Referendum gegen den «Mantelerlass Strom»: das neue Stromversorgungs- und Energiegesetz
Das eidgenössische Parlament verabschiedete den «Mantelerlass Strom», um den Umbau unserer Stromversorgung per Express zu ermöglichen. Dagegen wendet sich ein Referendum, das vom Verein «Schutz vor Strahlung» unterstützt wird.
Das neue Gesetz ist weitreichend: Mit würden viele Solar- und Windenergieanlagen neu gebaut werden und mit hunderttausenden Kilometern Kabel ans Stromnetz angeschlossen. Kommunizierende Stromzähler sind bei jedem Haushalt geplant und sollen, wenn möglich, in Notfällen die Wärmepumpen steuern.
Doch mehr Stromkabel und die Datenübertragung von Smartmetern würden überall zu noch mehr Strahlung führen als bisher. Der Bundesrat bekäme damit viel Spielraum, könnte Einspracheverfahren abkürzen und sogar die Gemeindeabstimmung abschaffen.
Dabei wäre es nicht so schwer: Wenn unser Stromnetz mit der nötigen Sorgfalt geplant würde, kämen wir ohne Zwangsbestrahlung aus. Deshalb unterstützt der Verein «Schutz vor Strahlung» das Referendum gegen den Mantelerlass.
Die Situation
In der Schweiz hängen alle Verbraucher an einem sehr feinmaschig aufgebauten Stromnetz. Immer, wenn ein Gerät Strom bezieht, muss er er irgendwo produziert werden. Rund 65% Strom in unserem Netz stammt aus Wasserkraftwerken, rund 20% von Atomkraftwerken und weniger als 10% aus Wind- und Solaranlagen.
Gleichzeitig heizen und fahren viele Schweizerinnen und Schweizer mit fossilen Produkten. Mit Annahme der Energiestrategie 2050 und aufgrund der Klimastrategie des Bundesrats soll sich die Energieversorgungssituation in der Schweiz nun komplett ändern. Keine neuen Atomkraftwerke dürfen als Ersatz der bisherigen gebaut werden. Heizungen und Fahrzeuge sollen neu mit Strom oder «erneuerbaren Energieträgern» wie z.B. Holz oder Biogas funktionieren. Doch dafür braucht die Schweiz viel mehr Strom.
Um diesen Bedarf zu decken, entschied sich der Bundesrat dafür, über 100 Milliarden Franken in den Umbau unseres Stromnetzes zu investieren und neue Stromproduktions-Anlagen zu subventionieren. Das Parlament verabschiedete am 29. September 2023 den «Mantelerlass Strom».
Zur Erklärung: Während Elektrizität bisher aus grossen Kraftwerken stammte, sollen in Kürze kleinere Kraftwerke wie Solaranlagen auf Alpwiesen und Dächern sowie Windenergieanlagen den grössten Anteil ausmachen. Der Strom würde damit von sehr vielen Stellen aus ins Stromnetz eingespeist.
Die Überwachung und Steuerung des zu erwartend sehr komplexen Stromnetzes soll natürlich möglichst schlau, also «smart» sein. Das ist der Grund für die Revision des Energie- und des Stromversorgungsgesetzes: der «Mantelerlass Strom».
Die Fondation Franz Weber ergriff gegen diese Gesetzesrevisionen das Referendum. Bis am 18. Januar 2024 müssen 50‘000 beglaubigte Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden, um eine Volksabstimmung im Juni 2024 zu erreichen. Der Verein «Schutz vor Strahlung» beschloss, das Referendum zu unterstützen. Der Hauptgrund ist die zu erwartende starke Zunahme der Strahlung in der Nähe neuer Hochspannungsleitungen und Stromkabeln sowie durch unzählbar viele neue smarte, strahlende Geräte. Denn das vom Parlament beschlossene Gesetz sieht keinerlei Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit vor.
Der Mantelerlass will, dass in der Schweiz in den kommenden Jahren die Hälfte mehr Strom produziert wird als bisher. Das bedeutet Zehntausende neue Solar- und Windkraftwerke in der freien Natur und auf bestehenden Dächern.
Durch den Mantelerlass würde es praktisch aussichtslos, gegen grosse Solar- und Windkraftwerke Einspruch zu erheben. All diese Kraftwerke müssen mit kilometerlangen neuen Kabeln am Stromnetz angeschlossen werden, um den Strom zu Häusern, Fabriken und Ladestationen zu liefern. Zu allen neuen Kraftwerken braucht es ganz neue Stromleitungen, die zudem sehr schnell geplant und gebaut werden sollen.
Netzverstärkungen sind nötig, da bisherige Kabel für die künftig produzierten grossen Strommengen zu dünn sind – beispielsweise für die riesige Menge Strom von Solaranlagen an schönen Sommertagen. Neue oder verstärkte Stromkabel in der Luft oder im Boden bedeuten mehr magnetische, elektrische und elektromagnetische Strahlung.
Wind- und Solarkraftwerke liefern wetterabhängig Strom. Daher muss das Stromnetz immer stärker gesteuert werden. Dazu sind zwei Massnahmen vorgesehen. Erstens: In jedem Haushalt soll ein digitaler Stromzähler (Smartmeter) installiert werden. Eine Einsprachemöglichkeit gegen die Installation ist im Gesetz nicht vorgesehen. Zweitens: Solaranlagen, Wärmepumpen oder Ladestationen für Autos sollen in Zukunft bei Energie-Engpässen oder einem notfallmässigen Strom-Überschuss durch die Energieversorger via Smartmeter gesteuert werden können. Im Notfall darf der Energieversorger auch ohne Einwilligung Geräte ein- oder ausschalten.
Einerseits haben Smart Meter Vorteile, dank ihnen kann man zum Beispiel im Internet seinen eigenen Verbrauch nachsehen und dann Sparmassnahmen ergreifen. Der Bund rechnet mit einer Strom-Einsparung von 1,8%.
Doch diese Einsparung genügt offenbar nicht. Deshalb bietet das Parlament den Energieversorgern die Möglichkeit, flexible Stromtarife anzubieten: Kunden werden dann mit niedrigeren Stromkosten «belohnt», wenn sie ihren Stromverbrauch (und damit ihr Verhalten) dem ständig schwankenden Strompreis anpassen.
Eigentlich könnten Smartmeter die Daten zum Stromverbrauch speichern und nur einmal pro Abrechnungszeitraum dem Stromversorger übermitteln. Doch dies wird anders praktiziert: Die meisten Smartmeter sind mit strahlendem PLC oder Funkverbindung mit dem Internet oder anderen Zählern verbunden, übertragen ständig Daten und sorgen damit in privaten Räumen für erhebliche, messbare elektromagnetische Zwangsbestrahlung.
Gesundheitsschutz wird im Mantelerlass in keinem Wort erwähnt. Bis jetzt gibt es keine Grenzwerte für Smartmeter-Strahlung. Das Gesetz gibt dem Bundesrat freie Hand, ob er Vorschriften machen will, um schädliche Auswirkungen zu vermeiden oder um gesundheitsschonende Technologien (z. B. Glasfaser anstatt Funk) vorzuschreiben.
Der Bundesrat gibt den Zeitplan vor, er kann über die Häufigkeit der Datenübertragung entscheiden und Sicherheitsmassnahmen gegen Hackerangriffe anordnen. Zuständig ist das Umwelt- und Kommunikationsdepartement von Bundesrat Albert Rösti, SVP. Gegen Verordnungen des Bundesrats kann man sich nicht wehren, es gibt keine Einsprachemöglichkeit.
Als problematisch erachtet der Verein «Schutz vor Strahlung» auch, dass der Bundesrat neu Bewilligungsverfahren für Kraftwerke abkürzen will. Wo neue Wind- und Solarkraftwerke gebaut werden sollen, wäre damit in der Hand von Kantonsregierungen. Die Bevölkerung hat kein Mitspracherecht. Ende November hat der Bundesrat angekündigt, dass er auch bei Hochspannungsleitungen Verfahren verkürzen will. Tausende Grundeigentümer wären bei Neubauten von Hochspannungsleitungen betroffen und könnten zur Mitwirkung gezwungen oder enteignet werden.
Zurzeit lautet das Motto des Bundes offenbar «mehr Tempo, weniger Qualität». Parlament und Bund handeln überhastet und erarbeiten lückenhafte Konzepte für die zukünftige Stromversorgung, meint «Schutz vor Strahlung». Würde stattdessen mit typisch schweizerischer Sorgfalt geplant, müssten Steuergeräte nur dort installiert werden, wo es wirklich nötig und strahlungsfrei wäre. Sinnvolle Lösungen für den Bau von Stromübertragungsleitungen könnten mit mehr Zeit und Sorgfalt gefunden werden. Der Verein «Schutz vor Strahlung» fordert wirksame Schutzbestimmungen im Gesetz, sodass die Gesundheitsvorsorge erste Priorität hat und die Mitspracherechte von allen Betroffenen gewahrt werden. Ein vollständiger Umbau des Schweizer Stromnetzes braucht eine genauere und sorgfältigere Planung sowie eine umsichtigere Umsetzung als sie bisher geschah.
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