Von der Eventbühne auf den Bildschirm
Erst wurde er wie alle Künstler abgebremst, als Corona kam. Dann entdeckte der Mentalmagier Severino Negri eine neue Welt: Online-Shows. Sie gehören nun genauso zu seinem Leben als Kunstschaffender wie die Auftritte auf der Bühne. Wir fragen wieso und wollen mehr über seine Zauberei in der virtuellen Welt erfahren – wo er Menschen völlig verblüfft.
«Bei mir sitzt nun jede und jeder in der ersten Reihe und kann mir direkt auf die Finger schauen.» Was auf einer Bühne unmöglich ist, gelingt jetzt auf einer Online-Plattform. Der Mentalmagier Severino Negri, gebürtiger Männedorfer mit Tessiner Wurzeln, bringt mit seiner Online-Show «The Virtual Mentalist» Schweizerinnen und Schweizer in ihren eigenen Wohnzimmern zum Lachen und Staunen.
«Staunen» ist das Zauberwort für Severino Negri. Deshalb verzaubert er auch nach zwanzig Jahren noch sein Publikum genauso gerne. «Unsere Welt ist sehr berechenbar geworden, und nur wenige Menschen nehmen sich die Zeit, auch im Alltag kindlich und frei zu staunen. Das ermögliche ich meinen Zuschauern während der Shows», sagt Severino Negri.
Obwohl er in vielen Zauber-Genres zu Hause ist, legte er seinen Schwerpunkt auf die Mentalmagie. Daran fasziniert ihn die direkte Interaktion, wie das menschliche Gehirn funktioniert und beeinflusst werden kann. Ein Mentalmagier sei eigentlich nichts anderes als ein psychologischer Zauberer, «der mit seinen fünf Sinnen die Illusion von einem sechsten Sinn erweckt», erklärt er. «Im Vergleich zu anderen Zauberern taucht der Mentalmagier tiefer ins Bewusstsein respektive ins Unterbewusstein und in die Gedanken der Zuschauer ein.»
Er hat sich auch intensiv mit Hypnose auseinandergesetzt und die Ausbildung zum Hypnosetherapeuten gemacht. Auf der Bühne setzt er Show-Hypnose allerdings nur selten ein. Lieber hilft er seinen Mitmenschen z.B. bei Heuschnupfen, Tabaksucht oder Übergewicht.
«Ich durfte bereits in vielen Teilen der Welt auftreten. Als mir mein Grossvater, ich war damals neun, einen ersten Zaubertrick zeigte, packte mich die Zauberei vollends. Damals hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal Hollywood-Grössen und nationale Entertainer verzaubern werde, und sogar Schauspielerinnen wie Sophia Milos während eines Zaubertricks einen Kuss stehle», erzählt der 41-Jährige.
Und dann kam Corona. Ab Frühling 2020 wurden alle Bühnenauftritte auf der ganzen Welt für unbestimmte Zeit abgesagt. Alle Menschen wurden ins Home-Office geschickt. Es waren die Online-Konferenzen, die Severino Negri auf die zündende Idee brachten: die Bühnenshow ins Netz zu verlegen! Von Mai bis Juli 2020 liefen die Proben auf Hochtouren, im August wurden Testshows durchgeführt, ab September konnten die ersten Online-Shows gebucht werden.
Als Mentalmagier liest Severino Negri auf der Bühne den ganzen Körper seines Gegenübers und beeinflusst so die Gedanken. Über den Bildschirm bleibt ihm lediglich ein kleiner Ausschnitt, meistens nur die Gesichtsmimik und die Schultern, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. «Das ist echt schwierig und verlangt noch mehr Konzentration. Ich hatte auch eine vergleichsweise kurze Testzeit, um herauszufinden, was wie funktioniert oder eben nicht, sowohl bei der Show selbst wie bei der Technik», so Negri.
Die Online-Shows werden neben den Bühnenshows bestehen bleiben und diese ergänzen. «Der Umstand, dass die Zauberei über hunderte von Kilometern durch den Bildschirm in den Wohnzimmern und Büros der Zuschauer passiert, bringt Menschen aus aller Welt zusammen und weitet die Grenzen des (Un-)Möglichen aus», sagt der Mentalist.
Seine Bühnen- und Onlineshows richten sich vorwiegend an Firmen, weil er Themen wie erfolgreiches Verhandeln oder Mitarbeiterführung aufgreift, die auch für den beruflichen Alltag wertvoll sein können. Präsentiert wird das Ganze mit viel Verblüffung, Witz und Charme.
Zurzeit entwickelt der Mentalist weitere Nummern, auch im Hinblick auf seine karitative Arbeit. «Denn für Kinder oder Jugendliche sind ganz andere Showelemente spannend als für Erwachsene, weil das Denken anders funktioniert.» Gerade Kinder seien sehr von der aktuellen Situation betroffen, und deshalb sei er mit wohltätigen Organisationen wie die Kinderhilfe Schweiz im Gespräch. Severino Negri: «Ich verzaubere Menschen gerne, denn in diesem Zustand vergessen sie den Alltag und ihre Sorgen für einen Moment. Und solche kleinen Fluchten aus dem Alltag tuen uns zurzeit allen gut.»
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