Wir sind dort
Man versucht im Allgemeinen, mit dem zufrieden zu sein, was ist. Wie schwierig mir dies fällt, merke ich jeweils, wenn ich einen Picknick-Platz suche.
Immer könnte es anderswo noch schöner sein. Also noch zur nächsten Wegbiegung, ein Blick hinter die Hecke und dann noch einer und vielleicht noch ein paar weitere. Zufrieden bin ich oft erst, wenn ich merke, dass ich in der wichtigen Frage des Picknick-Platzes fast immer unzufrieden bin. Dann ist es plötzlich gut, wo ich halt gerade bin.
Vermutlich bin ich kein Einzelfall. Anderswo ist es immer schöner. Nicht umsonst trägt der Tourismus fast zehn Prozent zum globalen Bruttoinlandprodukt bei. Doch worüber unterhalten sich Touristen, wenn sie sich in der Ferne treffen? Über nochmals andere Orte, an denen sie schon waren oder die sie noch besuchen wollen. Selbst am Ort der Wünsche hat man noch Wünsche.
Ich glaube nicht, dass ein Leben ganz im Hier und Jetzt erstrebenswert ist. Solange man danach strebt, ist man ohnehin noch nicht da (sonst müsste man ja nicht danach streben). Erst wenn man damit aufhört, kann es einem geschenkt werden.
Aber ein bisschen mehr Da-Sein könnte schon hilfreich sein. Die um sich greifende Erschöpfung ist ein deutliches Signal, dass wir mit unserer Arbeit und unserem Leben nicht dort sind, wo wir eigentlich sein möchten: da.
Wenn Sie mich jetzt fragen, wie man dahin kommt, ohne zu streben, kommt mir nur eine Antwort in den Sinn, die ich im Zeitpunkt schon mindestens zweimal auf andere Fragen gegeben habe: Dankbarkeit.
Für den Zen-Benediktiner David Steindl-Rast ist Dankbarkeit der schnellste Weg zum Glück. Er empfiehlt, immer wieder Momente der Dankbarkeit in den Tag zu streuen, Dankbarkeit für das aus dem Hahnen fliessende Wasser, für die Sonne, den Regen, die Gesundheit, dafür, dass wir leben. Wer das tut, kann nicht anders als da zu sein.
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