Sie blieb sitzen – und Massen bewegten sich

Rosa Parks’ legendäre Aktion wäre ohne die Unterstützung von Martin Luther King und der schwarzen Einwohner von Montgomery folgenlos geblieben. Eine weitere Kostprobe aus dem neuen Zeitpunkt-Magazin «Machbar! Was Menschen alles können».

Statue von Rosa Parks im Memphis Museum, Foto: Wikimedia
Zum Zeitpunkt-Heft Machbar

Der Mensch mag es einfach. Er macht komplexe Entwicklungen gern an einzelnen Ereignissen fest und überhöht dadurch ihre Bedeutung und schmälert den Beitrag anderer. Deutlich wird dies am Beispiel der schwarzen Näherin und Bürgerrechtlerin Rosa Parks. Sie weigerte sich am 1. Dezember 1955, ihren Platz im Bus an einen Weissen freizugeben, und brachte damit den Kampf gegen die Rassentrennung in den USA in eine neue Phase. 

Die Busse in den Südstaaten waren damals in drei Bereiche aufgeteilt: Vorne war für die Weissen reserviert, hinten für die Schwarzen, und dazwischen gab es einen gemischten Bereich. Waren die weissen Plätze belegt, mussten die Schwarzen im gemischten Bereich die Sitzreihe freigeben, wenn dies von einem Weissen verlangt wurde.

Dort also sass Rosa Parks nach einem langen Arbeitstag, vielleicht etwas müde, ganz sicher aber frustriert von der Benachteiligung, unter der Schwarze zu leiden hatten. Rosa Parks (1913 bis 2005) war seit 1943 nebenbei für die «National Association for the Advancement of Colored People» tätig und verfügte durchaus über das Bewusstsein, dass Freiheit nicht geschenkt wird, sondern erkämpft werden muss. Sie blieb also entgegen der Aufforderung eines Weissen sitzen, wurde verhaftet und zu einer Busse von 14 Dollar verurteilt. 
Sie war übrigens nicht die erste, die sitzenblieb. Aber die Zeit war reif für eine breitere Bewegung. 

Für den Tag der Gerichtsverhandlung am 5. Dezember rief das Women’s Political Council zu einem eintägigen Boykott der öffentlichen Verkehrsmittel auf, der von der schwarzen Bevölkerung zu fast 100 Prozent befolgt wurde. Am Abend sprach der damals kaum bekannte 26-jährige Baptistenprediger Martin Luther King vor 7000 Menschen und forderte die Fortsetzung des Boykotts. 

Der elf Monate dauernde Boykott ist eine der bemerkenswertesten Widerstandsaktionen des letzten Jahrhunderts. Die Schwarzen nahmen stundenlange Fussmärsche auf dem Weg zur Arbeit in Kauf – monatelang! Die schwarzen Taxiunternehmer beförderten ihre Fahrgäste zum Einheitstarif von zehn Cent, was die Polizei mit einer Verordnung unterband, die einen Mindestpreis von 45 Cents festlegte. 

Es bildeten sich Fahrgemeinschaften. Als Antwort darauf forderten die Behörden die Versicherungen auf, die Verträge zu kündigen. Als Reaktion wurde die Übernahme der Policen durch Lloyds of London organisiert. Es gab Bombenanschläge, auch auf Kings Haus und viele Festnahmen, aber die Schwarzen hielten durch, inspiriert durch Kings Predigten. 

Die Stadt geriet durch den Boykott der Schwarzen in wirtschaftliche Nöte und musste die Fahrpreise drastisch erhöhen. Aber einlenken wollten sie nicht. In der Zwischenzeit klagten fünf Frauen, die schon vor Rosa Parks wegen Verstössen gegen die Rassentrennung festgenommen worden waren, gegen die Stadt Montgomery.  

Am 13. November 1956 erklärte der Supreme Court die Praxis von Montgomery für widerrechtlich. Der Boykott war damit beendet. Der Sieg beflügelte die Bürgerrechtsbewegung, die noch längst nicht am Ziel war – bis heute nicht. 

Was unterscheidet den Montgomery Bus Boykott von heutigen Widerstandsaktionen? Die hauptsächlichen Kampfzonen des Bus-Boykotts waren die Wirtschaft und das Bewusstsein. Der Boykott schmerzte die Stadt erheblich. aber er war nur erfolgreich, weil die Schwarzen Alternativen organisierten und bereit waren, die Nachteile in Kauf zu nehmen – im Bewusstsein, dass gewinnt, wer den längeren Atem hat. Heute konzentriert sich der Widerstand auf die mediale Wirkung, und es fehlen die inspirierenden Persönlichkeiten, die, auch das dürfte eine Rolle spielen, im medialen Getöse die Menschen kaum erreichen. Ein Klick und ein Like zu einer gut gemeinten Idee reichen nicht.
 

Kommentare

Sind Frauenrechte Bürgerrechte?

von juerg.wyss
Da kommt mir ein "Gag" in der gestrigen Till Reiners Happy Hour in den Sinn. Gleichberechtigung ist nicht gleich Gleichstellung. Unter diesem Aspekt muss ich bekannt geben, dass Rechte für Schwarze keine Bürgerrechtsbewegung waren. Rosa klagte nicht aus Bürgerrechten, sie kämpfte dass Schwarze auch Bürgerrechte bekommen, etwas dass Weisse schon lange hatten. Auch stört mich der Ausdruck gemischte Zone, denn in einer Rassentrennung gibt es keine Vermischung. So waren die "gemischten" Plätze nicht gemischt, und Rosa musste nicht ihren Sitz freigeben, sie sollte alle "gemischten" Plätze freigeben. Denn die gemischte Zone war nicht gemischt, sassen 20 Schwarze in der gemischten Zone, mussten alle 20 die Zone verlassen wenn ein Weisser sich dahinsetzen wollte.