölkerung» nach Art. 258 des Strafgesetzbuches:
    «Wer die Bevölkerung durch Androhen oder Vorspiegeln einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum in Schrecken versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»
  • und «fahrlässige Körperverletzung» nach Art. 125:
    «Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Frei­heitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»


Gemäss Dr. Kai von Massenbach, der die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Zürich eingereicht hatte, habe die Sendung eine «schwerwiegende schädigende Wirkung» auf die Bevölkerung «verfolgt oder zumindest in Kauf genommen». Aus diesem Grund sieht er eine strafrechtliche Prüfung des Vorgangs als «dringend geboten» an.

Die Anzeige beruft sich auf zwei Kernaussagen der Sendung:

  • Jeder Vierte entwickelt nach einer erlittenen SARS-CoV-2 Infektion «Long Covid»-Symptome.
  • Es besteht eine kausale Beziehung zwischen einer durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion und dem Auftreten der Symptome, die unter der Bezeichnung «Long Covid» subsummiert werden.

Den Verantwortlichen wirft der Ökonom und Psychologe von Massenbach vor, die Sendung habe darauf abgezielt, bei Personen, die eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben oder noch durchmachen werden, die Angst vor einem hohen Risiko von «Long-Covid»-Symptomen zu schüren, ungeachtet des Alters. Dies könne den sogenannten und seit längerem untersuchten Nocebo-Effekt auslösen. Dessen Schadwirkung trete auch auf, wenn die «glaubhaft vermittelte Information falsch ist». Kai von Massenbach beantragt deshalb, die Sendung auch hinsichtlich «fahrlässige Körperverletzung» (StGB 125) zu prüfen.

Kein Kausalzusammenhang zwischen SARS-CoV-2 und «Long Covid»

Detailliert beschreibt von Massenbach in seiner Anzeige die Unterlassungen und mangelnde Sorgfalt der Puls-Redaktion. Er kommt zum Schluss, dass die in der Sendung behauptete Häufigkeit von «Long Covid» einer Überprüfung mit «einfach zugänglichen Informationen nicht standhält, beziehungsweise nachweislich falsch ist».
Auch der Kausalzusammenhang zwischen einer SARS-CoV-2-Erkrankung und «Long Covid»-Symptomen wie Ermüdungserscheinungen oder Depressionen sei nicht erwiesen. Zudem wurde die psychische Belastung durch die Lockdown-Massnahmen, die zu denselben Symptomen führen, in der Sendung nicht thematisiert.

Die Lockdown-Massnahmen könnten, wie eine Studie der Universität Basel über die Belastung der Bevölkerung seit Beginn der Krise belegt (https://www.coronastress.ch), eine entscheidende Ursache des «Long-Covid»-Phänomens sein. Zu den Faktoren, die für Stress und depressive Symptome sorgen, zählen die Forscher die Belastung durch eine veränderte Situation bei der Arbeit, in der Schule oder der Ausbildung. Auch die Angst vor finanziellen Einbussen, die Zunahme von Konflikten zuhause und Zukunftsängste wirken sich negativ auf die Psyche aus. Es sei davon auszugehen, dass bereits über eine Million Einwohner in der Schweiz eine solche Belastungsreaktion entwickelten.

Ein Vergleich der Daten belegt, dass knapp 90 Prozent der Personen, die mittlere bis schwere depressive Symptome entwickelten, gar keinen Kontakt mit SARS-CoV-2 hatten, aber von den Lockdown-Massnahmen betroffen und Opfer einer ständigen medialen Angsteinflössung waren.
Bei eingehender Überprüfung des Sachverhalts und guter Recherche hätten auch die Verantwortlichen der Sendung Puls in Erwägung ziehen müssen, dass «Long-Covid»-Symptome nicht zwangsläufig in direktem Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung stehen müssen.

Verletzung der Sorgfaltspflicht mit Schadwirkung

Die Berichterstattung der Redaktion sei «irreführend», die Geschäftsleitung von SRF hätte diesen Beitrag verhindern müssen, schreibt Kai von Massenbach in seiner Anzeige. Denn in der aktuellen Situation habe ein öffentlich-rechtlicher Sender mit so grosser Reichweite die gesetzliche Pflicht, korrekte und geprüfte Informationen vorzulegen und zu verbreiten.

Das Fernsehen SRF trage zudem eine besondere Verantwortung: Als Leitmedium beeinflusse der Sender auch andere Medien, die sich auf sorgfältige Recherchen von SRF verlassen. Doch dieser Vorbildfunktion kam der Sender nicht nach, ganz im Gegenteil: «Wer einen derart furchteinflössenden Beitrag erstellt und publiziert, steht unter dringendem Verdacht, sich der vorsätzlichen Schreckung der Bevölkerung sowie einer allfälligen Körperverletzung schuldig gemacht zu haben.»
Als potenzielle Opfer der schädlichen Wirkung der Sendung Puls vom 1. März 2021 sieht Dr. Kai von Massenbach alle Bürger der Schweiz. Sie sind je nach Ausgang des Verfahrens klageberechtigt. Bis zum Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung.

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