Zertifikate gefährden die offene Gesellschaft, untergraben den Föderalismus und sind ethisch fragwürdig

Das Forum für eine offene Gesellschaft mit 20 Akademikern kritisiert die Zertifikatpflicht. Es befürchten eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft.

Prof. Michael Esfeld vom Forum für eine offene Gesellschaft

Am 28. November 2021 stimmt das Schweizervolk über die letzten Änderungen des Covid-19-Gesetzes ab. Bestandteil der Revision war unter anderem die Kompetenzerteilung an den Bundesrat, die Anforderungen an Covid-, Impf-, Test- oder Genesungsnachweise («Zertifikate») zu regeln.

Der Bundesrat hat am 8. September 2021 per Verordnung beschlossen, die Zertifikatpflicht auf die Innenbereiche von Restaurants, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie auf Veranstaltungen in Innenräumen auszudehnen. Seither haben zahlreiche Organisationen wie Kirchen oder Hochschulen aus eigener Initiative noch weitergehende Regelungen erlassen.

Aus Sicht des Forums für eine offene Gesellschaft steht das Vorgehen des Bundesrats sowie weiterer Akteure im Widerspruch zu grundlegenden Prinzipien einer offenen und aufgeklärten Gesellschaft. Dem Forum gehören mitterweile über 20 Persönlichkeiten an, welche die Abschaffung der Zertifikatpflicht im gesellschaftlichen Leben fordern. Denn Zertifikate seien ein Charakteristikum antidemokratischer Gesellschaften nach chinesischem «Sozialkredit»-Modell.

«Wir sehen das Zertifikat als eine grosse Gefahr für unsere Gesellschaft, denn es ist, zusammen mit der im Gesetz vorgesehenen Verfolgungs-Technologie, ein Einstiegsinstrument für eine zentralistische Kontrolle», so Philippe Schultheiss, Philosoph und Initiant des Forums.

Auch der moralische und psychische Druck, der durch den breiten Zertifikateinsatz ausgeübt wird, ist nach Ansicht des Forums etwas moralisch problematisch. Michael Esfeld, Professor für Philosophie an der Universität Lausanne begründet dies wie folgt: «Es ist unzulässig, Menschen dem Generalverdacht zu unterstellen, andere zu gefährden. Dafür gibt es weder eine wissenschaftlich-empirische noch eine juristisch-ethische Grundlage. Dass verlangt wird, sich durch ein Zertifikat von diesem Verdacht reinzuwaschen, um am sozialen Leben teilnehmen zu können, widerspricht den Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaates.»

Das aktuelle Regime ist zudem eine Gefahr für den bewährten Föderalismus der Schweiz. Die Gesundheitspolitik erlaubte es bisher, regionale Unterschiede bei Nachfrage und Zahlungsbereitschaft zu berücksichtigen, zum Beispiel über die Höhe der Krankenkassenprämien.

Neuste Berechnungen des Ökonomieprofessors Konstantin Beck zeigen, dass die massnahmen-kritischen Bevölkerungsgruppen das Gesundheitswesen eher schonen, währenddem die Massnahmen-Befürworter dieses tendenziell überbeanspruchen: «Die aktuelle zentralistische Zertifikat- und Impfpolitik reisst hier unnötige Gräben im Gefüge des Föderalismus auf.»

Die Möglichkeit zur Impfung wird vom Forum explizit begrüsst. Nachdem sich alle Impfwilligen impfen lassen konnten und sich gezeigt hat, dass Impfungen die Verbreitung des Virus nicht stoppen können, und da es gerade in der begüterten Schweiz Möglichkeiten gäbe, Massnahmen gegen Kapazitätsengpässe in den Spitälern zu ergreifen, sprechen überwiegende philosophische wie ethische Argumente gegen eine moralische Pflicht zur Impfung und gegen die Diskriminierung von Ungeimpften, so das Forum auf der Website Impffreiheit.ch. Die 20 Persönlichkeiten stehen daher der Revision des Covid-19-Gesetzes, über die am 28. November 2021 abgestimmt wird, sehr kritisch gegenüber.

Weitere Informationen: https://www.impffreiheit.ch