Ohne Pieks #7: «Ich wusste nicht mehr weiter»
Die Ankündigung der Zertifikatspflicht zog dem Jungschauspieler erst mal den Boden unter den Füssen weg. Jonas sah sich einen Winter verbringen, in dem er seiner Leidenschaft nicht mehr hätte nachgehen können. Am Ende kam alles anders.
«Als das Thema mit der Zertifikatspflicht aufkam, las ich einen Artikel in einer Schweizer Zeitung, der kündigte an, dass man als Ungeimpfter, Ungesteter oder Ungenesener nichts mehr machen können würde. Kein Theater, nichts. So zumindest interpretierte ich diesen Artikel. Zum Glück war es dann nicht so schlimm wie erwartet», erzählt der Jungschauspieler Jonas*.
Dieser Artikel löste beim 21-Jährigen im Vorfeld der Zertifikatspflicht-Einführung Angst und Verzweiflung aus – und er fiel für mehrere Tage in eine existentielle Krise. «Alle meine Träume, die ich bis dahin hatte, sah ich dahinschwinden.»
Darf ich an den Theaterproben im Innenraum überhaupt noch teilnehmen?
Jonas arbeitet als Schauspieler in Theaterstücken auf der Strasse, wo das Publikum um ihn herumsteht, zum Teil nahe an ihn herantritt. Ausserdem wurde er noch vor der Zertifikatspflicht in ein Berner Theaterensemble aufgenommen. In wenigen Monaten wird die Theatergruppe mit einem neuen Stück auf die Bühne gehen. Jonas stellte sich also viele Fragen: Darf er an den Proben im Innenraum überhaupt noch teilnehmen? Darf er dann auftreten, wenn Publikum im Saal sitzt? Mehr noch: Was wird mit seinem allergrössten Traum? Denn der Jungschauspieler hat sich auch bei der Dimitri-Schule im Tessin angemeldet, die nächstes Jahr startet und natürlich den Unterricht ebenfalls in Innenräumen abhält.
«Ich möchte vorweg nehmen, dass ich nie Mühe hatte mit den Massnahmen», sagt Jonas. «Ich konnte mich während des ganzen Lockdown irgendwie durchschlagen und durchboxen. Es gab immer einen Weg, wie man sein Liebstes dennoch machen konnte. So nahm ich halt statt an Theaterkursen vor Ort an Online-Kursen teil.»
Als aber dann die Zertifikatspflicht eingeführt wurde, der Bundesrat dies in einer Pressekonferenz mitteilte, und es zudem hiess, dass die Tests schon bald für Ungeimpfte kostenpflichtig werden, da habe seine Stimmung komplett gekippt, so der Berner – in Richtung Depression. Er sei zu Hause herumgelegen und habe nicht wie weiter gewusst. «Mir war klar: Ich kann mir das nicht leisten, dauernd Tests zu zahlen.» Und nun? Was sollte er nun tun? Wie sollte er die Wintermonate überleben?
Zum Impfen sagt er: «Ich bin nicht per se gegen das Impfen. Aber auf Druck reagiere ich mit Gegendruck.» Und er höre nun mal auf sein Bauchgefühl, auf das schon immer Verlass gewesen sei. Dies habe ihm gesagt: Nein, lass dich nicht impfen. Er macht sich vor allem Sorgen um die Langzeitwirkungen der Impfung.
«Ich verstehe nicht, wieso man eine ganze Generation, die von Covid kaum betroffen ist, dazu nötigt, sich impfen zu lassen.» Jonas spricht von den jungen Menschen wie sich zwischen 20 und 30 Jahren. Eine Generation, so der Jungschauspieler, die noch ihr ganzes Leben vor sich hat und in der Regel mit wenig Geld das Leben bestreitet. «Mein Bruder braucht mittlerweile einen Test, um an die Uni studieren gehen zu können.»
Im Fall von Jonas kam die Lösung überraschend und wie vom Himmel: Er reiste für eine grosse Kulturveranstaltung nach Winterthur. Beim Bahnhof liess er sich testen, zu dieser Zeit noch gratis. Und dann die Hiobsnachricht: positiv. In einem ersten Moment war er noch deprimierter – das auch noch! Doch dann realisierte er auf einen Schlag: «Ich bin ja positiv, das heisst: schon bald genesen.» Es fiel ihm ein riesiger Stein vom Herzen. «Von einer Minute auf die andere war ich nicht mehr niedergeschlagen, sondern fühlte mich wieder völlig normal und glücklich.» Er fuhr zurück nach Bern und sass die Quarantäne zu Hause ab. Problemlos.
Heute ist er wieder überaus aktiv am Schauspielern, geht motiviert durchs Leben und seinen Träumen nach. Sechs Monate muss er sich keine Gedanken mehr machen, ob er seine Leidenschaft leben darf, solange ist das Zertifikat gültig. Und nachher wird man sehen. Nach den Wintermonaten könnte alles ohnehin entspannter sein, zumal der Bundesrat jetzt schon für Ungeimpfte bessere Zeiten, etwa mit «Schweizer Impfzertifikat», in Aussicht stellt.
Was wäre gewesen, wenn das nicht eingetroffen wäre? Was wünscht sich Jonas für die anderen jungen Menschen? «Ich habe mir lange überlegt, was ich gemacht hätte, ohne Zertifikat als Genesener», sagt Jonas nachdenklich. Er hätte sich wohl ausgeklinkt, für eine Zeit lang. Und wenn es um seine Kollegen und Kolleginnen in seinem Alter geht: «Ich bin der Meinung, dass man den Ungeimpften zwischen 20 und 30 Jahren die Tests zahlen sollte, zumindest für Bildung und Fortbildung und damit sie arbeiten gehen können. Denn viele von uns verdienen nichts oder nur wenig.»
* Name der Redaktion bekannt
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