Erfülltes Leben durch Sozialkompetenz

Erfüllung im Beruf und Lebensglück zusammen ergeben das, was wir ein «erfülltes Leben» nennen. Der Coach und Jurist Christoph Held benennt, welche sozialen Fähigkeiten wir dazu benötigen und wie wir sie erwerben können.

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Unser beruflicher Erfolg hängt hauptsächlich von unserer Leistung ab. Erfüllung im Beruf stellt sich dann ein, wenn wir das, was wir arbeiten, nicht nur gut, sondern auch gerne tun – unsere Arbeit also unserem So-Sein entspricht.

Unser Lebensglück hängt neben der Gesundheit wesentlich von nährenden Beziehungen ab. Um zu solchen Beziehungen zu kommen, benötigen wir ein hohes Mass an Sozialkompetenzen.

Erfüllung im Beruf und Lebensglück zusammen ergeben das, was wir ein «erfülltes Leben» nennen. Ich stelle fest, dass die meisten Menschen, denen ich im Alltag begegne, «sozial behindert» sind.

Diese Art von sozialer Behinderung in der erwachsenen Bevölkerung ist eher der Normalfall denn die Ausnahme. 

Das heisst, ihnen fehlen soziale Fähigkeiten. Das fällt kaum auf, da diese Art von sozialer Behinderung in der erwachsenen Bevölkerung eher der Normalfall denn die Ausnahme ist. 

Das ist kaum verwunderlich: Bisher hat unsere Gesellschaft (fast) alles dem beruflichen Erfolg untergeordnet. Das beginnt schon in der Schule, wo lernschwache oder fremdsprachige Kinder als «Bremsklötze» für den Lernerfolg der eigenen Kinder betrachtet werden. 

Heute werden die Kinder etwa mit Früh-Englisch, Früh-Französisch und neuerdings sogar Früh-Chinesisch bereits in der Grundschule auf späteren Berufserfolg getrimmt. Das Leistungsprimat hat sich inzwischen weit in unseren Freizeitbereich hineingefressen. 

Wollen wir nicht nur beruflichen Erfolg erreichen, sondern im Alter auch auf ein erfülltes Leben zurückblicken, so ist es entscheidend, dass wir wesentlich mehr Sozialkompetenzen erwerben. 

Das in esoterischen und in linken Kreisen oft gehörte «Wir sind alle gleich» stimmt einfach nicht. Das Gegenteil ist wahr: Wir sind alle verschieden – sogar eineiige Zwillinge besitzen unterschiedliche Fingerabdrücke, Leberflecken oder Muttermale.

Unsere Unterschiedlichkeit hat zur Folge, dass alles, was wir als Menschen wahrnehmen und erleben, auf unterschiedlich beschaffene Resonanzkörper trifft. Dadurch wird ein und derselbe Sachverhalt unterschiedlich wahrgenommen. 

Ein erster Schritt zu mehr Sozialkompetenz bedeutet, sich unserer Unterschiedlichkeit bewusst zu sein und statt der Fragen nach dem Lügen oder dem Rechthaben die Frage zu stellen, wie wir mit den unterschiedlichen Wahrheiten umgehen. 

Ich frage dann oft: «Und nun? Wie kommen wir einen Schritt weiter oder gar zu einer Lösung?»

Ich staune immer wieder darüber, dass Menschen denken, die Welt bessere sich, wenn sich die anderen ändern. 

Den Fehler stets bei den anderen zu suchen und zu erwarten, dass die anderen sich ändern, ist nicht nur ein kindliches Verhalten. Es ist ganz und gar wahnsinnig: Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie unglaublich anstrengend es ist und wie viel Zeit es braucht, sich selber zu ändern. Es braucht dazu einen starken Willen und viel Durchhaltevermögen. Wie aussichtslos muss es dann sein, wenn andere wollen, dass ich mich ändere?

Viele Menschen halten sich – unbewusst – für das «Zentrum des Universums». Sie beziehen alles, was um sie herum geschieht, auf sich. 

Dazu eine Anekdote: Ich wohnte eine Weile in einer Gemeinschaft. Ein kleines Waschbecken befand sich gegenüber meiner Zimmertüre. Während ich auf meinem Computer spielte, fluchte ich oft laut, wenn Piraten oder Gegenspieler meine Schiffe versenkten. Eine Mitbewohnerin bezog das durch die geschlossene Zimmertüre hörbare Fluchen und Schimpfen auf sich und beschimpfte mich fortan, wenn ich in ihrer Nähe war. Erst Wochen später und durch Zufall klärte sich das Ganze auf.

Vieles, das um uns herum geschieht, ist eher ein «Hintergrundrauschen», wie ich es nenne, als dass es etwas mit uns zu tun hat. Haben wir Zweifel, so lohnt es sich nachzufragen.

Zu diesem Basis-Wissen ergänzen Kommunikationsfähigkeiten wie die gewaltfreie Kommunikation und das Zwiegespräch unsere Sozialkompetenzen: Marshall B. Rosenberg gilt als der «Erfinder» der gewaltfreien Kommunikation. Michael Lukas Moeller hat das Zwiegespräch zusammen mit seiner Frau entwickelt.

Die gewaltfreie Kommunikation sollte als Teil der Sprachfächer zum obligatorischen Schulunterricht werden, führt sie doch nicht nur zu besseren Beziehungen, sondern auch zu einer friedlicheren Welt.

Das Zwiegespräch ist eine ritualisierte Gesprächsform. Mit dieser Art der Kommunikation entstehen zwischen zwei Menschen eine grössere Nähe und emotionale Intimität – Voraussetzung für nährende Beziehungen zwischen Erwachsenen. Zudem gelangen die beiden am Gespräch Beteiligten nach und nach in Kontakt mit ihrer eigenen Tiefe. 

Fassen wir zusammen: Die Grundlage für mehr Sozialkompetenzen ist die Erkenntnis darüber, dass wir alle verschieden sind, wir alle gleichwertig sind, sich die Welt ändert («bessert»), wenn wir uns ändern («bessern») und nicht alles, was um uns herum geschieht, mit uns zu tun hat, sowie das Können, mit anderen Menschen besser zu kommunizieren.

Mit der «Investition» in unsere Sozialkompetenzen leisten wir einen wichtigen Eigenbeitrag zu dem, was wir Lebensglück nennen. Stellt sich zudem beruflicher Erfolg ein, so ergibt die Kombination ein erfülltes Leben. 


Der Autor ist Jurist und arbeitet als Coach.