«Erinnern wir uns daran, dass Menschen Sklaverei und Piraterei abschafften - und ebenso können wir Militarismus und Krieg abschaffen»: Friedensnobelpreisträgerin Mairead Maguire über den Wandel zum Frieden und die Rolle neutraler Staaten.

Zirka 70-jährige Frau mit blauem Blazer und rötlichen, halblangen Haaren sitzt vor mehreren Mikrofonen und spricht zu den Medien.
«Irlands Neutralität versetzt es in eine wichtige Position»: Mairead Maguire. (Bild: Wikimedia)

Die folgende Rede hielt Mairead Maguire an der «World Beyond War 4th Annual Conference» in Limerick, Irland, am 5. Oktober 2019. Sie ist hier übersetzt in Auszügen wiedergegeben.

Vor langer Zeit, als ich als Teenager und soziale Aktivistin in Belfast lebte, inspirierte mich das Leben der Dorothy Day. Die gewaltlose Prophetin forderte ein Ende des Krieges und dass das Geld aus dem Militarismus für die Linderung der Armut verwendet werde. Wenn Dorothy (sie ruhe in Frieden) wüsste, dass heute einer von sechs Menschen in den USA im Militär-Medien-Industrie-Komplex tätig ist und dass die Rüstungskosten täglich steigen - sie wäre bitter enttäuscht. Tatsächlich würde ein Drittel des US-Militärbudgets die gesamte Armut in den USA eliminieren.

Wir müssen eine neue Hoffnung erschaffen für eine Menschheit, die unter der Geissel von Militarismus und Krieg leidet. Die Menschen haben genug von Rüstung und Krieg. Die Menschen wollen Frieden. Sie haben gesehen, dass Militarismus keine Probleme löst, sondern ein Teil des Problems ist.

Die globale Klimakrise wird verstärkt durch die Emissionen des US-Militärs, des grössten Verschmutzers weltweit. Militarismus erschafft auch unkontrollierbare Formen von Stammesstrukturen und Nationalismus. Dies sind gefährliche und mörderische Arten von Identität, die wir überwinden müssen, damit wir nicht noch mehr schreckliche Gewalt entfesseln. Dafür müssen wir anerkennen, dass unsere gemeinsame Menschlichkeit und unsere Würde als Menschen wichtiger sind als unsere verschiedenen Traditionen. Wir müssen erkennen, dass unser Leben und dasjenige der anderen (und der Natur) heilig ist, und dass wir unsere Probleme lösen können, ohne einander umzubringen.

Wir müssen Vielfalt und Andersartigkeit akzeptieren und feiern. Wir müssen daran arbeiten, die alten Teilungen und Missverständnisse zu heilen, Vergebung zu üben und anzunehmen und das Nichttöten und Nicht-Gewaltausüben als Wege wählen, um unsere Probleme zu lösen. Auch sind wir herausgefordert, Strukturen zu schaffen, mit denen wir kooperieren können, und die unsere verbundenen und von einander abhängigen Beziehungen reflektieren. Die Vision der Gründer der Europäischen Union, Länder wirtschaftlich miteinander zu verbinden, ist leider vom Weg abgekommen.

«Die EU ist eine Bedrohung für das Überleben der Neutralität und wurde zur Komplizin bei der Verletzung internationalen Rechts durch so viele illegale und unmoralische Kriege seit 9/11.»

Wir sind Zeugen einer wachsenden Militarisierung Europas und seiner Rolle als eine treibende Kraft für die Rüstung. Auf einem gefährlichen Pfad nähern wir uns unter Führung der USA/NATO einem neuen Kalten Krieg und militärischer Aggression mit der Schaffung von Kampfgruppen und einer europäischen Armee. Ich glaube, die europäischen Länder, welche einst in der UNO die Initiative für friedliche Lösungen ergriffen - insbesondere angeblich friedliche Länder wie Norwegen und Schweden - gehören jetzt zu den wichtigsten Aktivposten der USA/NATO.

Die EU ist eine Bedrohung für das Überleben der Neutralität und wurde zur Komplizin bei der Verletzung internationalen Rechts durch so viele illegale und unmoralische Kriege seit 9/11. Daher glaube ich, dass die NATO abgeschafft und der Mythos militärischer Sicherheit durch menschliche Sicherheit ersetzt werden sollte; durch internationales Recht und die Implementierung einer Friedensarchitektur. Die Wissenschaft vom Frieden und die Implementierung einer nichttötenden und nichtgewalttätigen politischen Wissenschaft wird uns helfen, gewalttätiges Denken zu überwinden und eine Kultur der Gewalt durch eine Kultur der Gewaltfreiheit zu ersetzen - in unseren Häusern, unseren Gesellschaften, unserer Welt.

Auch die UNO sollte reformiert werden und sollte aktiv ihr Mandat ausüben, nämlich die Welt vor der Geissel des Krieges zu bewahren. Menschen und Regierungen sollten dazu ermutigt werden, moralische und ethische Standards zu schaffen - für unser persönliches Leben und für die Öffentlichkeit. So, wie wir die Sklaverei abschafften, so können wir auch Militarismus und Krieg in unserer Welt abschaffen. Wenn wir als Menschheitsfamilie überleben wollen, müssen wir Militarismus und Krieg beenden und brauchen eine Politik der generellen und vollständigen Abrüstung. Damit wir das können, müssen wir genau betrachten, was uns als treibende Kräfte für Militarismus und Krieg «verkauft» wird.

«Waren wir das Volk, das es möglich machte, dass durch den Flughafen Shannon Massen von Waffen, politischen Gefangenen und Zivilisten geschleust wurden, um imperialen Kräften das Schlachten von Menschen in weit entfernten Ländern zu erleichtern?»

Wer sind die Nutzniesser des Krieges? Es werden uns Kriege unter dem Deckmantel der Demokratie verkauft, als «Kampf gegen den Terrorismus», doch die Geschichte lehrt uns, dass Kriege dem Kampf gegen den Terrorismus vorangegangen sind - und ebenso Gier und Kolonialismus, die Beschlagnahmung von Rohstoffen und der so genannte Kampf für Demokratie. Jetzt leben wir in einem Zeitalter der Kolonialisierung durch den Westen, der sich verkleidet als Kampf für Freiheit, Bürgerrechte und das Recht auf Protest.

In Irland litten wir mehr als 800 Jahre lang unter unserem eigenen Kolonialismus. Ironischerweise waren die Amerikanisch/Irischen, die Druck auf das britische Königreich ausübten, damit die Republik Irland ihre Freiheit bekam. Jetzt stehen die moralischen Werte von uns heutigen Iren auf dem Prüfstand, und wir müssen uns fragen, wie unsere Kinder dereinst über uns urteilen werden.

Waren wir das Volk, das es möglich machte, dass durch den Flughafen Shannon Massen von Waffen, politischen Gefangenen und Zivilisten geschleust wurden, um imperialen Kräften das Schlachten von Menschen in weit entfernten Ländern zu erleichtern? Und wozu? Damit Google, Facebook und Microsoft weiterhin Arbeitsplätze in Irland bereitstellen? Wie viel Blut von Frauen und Kindern wurde in Übersee vergossen? An der Zerstörung wie vieler Länder waren wir beteiligt, weil wir den USA/NATO-Kräften den Flughafen Shannon zur Verfügung stellten?

«Als ein angeblich neutrales Land muss Irland dafür sorgen, dass seine Regierung sicherstellt, dass der Flughafen Shannon ausschliesslich für zivile Zwecke genutzt wird - und keine Besetzungen, Invasionen, Überstellungen und Kriegszwecke durch US-Militär ermöglicht.»

Ich habe den Irak, Afghanistan, Palästina und Syrien besucht und die Verwüstung gesehen, die durch militärische Intervention in diesen Ländern angerichtet wurde. Ich bin überzeugt, dass es an der Zeit ist, dass wir den Militarismus abschaffen und unsere Probleme durch internationales Recht, Mediation, Dialog und Verhandlungen lösen. Als ein angeblich neutrales Land muss Irland dafür sorgen, dass seine Regierung sicherstellt, dass der Flughafen Shannon ausschliesslich für zivile Zwecke genutzt wird - und keine Besetzungen, Invasionen, Überstellungen und Kriegszwecke durch US-Militär ermöglicht. Das irische Volk unterstützt entschieden Neutralität - doch diese Haltung wird aufgehoben durch die Tatsache, dass US-Militär den Flughafen Shannon benutzt.

Irland und das irische Volk werden überall auf der Welt geliebt und respektiert - und als ein Land gesehen, das zur Entwicklung vieler Länder beigetragen hat, insbesondere durch Bildung, Gesundheitswesen, Kunst und Musik. Doch diese Wahrnehmung ist in Gefahr, weil unsere Regierung das US-Militär in Shannon beherbergt und an NATO-geführten Streitkräften wie der ISAF (International Security Assinstance Force) in Afghanistan teilnimmt.

Irlands Neutralität versetzt es in eine wichtige Position, und aufgrund seiner Erfahrung in der Friedensstiftung und Konfliktlösung im eigenen Land könnte Irland eine Mediatorrolle übernehmen. Es spielt eine wichtige Rolle beim Einhalten des Karfreitagsabkommens und bei der Wiederherstellung des Stormont-Parlaments im Norden Irlands.

Ich blicke zuversichtlich in die Zukunft, denn ich glaube, dass wir den Militarismus zurückweisen können - als die Abweichung und Funktionsstörung in der Menschheitsgeschichte, die er ist. Alle von uns, unabhängig davon, auf welchem Gebiet des Wandels wir arbeiten, können sich zusammenschliessen und sich einig sein, dass wir eine entmilitarisierte und unbewaffnete Welt wollen. Gemeinsam können wir es schaffen. Erinnern wir uns daran, dass Menschen Sklaverei und Piraterei abschafften - und ebenso können wir Militarismus und Krieg abschaffen und diese barbarischen Gepflogenheiten in die Mülltonne der Geschichte verbannen. 

Mairead Corrigan-Maguire ist die Mitbegründerin der bisher einflussreichsten Friedensbewegung Nordirlands, der Community of Peace People. Hierfür erhielt sie gemeinsam mit Betty Williams den Friedensnobelpreis des Jahres 1976.

Mehr dazu

- Mairead Maguires Website «Peace People»
- Die vollständige Rede von Maired Maguire bei Global Research

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Quelle: Global Research

Übersetzung: Claudia Fahlbusch