Haben Sie gewusst, dass sich kleine Kinder verraten, wenn sie nicht die Wahrheit sagen? Interessanterweise wandert ihre Hand vor lauter Schreck automatisch vor den Mund, als wollten sie versuchen, die Unwahrheit, welche über ihre Lippen kam, wieder zurückzunehmen. Kolumne.

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Als Erwachsene haben wir unsere Hände vielleicht etwas besser unter Kontrolle, dennoch wandern sie noch immer häufig zum Gesicht, wenn wir nicht die Wahrheit sagen. Ein Kratzen am Hals, ein Reiben an der Nase, ein Zupfen am Ohr … so sehr wir auch versuchen, uns nicht zu verraten, das geschulte Auge erkennt aufgrund solcher und vieler anderer nonverbaler Signale eine Lüge. 

Tja, der Körper ist eine ehrliche Natur und das ist auch gut so. Es ist beruhigend zu wissen, dass wir nicht alles «faken» können. 

Die Sprache des Körpers

Unser Körper spricht auch eine deutliche Sprache, wenn wir uns selbst belügen oder uns etwas vormachen. In seiner Ehrlichkeit zeigt er uns beispielsweise, wenn wir «Schiss haben» - wer musste nicht schon vor einem grossen Auftritt noch eiligst zur Toilette -, wenn uns etwas «schwer auf dem Magen liegt», wenn wir uns über etwas «den Kopf zerbrechen» oder wenn wir «die Nase gestrichen voll haben» etc. Der Volksmund weiss um die Zusammenhänge von körperlichen Symptomen und seelischem Leid. Würden wir uns seelische Belastungen eingestehen, müsste uns der Körper mit entsprechenden Signalen nicht zwingen, ehrlich mit uns selbst zu sein und wir könnten uns viel Leid ersparen.

Warum fällt es uns oft so schwer, ehrlich zu sein?

Weshalb suchen wir so oft Ausreden, wenn wir etwas Dummes gemacht haben, oder versuchen, Dinge zu vertuschen, ja gar zu verschweigen - was eigentlich einer Lüge gleichkommt -, wenn sich offenbar alles in uns nach der Wahrheit sehnt und wir doch wissen, dass «Lügen kurze Beine haben» und «die Wahrheit früher oder später sowieso ans Tageslicht kommt»? 

Weshalb gelingt es uns – gerade auch im Geschäftsleben – häufig nicht, einzugestehen, wenn wir beispielsweise eine Situation falsch eingeschätzt, oder die falschen Entscheidungen getroffen haben, oder wenn uns ein gravierender Fehler unterlaufen und dadurch Schaden entstanden ist?

Wo gearbeitet wird, passieren Fehler

Wenn wir zu unseren Fehlern stehen und versuchen zu verstehen, weshalb sie uns unterlaufen sind, und wenn wir sie umgehend korrigieren, hält sich der Schaden meistens in Grenzen. Tatsächlich bieten wir dadurch Raum für die grösstmögliche Lernerfahrung, nicht nur für uns persönlich, sondern auch für grössere Einheiten wie Abteilungen, Firmen, Branchen, Gemeinden, Staaten … ja, sogar die Weltgemeinschaft. 

Die einzige Frage, die wir uns stellen müssen, wenn wir einen Fehler entdecken, ist: «Welches Verhalten dient dem Ganzen nun am meisten?» Und dann müssen wir einfach tun, was getan werden muss, um ihn zu korrigieren, ohne einen Gedanken an uns selbst. Aber genau dieser letzte Punkt, nämlich nicht an uns selbst zu denken, wenn es um Fehler geht, fällt uns häufig schwer. 

Eine fragwürdige Fehlerkultur

Der Grund, weshalb wir uns oftmals so schlecht fühlen, wenn uns ein Fehler unterlaufen ist, liegt daran, dass wir uns hierzulande eine eigenartige Fehlerkultur geschaffen haben. Schon in der Schule lernen wir, dass wir schlechte Noten bekommen, wenn wir Fehler machen. Wenn wir häufiger Fehler machen, gehören wir zu den «schlechten» Schülern. Während die «guten» Schüler für ihre Leistungen gelobt werden, ernten wir Korrekturen von den Lehrern, abfällige Bemerkungen von unseren Schulkameraden, bestenfalls ein mitleidiges Lächeln und wir fühlen uns blossgestellt und minderwertig. Schlechte Zeugnisse verhindern den Übertritt in höhere Schulen, ganz zu schweigen, welchen Ärger wir mit Lehrern und Eltern deswegen bekommen. Kein Wunder haben wir später im Leben Angst, Fehler zu machen, fühlen uns schuldig, wenn uns ein Fehler passiert, und tun uns schwer damit, zu unseren Fehlern zu stehen. 

Würden wir uns als Gesellschaft stärker auf die Sache, anstatt auf Personen fokussieren, uns also fragen: «Was ist genau passiert?» anstatt «Wer hat das gemacht?» oder «Wer ist schuld daran?», und uns darauf konzentrieren, was wir aus einem Fehler lernen und wie wir ihn in Zukunft vermeiden, könnten wir viel gelassener und konstruktiver mit Fehlern umgehen … und wir würden viel Geld sparen. Untersuchungen haben gezeigt, dass beispielsweise Fehler, die bereits in der Produktion entdeckt und korrigiert werden, meistens unproblematisch und recht kostengünstig zu beheben sind. Werden entsprechende Fehler jedoch erst durch Kunden aufgezeigt, steigen die Kosten gerne einmal um das Hundert- bis Tausendfache. 

Wer keine Fehler macht, lernt auch nicht viel dazu 

Erfreuen wir uns also an unseren Fehlern. Sie helfen uns zu lernen und uns zu entwickeln. Je ehrlicher wir dabei zu uns selbst und andern sind und je weniger Schuldgefühle wir dabei haben, desto angenehmer gestaltet sich das Lernen und desto schneller findet dieser Entwicklungsprozess statt. Ein Hoch auf unsere Fehler.

 

Karin Fuchs-Häseli hat sich als Management Consultant auf die Bereiche Unternehmensethik und «Business im Einklang mit der Natur» spezialisiert. Ihr spezifisches Interesse gilt dabei den grundlegenden Prinzipien des Lebens – den Gesetzen der Natur – und ihrer Anwendung im persönlichen und unternehmerischen Alltag. Seit vier Jahren leitet sie «The SunHeart Business Leaders» - das erste Schweizer Business Netzwerk für ethische und nachhaltige Kleinunternehmen.